Ausgabe 06/19 -

Warum Geld unser Diener, nicht aber unser Herr sein sollte

Wir alle suchen mehr oder weniger erfolgreich nach dem Glück. Doch was soll das eigentlich sein? Und wo ist es zu finden? Glücksforscher Anton Bucher weiß Antwort. Soviel vorweg: das neue Auto ist es nicht.

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Herr Professor Bucher, viele von uns sind auf der Suche nach dem Glück. Macht diese ewige Sehnsucht einen Teil unseres Menschseins aus?
Anton A. Bucher: Ja, das kann man wohl sagen. Schon der griechische Philosoph Aristoteles (gest. 322 v. Chr.) war überzeugt: Alle Menschen wollen glücklich sein. In der Neuzeit und der Moderne wurde das menschliche Streben nach Glück intensiver und verbreiteter. Für viele vorausgegangene Generationen war es schon ein Glück, etwas zwischen die Zähne zu kriegen. Mitunter kommt mir vor, dass das aktuelle Glücksstreben übertrieben wird und es auch viele unseriöse Anbieter und Ratgeber gibt, die Glück als Ware feilbieten.

Gerade zur Weihnachtszeit und am Jahresende befinden sich viele Menschen im Stimmungstief. Warum?
Anton A. Bucher: Es stimmt, dass in der Winterzeit sogenannte saisonale Depressionen häufiger werden, bedingt durch weniger Sonnenlicht und die geringere Bildung des Glückshormons Serotonin. Weihnachten liegt ja in der Zeit der verkürzten Tage. Hinzu kommt: Weihnachten ist eine emotional idealisierte Zeit. Als Fest der harmonischen Familie, des Friedens und des Glücks verklärt, hat diese Idealvorstellung mit dem realen Leben wenig zu tun. Wer in diesem Kontext allein ist oder mit dem Nächsten zerstritten ist, kann seine Situation umso prekärer wahrnehmen. Der Wunsch nach Harmonie kann schnell in Niedergeschlagenheit und Schuldgefühle umschlagen.


Geld macht nicht glücklich, sagt man. Aber ohne geht’s wohl auch nicht. Was meinen Sie dazu?
Anton A. Bucher: Selbstverständlich spielt Geld eine Rolle: Gibt es einen Mangel, führt dies zu Sorgen, ist es ausreichend vorhanden, ermöglicht es Freiheiten. Mehr Geld macht Menschen nicht zwingend glücklicher, aber gar keines oder viel zu wenig davon zu haben, macht unglücklich, erst recht in unserer Wohlstandsgesellschaft. Ein höheres Einkommen macht nur bis zu einem gewissen Level glücklicher. Ökonomen sprechen hier von einem abnehmenden Grenznutzen. Ein weiterer interessanter Effekt zeigt sich auf volkswirtschaftlicher Ebene. Schaut man sich die Listen der Länder mit den zufriedensten Einwohnern an, so fällt auf, dass die Plätze ganz oben zwar von wohlhabenden ­Staaten belegt werden (meist haben skandinavische Staaten die Nase vorn), aber nicht von ­extrem reichen. Überraschend glücklich sind ­viele Menschen in Bangladesch, die teils in Slums leben müssen oder kein Obdach haben. Hingegen sind Obdachlose in einem reichen Land wie den USA sehr unglücklich. Wir Menschen definieren uns immer im Vergleich mit anderen. Je gerechter der Wohlstand verteilt ist, desto zufriedener sind alle.

Anton A. Bucher: „Glück ist etwas Persönliches und Subjektives. Generalisierende Ratschläge sind deshalb schwierig.“
Prof. Anton A. Bucher

Gibt es weitere interessante Forschungsergebnisse?
Anton A. Bucher: Eine der am häufigsten ­zitierten, glückspsychologischen Studien stammt von Philip Brickman. Er verglich, wie glücklich Lotteriegewinner und Sportunfallopfer sind, die fortan an den Rollstuhl gefesselt waren. Erstere waren nach dem Gewinn absolut happy, letztere am Boden zerstört. Aber schon nach zwei Jahren waren Paraplegiker annähernd gleich glücklich, zumal deswegen, weil sie sich an kleinen Dingen des Lebens erfreuen konnten, während die Lotterie­gewinner unzufriedener waren, weil sich ihre materiellen Ansprüche erhöht hatten.

Welches sind also die Schlüsselelemente des Glücks?
Anton A. Bucher: Glücksforscher sind sich darin einig, dass Glück etwas Persönliches und Subjektives ist. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich können die Faktoren sein, die Glück begünstigen. Dennoch gibt es einige Faktoren, die auf viele Menschen zutreffen: warmherzige, enge, vertrauensvolle Beziehungen, eine sinnvolle und erfüllende Tätigkeit, Wertschätzung und Anerkennung, viel Aktivität und Bewegung. Materielles macht nur bedingt glücklich. Über alle Untersuchungen hinweg erweisen sich Schenken, Spenden und ehrenamtliche Arbeit als echte Glücksbringer. Statt Jammern sollten wir eine Kultur der Dankbarkeit und Gelassenheit pflegen.

„Ganz egal, wie groß
deine Rolex ist.

Mehr Zeit hast du trotzdem nicht.“

 

(Unbekannt)

Das kleine Land Bhutan am östlichen Rand des Himalayas misst neben dem Bruttoinlandsprodukt auch das Bruttonationalglück. Sollten westliche Staaten mehr für das seelische ­Befinden ihrer Bürger tun?
Anton A. Bucher: In der Geschichte gab es immer wieder Versuche, Menschen politisch zum Glück zu zwingen, etwa durch „Kraft durch Freude“ im Nationalsozialismus. Wenn Politik hier auf Erden schon den Himmel errichten will, wird daraus zumeist eine Hölle. Denn Bürgerinnen und Bürger sind einfach zu unterschiedlich und zumeist grundsätzlich bestrebt, frei zu entscheiden, frei zu handeln und sich nicht zwangsbeglücken zu lassen. Politik kann jedoch glücksbegünstigende Maßnahmen setzen, etwa mit der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, der Gestaltung unserer Umwelt und des Klimas, dem Einrichten von Sport- und Bewegungszentren usw. Ganz ­entscheidend ist aber, dass Politik die Menschen- und Freiheitsrechte bewahrt. Länder mit stärkerer demokratischer Tradition – wie Skandinavien und die Schweiz – haben deutlich glücklichere Einwohner als postkommunistische Staaten, wo sehr viel Unfreiheit und Angst herrschte.

infos zur person

Anton A. Bucher ist ein Schweizer Theologe, Pädagoge und Buchautor. Seit 1993 lehrt er als Professor für Religionspädagogik an der Universität Salzburg. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Glücksforschung, Psychologie von Spiritualität und Religiosität und Empirie des Religions- und Ethikunterrichtes.

Buchtipp: „Psychologie des Glücks“, Weinheim, 2. Auflage 2018, Autor: Anton A. Bucher