Ausgabe 02/20 -

Nachhaltig Investieren – 20 Jahre Ethical Banking

Seit 20 Jahren vergibt Ethical Banking begünstigte Kredite mit Mehrwert. Damit werden besondere Projekte, die Sinn und Nutzen stiften, gefördert. So wie die Käserei Englhorn in Schleis.

Foto: Alex Filz

Alexander Agethle ist ein kleiner Landwirt aus der kleinen Ortschaft Schleis im oberen Vinschgau, der wenig Käselaibe produziert. Seine Außenwirkung aber ist riesengroß. Agethle will keine großen Produktionssteigerungen, keine großen Investitionen, keine großen Gewinne. Er arbeitet im Kleinen, nachhaltig, bedächtig, und doch, oder gerade deshalb, sehr erfolgreich.

Ein besonderer Bauernhof

Der Englhof, seit weit über 200 Jahren im Besitz der Familie Agethle, war ein typischer Betrieb: einige Milchkühe, deren Milch an die Sennereigenossenschaft geliefert wurde. Doch als Alexander Agethle den Hof übernahm, brach er mit der „Tradition“. Ein kleiner Betrieb, sagt er, ist eigentlich zu klein zum Überleben. Wird man groß genug, begibt man sich in Abhängigkeit von Abnehmern und Milchpreis, muss investieren, technisieren, und ist irgendwann ein Sklave der Investitionen, arbeitet im Nebenerwerb am nächsten Skilift, um den Haupterwerb zu finanzieren. Wie muss man einen Milchviehbetrieb organisieren, damit auch ein kleiner Hof eine Zukunft haben kann?

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Alexander Agethle in seiner Hofkäserei Englhorn in Schleis
Alexander Agethle in seiner Hofkäserei Englhorn in Schleis

Der Bauern-Rebell

Er stellte radikal um, verzichtete größtenteils auf Kraftfutter, reduzierte die Milchleistung der Kühe und produziert seit bald 20 Jahren Käse: Viermal pro Woche versetzt Agehtles Mitarbeiter, Senner Max Eller aus Schleis, die Milch mit den eigens gezüchteten Bakterienkulturen, daraus entsteht der Weichkäse „Arunda“, der Schnittkäse „Tella“ oder der Hartkäse „Rims“. Lange Jahre ging das gut, bis 2012 das Gebäude neben Agethles Hof zum Verkauf stand, die 1935 erbaute Dorfkäserei Schleis. Das Haus war verwahrlost, eine Ruine, aber für Agethles Ansinnen ideal. Denn die Käserei im Haus war viel zu klein, ein professionelles Arbeiten darin nicht möglich. Das Gebäude gehörte den Schleiser Bauern. Auch Agethle besaß einen Teil davon, zwei Achtundfünfzigstel. Um das gesamte Haus zu erwerben, fehlte aber das Geld.

Agethle wurde auf Ethical Banking aufmerksam und nahm mit Roland Furgler Kontakt auf, der diesen Bereich der Raiffeisen­kassen leitet. Er bot etwas Eigenkapital, viel eigene Arbeits- kraft und sein Gutscheinprojekt: Der Kunde kauft den Käse vorab und bekommt die investierte Summe als Naturalie zurück. Für 500 Euro beispielsweise bekommt er zehn Jahre lang zwei Kilogramm Käse pro Jahr. Rund 14.000 Euro zahlt Agethle pro Jahr in Form von Käse an seine Investoren zurück. Furgler schaute sich den Hof an und merkte bald, dass er ein sinnvolles Projekt vor sich hatte, bei dem auch die Zahlen stimmen. Die Finanzierung des Neubaus wurde dann über einen Ethical-Banking-Kredit der Linie „Biologische Landwirtschaft“ abgewickelt.


Ein besonderer Kredit

Ethical-Banking-Finanzierungen sind besondere Kredite. Bei Ethical Banking werden Spargelder gesammelt, mit denen Projekte zu Förderzinssätzen finanziert werden. Der Sparer kann dabei entscheiden, was die Bank mit seinem Geld macht. Der Leitgedanke von Ethical Banking besteht darin, Nutzen zu stiften, Selbstveranwortung zu fördern und Solidarität zu zeigen, ganz im Sinne der Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Gründervater der Raiffeisenkassen. „Gemeinsam tragen Kunden und die Raiffeisenkassen zu mehr Nachhaltigkeit bei und setzen sich für eine lebenswerte Zukunft ein“, betont Roland Furgler. Zur Auswahl stehen sechs nachhaltige Spar- und Finanzierungslinien: Gerechter Handel, Bäuerlichen Notstandsfonds – Menschen helfen, Biologische Landwirtschaft, Weniger Handicap für Menschen mit Beeinträchtigung, Erneuerbare Energien und Energetische Sanierung. Jede Raiffeisenkasse, die Ethical Banking anbietet – mittlerweile sind es 25 im Land – veröffentlicht jeden Kredit, um maximale Transparenz zu leben. Auf diese Weise kann jeder sehen, was mit seinem Geld passiert. „Es ist sogar gewünscht, dass Kreditgeber und -nehmer zusammenkommen“, sagt Furgler. Alle Projekte, bis auf den Bereich Gerechter Handel, werden ausschließlich in Südtirol umgesetzt.

Besonders ist aber vor allem, dass der Sparer auf einen Teil seiner Rendite verzichtet, die Bank auf große Spreads. Damit kann Ethical Banking besonders günstige Zinssätze anbieten. Roland Furgler: „Wir verteilen keine Almosen, sondern leisten gezielt Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb muss es einen Businessplan und Sicherheiten geben, der Kredit muss zurückgezahlt werden. Bis heute hat es keinen Kreditausfall gegeben, das zeigt, dass wir seriös arbeiten“, betont Furgler.

 

Für Agethle hat sich der Schritt auf jeden Fall gelohnt. Senner Max Eller konnte aus einem „Erdloch“ an einen großzügigen Arbeitsplatz wechseln. Die Milch muss nicht mehr umhergepumpt werden, „das schmeckt man“, sagt Agethle. Noch läuft aber nicht alles so, wie Agethle es gern hätte. Agethles Käserei ist auf 25 Kühe ausgelegt. 13 hat er selbst, von dreien kauft er die Milch zu, doch auf 25 kommt er nicht. Er findet niemanden, der seine Qualitäts­ansprüche erfüllt: ökologische Landwirtschaft, silagefrei, saisonal, Weidewirtschaft, mutter­­gebundene Milchviehhaltung, behornte Kühe, und nicht zu weit entfernt. „Ein hoher Anspruch, ja“, sagt Agethle, „aber machbar. Nur wenn die Rohmilch­qualität stimmt, wird ein guter Käse draus.“

Nachhaltigkeit leben

Bevor er seine Ansprüche herunterschraubt, wartet er lieber. Gemeinsam mit Ehefrau Sonja Sagmeister folgt er einer Vision: die Lebensmittelproduktion vom freien Markt zu entkoppeln und die Förderkriterien ändern. Er begeistert sich für Gemeinwohlökonomie, Regionalwährung und Kreislaufwirtschaft. „Schleis hat 350 Einwohner“, sagt er, „aber dreimal pro Tag kommt der Paketbote mit dem LKW. Das ist nicht nachhaltig.“ Er versucht nachhaltig zu leben, soweit es eben geht. Roland Furgler stattet dem Biobauern regelmäßig Besuche ab und hat auch privat Käsegutscheine, die sogenannten „Englhörner“, erworben. „Alexander Agethle zeigt auf, wie es gehen kann. Mehr Wertediskussion anstatt immer nur Preisdiskussion – das ist das Plus der Raiffeisenkassen gegenüber großen Banken.“
Beide hoffen darauf, dass immer mehr Menschen wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert. Dass der „gute Zins“ auch ein gutes Gefühl vermittelt. Und dass Nachhaltigkeit irgendwann kein Modewort mehr ist, sondern selbstverständlicher Alltag.

20 JAHRE ETHICAL BANKING – Ethical Banking soll Normalität werden

Roland Furgler freut sich über die gute Entwicklung der Anlageform und über Kunden, die trotz Niedrigzinsen investieren.

Roland Furgler ist seit 2011 Leiter des Bereichs Ethical Banking.

Herr Furgler, Ethical Banking feiert heuer 20. Geburtstag, gibt es Grund zu feiern?

Roland Furgler: Ja, gibt es. Die Entwicklung der letzten Jahre war sehr gut. Wir sind vor 20 Jahren aus dem Nichts gestartet. Heute verwalten die Ethical Banking Partner­kassen ca. 28 Mio. Euro an Spargeldern von 2.000 Kunden. 70 % davon sind bereits als Förderkredite an über 400 Kreditnehmer vergeben.

Was hat ein Sparer von Ethical Banking?

Für immer mehr Anleger ist der bewusste und sinnvolle Einsatz des Geldes wichtiger als die Rendite. Bei Ethical Banking bestimmt der Sparer selbst, welches Projekt in welchem Bereich von der Bank finanziert werden soll. Durch die Wahl des Spar­-zinses kann er den Kredit­zinssatz für das gewählte Projekt mitbeeinflussen.

 

Kredite sind zur Zeit ohnehin billig …

Ja, momentan macht uns das extrem tiefe Zinsniveau etwas zu schaffen. Dafür sind die Menschen, die zu uns kommen, umso bewusster, weil sie die Idee dahinter gut finden.

Was ist verbesserungswürdig?

Mit dem Investitionsverhältnis sind wir zufrieden. Wir arbeiten daran, dass die Weitergabe in Form von Krediten noch schneller erfolgen kann als bisher. Und wir denken auch über neue Bereiche nach, aber das ist nicht immer einfach. Hinter jedem Projekt muss immer eine Sinnhaftigkeit stehen und die Rückzahlung muss gewährleistet sein.

 

Wo soll Ethical Banking in zehn Jahren stehen?

In zehn Jahren soll Ethical Banking Normalität sein, keine Besonderheit mehr. Denn Ethical Banking verkörpert die Idee von F. W. Raiffeisen, dass Geld eingesetzt werden soll, um Nutzen zu stiften und die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern. Ich wünsche mir, dass sich in Zukunft noch viel mehr Menschen für eine verantwortungsvolle Geldanlage begeistern.