Ausgabe 05/22 -

Von Frauen für Frauen & Männer

Es gibt noch viel zu tun, um Geschlechterklischees und Ungleichbehandlung von Frauen im Berufsleben abzubauen, sagt die Präsidentin des Frauennetzwerkes Wnet, Kathrin Pichler. Wie der Verein sich dafür einsetzt, verrät sie uns im Interview.

Foto: Vanessa Runggaldier

Frau Pichler, für alle, die das Frauennetzwerk Wnet noch nicht kennen: Welche Ziele verfolgt es und wie ist es entstanden? 

Kathrin Pichler: Wnet – networking women ist ein Verein, der das Ziel hat, Frauen im beruflichen Werdegang zu unterstützen. Wir verfolgen vier Schwerpunktthemen: Rollenstereotype abbauen, Expertinnen sichtbar machen, die Vereinbarkeit Beruf und Familie ermöglichen und Frauen in Entscheidungs- und Führungspositionen bringen. Wir organisieren Sensibilisierungsaktionen und Veranstaltungen, machen Pressearbeit und arbeiten mit anderen Institutionen und Vereinigungen zusammen, um diese Themen voranzubringen. Wnet ist an Frauen UND Männer adressiert, denn uns ist es ein wichtiges Anliegen, mehr Männer zu erreichen, die unsere Ansichten mittragen. 

Das Frauennetzwerk ist aus einem vom Europäischen Sozialfonds geförderten Mentoringprogramm heraus entstanden, das beim Auslaufen war. Eine Gruppe von 17 engagierten Frauen wurde daraufhin aktiv und gründete 2006 den Verein Wnet. Heute hat das Netzwerk rund 80 offizielle Mitgliedsfrauen und einen großen Interessentenkreis. 


Welche Initiativen werden gesetzt, um den Kampf gegen Geschlechterklischees und Ungleichbehandlung berufstätiger Frauen zu gewinnen? 

Wir organisieren circa alle zwei bis drei Monate eine Veranstaltung in unterschiedlichen Formaten. Ein Highlight sind die Expertinnentreffs: Zwei Frauen aus einer Branche stellen sich und ihre Arbeit vor, manchmal auch kombiniert mit einer Firmenbesichtigung. Ein weiteres Highlight ist die Impulstagung, unsere größte Wnet-Veranstaltung im Jahr. Heuer fand sie am 18. Oktober 2022 in der Kellerei Bozen unter dem Motto „Die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen“ statt. Die Veranstaltungen sind für alle offen. Wichtig ist uns auch, mit anderen Frauenorganisationen und Wirtschaftsverbänden zusammenzuarbeiten und uns auszutauschen. Derzeit arbeiten vier Vertreterinnen von uns beim Gleichstellungsaktionsplan der Autonomen Provinz Bozen mit. Ziel ist es, Chancengleichheit zwischen Mann und Frau in allen Lebensbereichen herzustellen.

Können Sie uns weitere Beispiele nennen?

Eine besondere Aktion war die Sprachaktion „In den Medien ausschließlich die weibliche Form!“. Am 4. Juli 2019 wurden Nachrichten und Artikel in den deutschsprachigen Medien in Südtirol rein in der weiblichen Form verfasst und nicht wie normalerweise üblich in der rein männlichen. Wnet wurde für diese Aktion für die Auszeichnung MedienLÖWE des österreichischen Journalistinnenkongresses nominiert. Seit dieser Aktion wird in der Südtiroler Berichterstattung viel mehr gegendert. Wir setzten uns auch gegen sexistische Werbung und Darstellung der Frau ein und nehmen eine vermittelnde Rolle ein, wenn Podien von Unternehmen/Organisationen rein männlich besetzt sind und es gilt, Expertinnen zu finden. Eine weitere erfolgreiche Initiative war die Technikerinnen-Tour 2020 gemeinsam mit dem Landesbeirat für Chancengleichheit. Hier haben wir uns für mehr Sichtbarkeit für Frauen in technischen Berufen eingesetzt und die Eintragung von Frauen in die Sachverständigenverzeichnisse für die Neubesetzung der Gemeindekommissionen für Raum und Landschaft vorangetrieben.

Abschluss der Technikerinnen-Tour an der Bergstation der Helmbahn in Sexten mit Ursula Sulzenbacher, Lisa Gruber, Brigitte Lercher, Hemma Trenker, Landeshauptmann Arno Kompatscher, dem Landtagsangeordneten Franz Locher und dem Innichner Bügermeister Klaus Rainer

Technikerinnentour

Das Thema „finanzielle Unabhängigkeit“ liegt Wnet besonders am Herzen. Warum?

Nach wie vor verdient eine Frau bei gleicher Leistung durchschnittlich weniger als ein Mann. Dieser geschlechtsspezifische Lohnunterschied („Gender Pay Gap“) betrug laut ASTAT 2019 17,0 Prozent in der Privatwirtschaft und 17,9 Prozent im öffentlichen Dienst und nimmt im Laufe des Berufslebens zu. Denn ungünstige Verträge, Babypause und der Wiedereinstieg in den Beruf in Teilzeitmodellen wirken sich negativ auf die Gehaltssituation der Frau aus. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Rentenansprüche. Entsprechend hoch ist für Frauen das Risiko der Altersarmut. Deshalb ist es notwendiger denn je, dass Frauen über Geld, Absicherung und die richtige Vorsorge sprechen. Diese Gelegenheit schaffen wir mit unseren Wnet-Initiativen. Ich appelliere an jede einzelne Frau, sich eigenverantwortlich und aktiv mit den Themen Geld und Vorsorge zu beschäftigen und sich dabei auch von Expert*innen beraten zu lassen.

Auch das Thema „Mehr Frauen in Entscheidungspositionen“ bietet noch viel Luft nach oben … 

Das stimmt. Ich finde, gute Entscheidungen entstehen, wenn unterschiedliche Perspektiven in den Entscheidungsprozess proaktiv eingeholt und eingebracht werden. Wer Frauen außen vor lässt, dem entgehen Bedürfnisse von fast der Hälfte der Gesellschaft. Es ist einfach wichtig, Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen zu haben und zu bringen. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Ein wichtiger Faktor unter vielen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bereits im Kindergarten entstehen aufgrund der begrenzten Öffnungs- und langen Ferienzeiten Betreuungslücken und Druck für die Eltern. Damit nicht die Frau – wie leider oft üblich – zurückstecken muss, braucht es ein finanziell tragbares Jahresangebot für die Kinderbetreuung. Vorbilder sind die nordischen Länder, wo es ganz normal ist, dass Männer und Frauen in 80 Prozent Teilzeit arbeiten und sich in der Betreuung abwechseln. 


Sie sind seit Juni die neue Präsidentin des Frauennetzwerkes Wnet. Was hat Sie dazu motiviert, das Amt anzunehmen? Welche Schwerpunkte werden Sie angehen?

Ich bin seit 2013 Mitglied bei Wnet und seit 2016 als Vorstandsmitglied aktiv. In dieser Zeit habe ich so viele interessante Frauen kennengelernt. Frauen in den unterschiedlichsten Positionen, mit Geschichten und Erfahrungen. Davon konnte ich lernen. Die vielen positiven Erfahrungen möchte ich auch anderen ermöglichen. Deshalb habe ich das Amt der Präsidentin gerne angenommen.

Auch in den nächsten Jahren werden wir im Vorstand daran arbeiten, die vier Schwerpunktthemen zu verfolgen. Veränderung benötigen ihre Zeit und hier ist es wichtig, das große Ganze im Blick zu haben, dranzubleiben und stets nachzuhaken. Im nächsten Jahr wird die Wnet-Tätigkeit sicherlich auch ein Stück weit durch die Landtagswahlen geprägt sein. Wir brauchen politische Entscheidungsträger*innen, welche die Interessen berufstätiger Frauen verstehen und sich dafür einsetzen. Es bleibt eine spannende Zeit.

ZUR PERSON

Kathrin Pichler, Jahrgang 1988, hat Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck studiert und das Masterstudium Entrepreneurship & Innovation in Bozen abgeschlossen. Sie ist im lvh – Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister in der Abteilung Innovation & Neue Märkte tätig. 2020 hat Pichler nebenberuflich ihr eigenes Unternehmen Wentiquattro gegründet. Seit 2022 ist Kathrin Pichler Präsidentin des Vereins Wnet.