Ausgabe 05/23 -

„Frauen und Führung, das passt perfekt!“

Paulina Schwarz ist Unternehmerin und darüber hinaus in verschiedenen genossenschaftlichen Gremien vertreten. Als Vorsitzende eines Arbeitskreises setzt sie sich für mehr Frauen in Führungsorganen von Genossenschaften ein. Ihre Einschätzung der Situation lesen Sie im Interview.

Frau Schwarz, Sie sind Vorsitzende des Arbeitskreises „Frauen in der Führung von Genossenschaften.“ Warum wurde dieser gegründet?

Paulina Schwarz: Frauen sind in Führungsgremien von Genossenschaften leider nach wie vor kaum bzw. viel zu wenig vertreten. Um dem entgegenzuwirken, hat der Raiff­eisenverband 2015 den Arbeitskreis „Frauen in der Führung von Genossenschaften“ ins Leben gerufen. Im engen Netzwerk mit Frauenorganisationen leistet der Arbeitskreis Sensibilisierungsarbeit, um mehr Frauen für die Kandidatur bzw. Mitarbeit in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten zu motivieren. Der Austausch untereinander und das Aufzeigen von Vorbildern ist uns sehr wichtig, um interessierte Frauen dafür zu ermutigen.


Wie ist die Situation derzeit?

Wir haben je nach Sektor eine unterschiedliche Situation. In den Raiffeisenkassen konnte der Anteil der Frauen von 2013 bis heute von 9 auf 30 Prozent stetig erhöht werden und es gibt nur mehr wenige Verwaltungsorgane, in denen keine Frau vertreten ist. Die erfreuliche Zunahme ist das Ergebnis kontinuierlicher Sensibilisierungsarbeit, ein wichtiger Grund ist sicher auch, dass die Bankenaufsicht und der Gesetz­geber eingeschritten sind. Mit dem neuen Regionalgesetz ist eine geschlechterausgewogene Vertretung und damit eine Mindestanzahl von Frauen in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten (sie hängt von der Größe des Gremiums ab) zwingend vorgeschrieben.

Also braucht es doch die Frauenquote, damit sich etwas ändert?

Die Praxis zeigt, dass es sie wohl braucht, um einen gewissen Standard zu erreichen. Ich sehe sie als probates Hilfsmittel, bis es selbstverständlich ist, dass mehr Frauen bereit sein werden, sich der Wahl zu stellen und entsprechend in Entscheidungsgremien vertreten sind. Die Gremien einer Genossenschaft sollten repräsentativ ihre Mitglieder vertreten. Unsere Gesellschaft ist bunt gemischt, warum muss in den Führungsgremien so stark zwischen Mann und Frau getrennt werden? Im Wesentlichen geht es ja darum, gute Arbeit zu leisten, Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu treffen, um gemeinsame Ziele zum Wohle der Mitglieder zu erreichen.


Wie läuft es bei anderen Genossenschaften?

Bei den landwirtschaftlichen Genossenschaften sitzen derzeit nur vereinzelt Frauen in den Führungsgremien. Dies ist zum Teil historisch und traditionell bedingt, aber auch hier setzen wir in Zusammenarbeit mit bäuerlichen Organisationen Maßnahmen, um dies zu ändern. Eine ausgewogene Situation finden wir eigentlich nur bei den Sozialgenossenschaften vor, weil vorwiegend Frauen in Sozial- und Pflegeberufen tätig sind.

 

Ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch der wichtigste Grund, warum wenig Frauen in den Gremien vertreten sind?

Ich denke schon. Wobei ich sagen muss, dass die Mitarbeit in Führungsgremien auch für Männer zeitintensiv und immer anspruchsvoller geworden ist. Bei Frauen stellen die Familiengründung und die Frage der Kinderbetreuung weitere wichtige Entscheidungsfaktoren dar. Obwohl sich hinsichtlich Kinderbetreuung auf Gemeindeebene in den letzten Jahren viel getan hat, ist die flächendeckende Ganztagesbetreuung und Flexibilität in den Betreuungszeiten noch nicht gegeben. Zudem haben wir in Südtirol bei der mittleren und älteren Generation, was Familienarbeit und Beruf anbelangt, vielfach noch eine recht traditionelle geschlechter­spezifische Rollenverteilung.


Frau Schwarz, Sie sind seit 2022 Obmann-Stell­vertreterin des Raiffeisenverbandes Südtirol und wurden im Frühjahr zur Obfrau der Raiffeisenkasse Etschtal gewählt, die einzige Frau landesweit in dieser Funktion. Wie geht es Ihnen dabei?

Diese beiden Funktionen sind für mich natürlich eine große Herausforderung, die ich mit Freude und Begeisterung, aber auch mit viel Respekt angenommen habe. Die Gewissheit, dass ich die tatkräftige Unterstützung der Führungsgremien und vor allem auch der Mitarbeiter* innen habe sowie auch das Vertrauen der Mitglieder, hilft mir sehr dabei. Wenn ich imstande bin, manchmal auch schwierige Situationen ins Positive zu lenken oder einer akzeptablen Lösung zuzuführen, dann gibt mir das wieder viel Energie und Mut.

Keine Querschläge seitens der Männer? Welchen Tipp möchten Sie interessierten Frauen geben?

Querschläge gibt es eigentlich nicht, aber natürlich darf man nicht jedes Wort auf die Waagschale legen oder gar persönlich nehmen. Man muss ja nicht alles hören, was die Ohren aufschnappen (lacht). Ich bin mit Ratschlägen sehr vorsichtig, aber ich denke, Frauen sollten einfach die Dinge mit mehr Selbstverständnis, Selbstvertrauen und Mut angehen und nicht in die Perfektionismusfalle tappen. Deshalb wäre mein Tipp: Tun, einfach tun! Mit Freude etwas anpacken, dann gelingt es auch. Eine gewisse Risikobereitschaft muss vorhanden sein, alle Eventualitäten im Vornherein durchzudenken und abzuwägen ist schlicht nicht möglich. Natürlich ist und bleibt es die persönliche Entscheidung jeder einzelnen Frau, sich der Wahl für ein Führungsgremium zu stellen und sich als Gewählte aktiv einzubringen.


Bitte vervollständigen Sie zum Abschluss des Interviews noch folgenden Satz: Frauen und Führung …

… das passt perfekt, um es kurz zu fassen.

Drei Frauen in den Führungsgremien der Raiffeisenkasse Etschtal, von links: Geschäftsführerin Susanne Huber, Obfrau Paulina Schwarz und Aufsichtsrätin Evelyn Reich 

Paulina Schwarz – Biografisches

  • Geboren und wohnhaft in Mölten
  • Studium der Rechtswissenschaften in Bologna und Trient
  • 8 Jahre Verantwortliche des Bauhandwerks beim LVH
  • Gründerin und Geschäftsführerin des Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens PRONORM Consulting
  • In verschiedenen genossen­schaftlichen Gremien tätig
  • Seit 2022 Obmann-Stellvertreterin des Raiffeisenverbandes
  • Seit Frühjahr 2023 Obfrau der Raiffeisenkasse Etschtal
  • Seit Anfang Oktober Mitglied im Vorstand und Präsidium der Internationalen Raiffeisenunion (IRU)