Ausgabe 02/20 -

Eine Gemeinschaft, die es in sich hat

Das Berufsbild der Bäuerin hat sich stark gewandelt. Bäuerinnen sind selbstbewusster und vielfältiger geworden. Sie sind meist die innovative Kraft am Hof und suchen nach neuen Standbeinen. Warum es wichtig ist, dass die Bäuerinnen eine gemeinsame Stimme haben, erzählt uns Landesbäuerin Antonia Egger.

Frau Egger, Sie sind jetzt seit etwas mehr als einem Jahr als Landesbäuerin im Amt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Antonia Egger: Es war für mich bisher eine sehr spannende Zeit. Mein Leben hat sich grundlegend geändert. Ich war in diesem Jahr viel unterwegs und durfte vielen Bäuerinnen begegnen, um ein gutes Netzwerk aufzubauen.

Sie haben sich als Landesbäuerin vor allem den Erhalt des ländlichen Raumes auf die Fahne geschrieben. Was wird da unternommen?

Der Erhalt des ländlichen Raumes war mir immer schon ein großes Anliegen und wird es auch bleiben. Unser Ziel ist es, die Lebensqualität in den Dörfern weiterhin zu festigen und der Abwanderung entgegenzuwirken. Wer heute mit einem Hof in der Landwirtschaft überleben will, muss oft flexibel und kreativ sein und ein zweites Standbein aufbauen. Wir möchten Bäuerinnen unterstützen, für ihren Hof eine Zukunftsperspektive zu entwickeln, u.a. durch Ausbildungen für einen Zuerwerb.

Welche anderen Ziele und Schwerpunkt­themen hat die Südtiroler Bäuerinnenorganisation?

Wir müssen die Frauen weiterhin in ihrem Selbstbewusstsein stärken, insbesondere die Bäuerinnen. Uns ist es sehr wichtig, die Anliegen und Interessen der Bäuerinnen und ihrer Familien zu vertreten, sei es auf verbandspolitischer Ebene als auch in der Gesellschaft. Der Austausch zwischen den Bäuerinnen liegt uns ebenso am Herzen wie die bereits erwähnten Aus- und Weiter­bildungen sowie die Einkommenssicherung. Weitere Schwer­punkte sind die bäuerliche Brauchtumspflege, der Erhalt von alten Sorten und die Kulturpflanzenvielfalt.

Teil der Südtiroler Bäuerinnen-Organisation zu sein, heißt …

… Teil der größten Frauenorganisation im Land zu sein. Die Organisation bietet die Möglichkeit, sich mit Berufskolleginnen austauschen, Gemeinschaft zu erleben und die Freizeit mit ihnen zu verbringen. Und es bedeutet auch, sich fachlich sowie persönlich weiterzubilden und sich gegenseitig zu unterstützen.


Wie schaut es mit der Netzwerkarbeit aus?

Mir ist das Vernetztsein sehr wichtig, einfach weil man dadurch vieles weiterbringt und weil man auch voneinander lernen und profitieren kann. In einem so kleinen Land wie Südtirol ist es wichtig, dass man miteinander und nicht gegeneinander arbeitet. Unterm Jahr finden immer wieder Treffen mit verschiedenen Verbänden und Frauenorganisationen im Lande statt, z.B. mit den Fachschulen für Land- und Hauswirtschaft, mit dem Beirat für Chancen­gleichheit u.v.a.m. Wir sind aber auch über die Grenzen hinaus vernetzt, z.B. durch das Sechs-Länder-Treffen mit den Bäuerinnen- und LandFrauenverbänden aus Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz. Wir treffen uns alle Jahre zu einem Wissens- und Erfahrungsaustausch.

Wie wichtig ist die Interessensvertretung auf politischer Ebene?

Jährlich finden mit unseren politischen Vertretern die Sommergespräche statt, die schon eine gewisse Tradition haben. Letztes Jahr standen im Austausch mit Landeshauptmann Arno Kompatscher mehrere Themen auf der Agenda: die regionalen Produkte, die mehr geschätzt werden müssen, die Mindestrente, die soziale Absicherung der Frauen und die Anerkennung der Erziehungsjahre. Wir werden nicht müde, diese Themen immer wieder anzusprechen. Wir unterstützen auch die bäuerlichen Kandidaten bei den verschiedensten Wahlen, weil es uns wichtig ist, dass die Bäuerinnen auch politisch vertreten sind und mitgestalten.

Warum sollte heute eine Frau stolz darauf sein, Bäuerin zu sein?

Bäuerinnen sind das Rückgrat der Landwirtschaft, Dreh- und Angelpunkt zwischen Familie und Betrieb. Sie gestalten bäuerliche Tradition und Brauchtum und geben das weiter, was sich über Jahrhunderte bewährt hat – von der Lebensweise, den Werten bis hin zum Verantwortungsgefühl gegenüber unseren Lebensgrundlagen. Vor allem aber sorgen die Bäuerinnen für gemeinschaftlichen Zusammenhalt im ländlichen Raum, und zwar durch ihr soziales Engagement und ihren vielfältigen Einsatz in der Freiwilligenarbeit.


Wie kann man den Stellenwert der Frauen im Bauernstand und in der Gesellschaft weiter stärken?

Der Stellenwert der Frau im Bauernstand ist mittlerweile zum Glück gefestigt. Es wird sehr wohl gesehen, dass dort, wo eine Frau am Hof ist, auch Leben ist. Die Bereiche Direktvermarktung und Urlaub auf dem Bauernhof gehen oftmals auf das Engagement der Bäuerinnen zurück. Wie man die Landwirtschaft für Frauen attraktiver gestalten kann, hängt auch von den Möglichkeiten ab, die sie am Hof erhält, und natürlich was jede einzelne Frau daraus macht. Wichtig ist, dass die Bäuerinnen aktiv sind und im Gespräch bleiben. Und wir als Organisation Unter­stützung und eine gute Öffentlichkeitsarbeit leisten.

Um erfolgreich und gut zu führen ist mir wichtig …

… mit allen Funktionärinnen auf gleicher Augenhöhe zu sein, verschiedene Meinungen und Ideen zuzulassen und gemeinsam an deren Umsetzung zu arbeiten.

Das Schönste an Ihrer Arbeit ist …

Als Landesbäuerin sind es die Begegnungen mit den vielen unterschiedlichen Bäuerinnen im ganzen Land und die gegenseitige Wertschätzung. Als Bäuerin in meinem Betrieb ist es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Arbeiten in meinem Garten, wenn alles so schön blüht und wächst. Auch das Verkaufen unserer Produkte auf den Märkten und der Kontakt mit den Menschen bereiten mir eine große Freude.

Antonia Egger Mair

ist Jahrgang 1961 und stammt aus Bozen. Die ehemalige Lehrerin betreibt heute mit ihrem Mann den Obermaurerhof in Jenesien, der sich auf den Anbau und Direkt­vermarktung von Gemüse spezialisiert hat. Die Bäuerin ist seit 1994 Funktionärin in der SBO, war 12 Jahre lang als Orts­bäuerin von Jenesien und ab 2011 als Bezirksbäuerin von Bozen tätig. Im März 2019 wurde sie zur Landesbäuerin der Südtiroler Bäuerinnenorganisation gewählt.

 


SÜDTIROLER BÄUERINNEN­ORGANISATION

Die Südtiroler Bäuerinnenorganisation (SBO) wurde 1981 gegründet und ist die größte Frauenorganisation im Land. Die über 16.000 Mitglieder sind in 154 Ortsgruppen und sechs Bezirken landesweit organisiert. Ziel der SBO ist es, die Stellung der Bäuerin im gesellschaftlichen und beruflichen Leben zu fördern und ihre sozialen, wirtschaftlichen und politischen Interessen zu vertreten.