Ausgabe 02/22 -

Sport ist die beste Lebensschule

Die Sportpsychologin Monika Niederstätter erklärt, warum gerade jetzt Bewegung wichtig ist.

Frau Niederstätter, die Corona-Pandemie hat sich auch auf den Sportbereich erheblich ausgewirkt. Wie beurteilen Sie die Situation?

Monika Niederstätter: Obwohl die meisten SportlerInnen mittlerweile trainieren und Wettkämpfe bestreiten können, stellt die Pandemiesituation auch für sie eine große Belastung dar. Die Einschränkungen beim Sport haben aber auch bei Freizeitsportlern auf die Motivation gedrückt. Denn Sport ist weit mehr als die Verbesserung der körperlichen Gesundheit und Steigerung von Fitness. Es geht vor allem um das soziale Miteinander, um Wohlfühlen und persönliche Entwicklung. In der Pandemie ist davon viel verloren gegangen. Besonders schlimm hat es die Kinder und Jugendlichen getroffen, die sich während der Lockdowns nicht mehr zum gemeinsamen Training treffen durften.


Was bedeuten diese Einschränkungen für Jugendliche?

Viele gewohnte Möglichkeiten, körperlich aktiv zu sein, sind durch die COVID-19-Pandemie weggefallen. Dies betrifft den Sport in Schulen und Sportvereinen, aber auch Aktivitäten in der Freizeit und im Freundeskreis. Noch nie haben sich Kinder und Jugendliche so wenig bewegt wie momentan. Und noch nie haben sie so viel Zeit vor Bildschirmen verbracht. Dies hat fatale Folgen für ihre Gesundheit und ihr seelisches Wohlbefinden. Übergewicht und körperliche Probleme nehmen zu, ebenso wie psychische Störungen, darunter verstärkte Ängstlichkeit, Einsamkeitsgefühle, Depressionen, Essstörungen u.a.m. Die Jugendlichen werden träge und ziehen sich sozial immer mehr zurück.

Das Südtiroler Netzwerk für Sportpsychologie und Mentaltraining, dessen Präsidentin Sie sind, hat schon länger Alarm geschlagen …

Ja, wir beobachten die Folgen des eingeschränkten Kinder- und Jugendsports mit Sorge. Immer mehr Eltern und Trainer und auch Jugendliche wenden sich hilfesuchend an uns. Aus Sicht des Netzwerks für Sportpsychologie besteht dringender Handlungsbedarf, um Kindern und Jugendlichen wieder mehr Spiel und Sport mit Gleichaltrigen zu ermöglichen. Speziell jetzt im Frühling und im Sommer sollte das Training wieder verstärkt aufgenommen werden.

Welche Ziele verfolgt das Netzwerk für Sportpsychologie?

Bei der Gründung unseres Netzwerkes ging es uns vor allem darum, die Sportpsychologie und das Mentaltraining in Südtirol zu etablieren und zu institutionalisieren. Ziel ist der regelmäßige Austausch und die Verbreitung sportpsychologischer Erkenntnisse in der Öffentlichkeit. Zudem organisieren wir regelmäßig Weiterbildungen, wie zum Beispiel – in Zusammenarbeit mit dem Verband der Sportvereine (VSS) – die jährliche Fortbildung für TrainerInnen im Sommer.

Können Sie uns Ihre Tätigkeit etwas genauer beschreiben?

In meiner Arbeit als Sportpsychologin begleite ich die Sportlerinnen und Sportler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Gemeinsam erarbeiten wir mentale Strategien und Techniken, um den Trainingsalltag motiviert und die Herausforderungen eines Wettkampfes positiv bewältigen zu können. Selbstverständlich stehe ich ihnen auch in sportspezifischen Krisensituationen wie bei Verletzungen und in der Rehabilitation zur Seite. Die Tätigkeit ist sehr vielseitig und reicht von Psychoregulation über Stressmanagement, Optimierung von Lernprozessen bis hin zur Teamentwicklung und Karrieregestaltung.

ZUR PERSON

Monika Niederstätter ist eine ehemalige Weltklasseläuferin (400 m Hürden), zweimalige Olympiateilnehmerin (2000, 2004), mehrfache Teilnehmerin an Weltmeisterschaften und 9-fache Italienmeisterin. Sie ist ausgebildete Sportpsychologin, Mentaltrainerin, Lauf- und Entspannungstrainerin sowie Präsidentin des Südtiroler Netzwerkes für Sportpsychologie. Monika Niederstätter ist verheiratet und Mutter von drei Kindern.

 


Ist das nur etwas für Leistungssportler?

Nein, grundsätzlich kann jeder von mentaler Stärke profitieren. Sowohl für Leistungs- als auch für Hobbysportler ist es wichtig, Ziele richtig zu formulieren und kognitive Strategien zu entwickeln, um zum richtigen Zeitpunkt die beste Leistung abzurufen und Regenerationsprozesse effektiv zu gestalten. Allein ist dies oft schwierig. 

Sie sind auch Entspannungstrainerin und Life Kinetik Trainerin. Also geht’s im Sport nicht immer um den Wettkampf höher, schneller, weiter?

Nein, absolut nicht. Im Grunde ist der Leistungssport ein kleiner Bereich. Jeder Mensch sollte sich bewegen und das vor allem, weil es unendlich guttut: auf körperlicher Ebene, aber auch auf geistiger, emotionaler und sozialer Ebene. Bewegung trägt auch dazu bei, dass wir Stresshormone abbauen und unser Gehirn sich vom ständigen Denken erholt. Außerdem steigt das Selbstvertrauen. 

Sport hat generell einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Gibt es auch negative Seiten?

Grundsätzlich ist für mich Sport die allerbeste Lebensschule. Vor allem im Kindesalter werden die biologischen, psychosozialen und kognitiven Grundlagen geschaffen, die für das weitere Leben entscheidend sind. Negativ sehe ich den Sport dann, wenn nur noch Ergebnisse und Vergleiche zählen. Besonders im Leistungssport kommt es vor, dass Athleten und Athletinnen – aber auch Trainer und/oder Eltern – sich nur noch über Leistungen definieren und ihren Wert davon abhängig machen.

Haben Sie persönlich noch Zeit, Sport zu treiben?

Ja, natürlich (lacht), die Zeit für Sport nehme ich mir! Ich genieße es, viele verschiedene Sportarten wie Skifahren, Langlaufen, Bergsteigen oder Radfahren auszuüben, meistens mit meiner Familie. Wenn ich im Alltag nicht viel Zeit habe, laufe ich eine Runde im Wald. Zudem halte ich mich mit regelmäßigem Krafttraining fit. Ich muss mich nie dazu aufraffen, ich war, bin und bleibe eine begeisterte Sportlerin.