Ausgabe 06/23 -

Fairness beginnt im Einkaufswagen

Fair ist mehr – für alle! Davon ist Hans Schwingshackl, Obmann der Sozialgenossenschaft Weltladen „Twigga“ in Bruneck, überzeugt. Wie ein gerechter und solidarischer Handel aussieht und was ihn als Ehrenamtlichen antreibt, erzählt er uns im Interview.

 

Bild: Hans Schwingshackl, Obmann der Sozialgenossenschaft Weltladen „Twigga“, mit Marianne Mair (ehemalige Obfrau) bei der 30-Jahr-Feier im Frühjahr 2023. 

Herr Schwingshackl, wann wurde der Weltladen „Twigga“ gegründet und was hat es mit dem Namen auf sich?

Hans Schwingshackl: Der Weltladen Twigga wurde 1993 auf Initiative von zwei Entwicklungshelfer*innen gegründet, die in Tansania im Einsatz waren. Zunächst als Verein ins Leben gerufen, erfolgte 1997 die Umwandlung in eine Sozialgenossenschaft. Gleichzeitig übersiedelte der Weltladen von St. Lorenzen nach Bruneck, in das Seeböckhaus in der Oberstadt. Twigga heißt auf Swahili Giraffe. Der lange Hals der Giraffe soll das Hinausschauen über die eigenen Grenzen sowie die Aufgeschlossenheit für die Schönheiten und Probleme der Welt symbolisieren.

 

Was versteht man unter Fairem Handel? Was sind die wichtigsten Ziele und Grundsätze?

Mit dem Fairen Handel haben Produzent*innen in den Ländern des Südens die Möglichkeit, ihre Waren unter gerechten Bedingungen in den Ländern des Nordens zu vermarkten. Ein gesichertes Einkommen und angemessene Arbeitsbedingungen sollen Kinderarbeit verhindern, Geschlechtergerechtigkeit und Versammlungsfreiheit fördern. Der Schutz der Umwelt (ökologische Produktion) und Bildung sind weitere angestrebte Ziele.


Wer betreibt und kontrolliert den Fairen Handel?

Es sind in erster Linie große Importorganisationen wie Altromercato in Italien, EZA in Österreich, GEPA in Deutschland, die als „Zwischenorganisationen“ die Brücke von den Produzent*innen zu den Weltläden schlagen. Diese Organisationen gewährleisten durch die WFTO-Zertifizierung (World Fair Trade Organization), dass die festgelegten Kriterien erfüllt werden.

Ist Fairer Handel Hilfe zur Selbsthilfe?

Ja, die meisten Produzenten sind genossenschaftlich organisiert. Der gerechte Handel ist auch Antrieb für eine nachhaltige Entwicklung in vielen Ländern. In der Regel erhalten Produzierende Abnahmegarantien sowie einen garantierten Mindestpreis für ihre Waren. Ein Teil des vereinbarten Preises wird in der Regel schon im Voraus ausbezahlt. Die Mitglieder der Genossenschaft erhalten zudem eine fundierte Beratung in Bezug auf den Anbau und die Verarbeitung ihrer Erzeugnisse.


Die Weltläden in Südtirol sind genossenschaftlich organisiert …

In Südtirol gibt es 13 Weltläden, die vorwiegend als Sozialgenossenschaften geführt werden. Genossenschaftsmitglieder haben mit ihren gezeichneten Anteilen den Start der Weltläden erst ermöglicht, beispielsweise durch den Ankauf von Produkten oder die Begleichung der Mietspesen und Personalkosten. Zudem sind Mitglieder sehr treue Kund*innen der Weltläden. Die genossenschaftliche Struktur sorgt dafür, dass die Verbindung zu den Mitgliedern aufrechterhalten wird, unter anderem durch die jährliche Vollversammlung, Einladungen zu besonderen Anlässen und regelmäßigen Informationen.

 

Was kann man in einem Weltladen kaufen und was ist Ihr Lieblingsprodukt aus dem Fairen Handel?

Die meisten Kundinnen und Kunden besuchen den Weltladen, um Lebensmittel zu kaufen. Besonders beliebt sind Kaffee, Schokolade, Honig, Tee sowie Nudeln und Reis. Viele Kunden stöbern auch nach Geschenken, darunter Schmuck, Glas- und Keramikwaren. Zudem erfreuen sich Handwerksprodukte und Kleidung großer Beliebtheit. Einige Weltläden bieten auch solidarische Weihnachtspakete an, mit deren Erlös soziale Projekte unterstützt werden. Meine persönlichen Lieblingsprodukte sind Kaffee und Filzpatschen aus Nepal.

 

Hat der nachhaltige Konsum in den letzten Jahren zugenommen? Oder ist dieser durch die hohe Inflation eingeschränkt?

Im städtischen Bereich verzeichnen wir noch immer ein steigendes Interesse an unseren Angeboten, besonders auch unter jüngeren Kunden. Unsere Besucher kaufen vielfach bewusst ein. Ihnen sind Qualität des Produktes, der gerechte Handel und ökologische Produktionsformen wichtig.


Wie kann das Bewusstsein für die ökologische Lebensweise und faire Produkte weiter gesteigert werden?

Das Netzwerk der Weltläden informiert das ganze Jahr über und organisiert Aktionen zu Themen des Fairen Handels. Dazu zählen beispielsweise die Fair Fashion Woche im April, der jährliche Weltladentag im Mai oder die Nikolausaktion mit fairer Schokolade. Zudem besuchen Schulklassen unsereWeltläden und wir pflegen eine gute Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen sowie der katholischen Frauenbewegung.

Was verbindet Sie persönlich mit dem Fairen Handel?

Warum liegt er Ihnen am Herzen? Ich bin ein überzeugter Anhänger des Genossenschaftsgedankens. Genossenschaften haben das WIR im Blick. Hier steht die persönliche Profitmaximierung nicht an erster Stelle. Im Fairen Handel profitieren Produzenten UND Abnehmer gleichermaßen. Die Ausbeutung von Natur und Menschen kann meiner Meinung nach nur gestoppt werden, wenn sich alternative Formen des Wirtschaftens durchsetzen. Es ist Zeit für eine FAIRänderung!


Weltläden in Südtirol

Der erste Weltladen wurde 1969 in den Niederlanden eröffnet, von dort breitete sich die Bewegung über ganz Westeuropa aus. In Südtirol gibt es mittlerweile 13 Weltläden, davon sind 11 als Sozialgenossenschaften (Non-Profit-Organisationen) organisiert. Im Jahr 2013 haben sich die Weltläden zum Netzwerk der Südtiroler Weltläden zusammengeschlossen, mit dem Ziel, den Fairen Handel und das Bewusstsein dafür in Südtirol voranzutreiben.

Weltladen Latsch: Faire Apfelschokolade

Mit einer besonderen Initiative setzt der Weltladen Latsch ein Zeichen. In Zusammenarbeit mit der renommierten Schokolademanufaktur „Zotter“ aus der Steiermark wurde eine einzigartige Apfelschokolade entwickelt. „Das Besondere an dieser Schokolade ist die Zusammenarbeit von Produzenten über Kontinente hinweg“, betont Richard Theiner, Obmann des Weltladens in Latsch, „sie besteht aus fairer Schokolade aus dem globalen Süden und aus biologischen Südtiroler Äpfeln, die von VOG Products sorgfältig verarbeitet wurden. Das Ergebnis ist ein köstliches Produkt, das für Fairness und Nachhaltigkeit steht.“