Ausgabe 01/21 -

Mediation – die schlaue Art, Konflikte zu lösen

Es tut sich was in Sachen Streitkultur: Heute kommt immer häufiger ein Mediator zum Einsatz. Er erarbeitet die Interessen und Bedürfnisse zusammen mit den Konfliktparteien und am Ende steht im Idealfall eine oft auch sehr kreative Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Ein wertvolles Verfahren, das wir für Sie näher mit dem Wirtschaftsmediator Dieter Oberhuber beleuchten.

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Herr Oberhuber, was sind die Hauptgründe dafür, dass Konflikte entstehen?
Dieter Oberhuber: Konflikte sind im Zusammenleben mit Menschen meist unvermeidbar, da immer wieder unterschiedliche Erwartungen, Werte und Einstellungen aufeinandertreffen. Diese bilden den Kern eines jedes Konflikts.

Wozu kann dies führen?
Dies führt meist dazu, dass aus Sachdifferenzen schnell auch Probleme auf der Beziehungsebene entstehen. Automatisch werden unbewusste Denk- und Verhaltensmuster aktiviert, mit all ihren Ausblendungen und Fokussierungen. Das Kreisen um das Problem führt automatisch zur Suche von Schuldigen. Niemand will als Verlierer das Feld verlassen und schon dreht sich das Rad weiter. Die Beziehungsebene wird zusehends belastet mit vielen destruktiven Folgen für alle Beteiligten, egal ob es sich um Familien, Partnerschaften, Teams oder ganze Abteilungen in Unternehmen handelt.

Können Sie uns an einem Beispiel erklären, wie Mediation eigentlich funktioniert?
Stellen Sie sich vor, zwei Kinder streiten um eine Orange. Die Mutter nimmt daraufhin die Orange, teilt sie in zwei Hälften und gibt jedem ihrer Kinder eine Hälfte. Die Mutter findet in diesem Fall einen Kompromiss, indem sie die Orange aus ihrer Sicht gerecht aufteilt. Wäre die Mutter eine Mediatorin, würde sie die Kinder zunächst fragen, für was sie die Orange benötigen. Es könnte sein, dass eines ihrer Kinder nur die Schale zum Backen benötigt, das andere Kind würde womöglich gern das Fruchtfleisch essen und die Schale gar nicht benötigen. Man spricht von einer Win-win-Lösung, wenn beide Beteiligten mehr erhalten, als dies bei einem Kompromiss der Fall ist. Auch wenn dies jetzt ein fiktives Beispiel mit optimalem Ausgang ist, kann man auch in der Praxis durch eine mediative Herangehensweise grundsätzlich mehr von dem jeweilig Gewünschten erreichen, weil der Mediator die Wünsche, Ängste, Sorgen u.a. genauer hinterfragt.


Wie geht ein Mediator in einer Mediation bzw. in einem mediativen Gespräch vor?

Lassen Sie es mich so formulieren, wie es der bekannte Mediator Gerhard G. Hösl beschrieben hat: Als externer Dritter versteht sich der Mediator als Katalysator, an den sich die Teilnehmer wenden, ohne in alte Streitmuster (gegenseitige Vorwürfe, Beschuldigungen etc.) zu verfallen. Die Ängste, Wünsche und Forderungen werden im Beisein aller Konfliktparteien an den Mediator gerichtet, welcher versucht, die Punkte zusammenzufassen und durch empathisches Zuhören die Interessen hinter den Positionen herauszufiltern. Er versucht, die Vorstellungen aus dem Blickwinkel der am Konflikt beteiligten Personen möglichst genau wiederzugeben. Dadurch schafft er Klarheit. Zugleich wertschätzt er das Problem und auch die am Streit beteiligten Menschen selbst. Die Lösungsexperten bleiben jedoch immer die Teilnehmer. Die Mediation macht den Beteiligten ihre Verantwortung bewusst; sie sind dann besser in der Lage, alternative Lösungen zu erkennen.

Sind in einem Konflikt die Fronten stark verhärtet, kann eine Mediation verhindern,
dass sich die Parteien im Streit trennen oder vor Gericht landen.
Mediation

MEDIATION

Mediation (lateinisch Vermittlung) setzt dort an, wo ein Konflikt nicht ohne externe Hilfe gelöst werden kann. Eine neutrale, außenstehende Person, der sogenannte Mediator, vermittelt zwischen den Konfliktparteien. Er greift dabei nicht in den Entscheidungsprozess ein, sondern unterstützt beide Parteien in der Lösungsfindung. Die Mediation bietet eine gute Alternative zu einem Gerichtsverfahren, da sie mit einem geringeren Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist und die Entscheidungsmacht den Konfliktparteien vorbehalten ist. Außerdem wird – im Gegensatz zu einem gerichtlichen Prozess, wo am Ende meist eine Verlust-Gewinn-Lösung steht – eine für beide Seiten befriedigende Lösung (Win-win-Situation) gesucht.

 


Was sind die Vorteile einer Mediation?
Selbst erarbeitete Lösungen sind nachhaltiger als aufgezwungene. Aus psychologischer Sicht haben sie zudem den Vorteil, dass ein verloren gegangenes Zusammengehörigkeitsgefühl wieder neu entstehen kann, mit der Erkenntnis, dass auch zukünftige Konflikte oder Differenzen konstruktiv lösbar sind. Ein erfolgreich bewältigter Konflikt kann bei den Beteiligten riesige persönliche Wachstumsschritte zu Tage bringen.

Vielfach entstehen Konflikte auch in der Arbeitswelt. Wie kann man in Unternehmen vorbeugen?
Konflikte in Betrieben können zwischen Individuen oder Gruppen stattfinden und nehmen nicht selten ein böses Ende in Form von Mobbing, Burnout oder Kündigung. Deshalb sollten Konflikte schnellstmöglich gelöst, bestenfalls sogar verhindert werden, bevor sie sich destruktiv auswirken. Der konstanten Schulung der Führungskräfte und Mitarbeiter in Kommunikationsverhalten, Wahrnehmung sowie Selbstreflexion kommt hier eine große Bedeutung zu. Mitarbeiter werden sensibilisiert und lassen sich leichter darauf ein, ehrlich über Dinge zu reden, die ihnen auf der Seele liegen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Konfliktlösung sowie für eine langfristige Mitarbeiter- und Kundenbindung.

Was tun bei langwierigen Konflikten?
Bei belastenden, zeitlich länger anhaltenden Konflikten innerhalb eines Betriebes ist es sinnvoll, einen neutralen Dritten hinzuzuziehen. Dieser ist nicht „vorbelastet“ und wird daher von den Konfliktparteien meist besser angenommen als ein Vorgesetzter.
Jeder Konflikt ist anders und deshalb nur individuell und systemisch lösbar. Ein gut funktionierendes Lösungssystem muss die Problematik von bestehenden Systemen verstehen und hier ansetzen. Schlussendlich ist eine wertschätzende, authentische Kommunikation wichtig. Sie wirkt sich positiv auf Mitarbeiter und Kunden aus und ist Grundvoraussetzung für erfolgreiches und nachhaltiges Wirtschaften.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie bei mediativen Gesprächen gemacht?
Aus meiner Erfahrung steht bei Konflikten meistens eine emotionale Kränkung im Vordergrund, welche das sachliche Problem überschattet. Deshalb ist ein empathisches Herangehen ans Gespräch von enormer Wichtigkeit. Ehrliches Interesse und aktives Zuhören vermittelt Wertschätzung. Dies erleichtert es den Beteiligten aus ihrer Opferrolle, die meist vergangenheitsbehaftet ist, auszubrechen und konstruktiv in die Lösungssuche, die vorwiegend zukunftsorientiert ist, zu gehen. Fühlt sich ein Mensch ernst genommen und verstanden, kann sich das Konfliktverhalten innerhalb kürzester Zeit positiv verändern. Die heilende Wirkung von Wertschätzung ist ansteckend … im positiven Sinn.

Zur Person

Dieter Oberhuber arbeitet als Filialleiter in der Raiffeisenkasse Tauferer Ahrntal. Er ist zertifizierter Wirtschaftsmediator und hält für den Raiffeisenverband Südtirol Seminare zum Thema Kommunikation (Schwerpunkt Konfliktkommunikation), mediative Gesprächsführung und lösungsorientiertes Verhandeln.