Ausgabe 06/21 -

Digitalisierung – Die Bank der Zukunft

Das Bankgeschäft ändert sich rasant. Digitale Services und Zugangskanäle werden für Bankkunden immer wichtiger. Der Wert menschlicher Interaktion bleibt dennoch hoch. Denn bei wichtigen finanziellen Entscheidungen ist persönliche Beratung gefragt.

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Beim Gang in die Bank von einem Roboter begrüßt werden? Das ist bei uns Zukunftsmusik. In der HSBC Bank in New York ist es bereits Realität. In Shanghai begrüßt der Bank-Roboter die Kunden sogar mit Namen – dank Gesichtserkennungssoftware. Auch ohne den Einsatz von Robotern hat die Zukunft des digitalen Bankings längst begonnen. Internet- und Mobilfunktechnik haben zu großen Veränderungen in der Finanzbranche geführt. Künstliche Intelligenz und Big Data automatisieren und individualisieren Finanzdienstleistungen. Selbstlernende Programme können heute schon Kundenwünsche analysieren und persönliche Finanzen weitgehend autonom verwalten, so wie beispielsweise Autos schon selbstständig fahren können. Auch die Coronakrise trug zu einem spürbaren Digitalisierungsschub bei.

Die Raiffeisenkassen haben in den letzten Jahrzehnten aufwendige IT-Infrastrukturen im Kernbankengeschäft etabliert und sind für das digitale Zeitalter gerüstet, sagt Christof Mair, Vizedirektor der Raiffeisenkasse Eisacktal. „Wir treiben die Digitalisierung weiter konsequent voran: im Zahlungsverkehr, im Onlinevertrieb und in der Beratung. Digitalisierung ist dann zielgerichtet, wenn sie dem Kunden Lasten abnimmt, Bequemlichkeit schafft und einen Mehrwert bietet. Denn die Menschen zu unterstützen, ist ein ureigener genossenschaftlicher Ansatz. Ökonomisch gesehen, ist die Digitalisierung in vielerlei Hinsicht attraktiv: Mit leistungsfähigen und intelligent eingesetzten Technologien können Prozesse automatisiert, Personal und Kosten gespart werden.“


Kommendes Jahr wird in einigen Filialen der Raiffeisenkasse Eisacktal die Videokommunikation mit dem Berater starten, auch Transaktionen per Video werden möglich sein. Gezwungen wird dazu niemand, der Kunde kann situativ seinen bevorzugten Kanal wählen und jederzeit wechseln. Mair: „Digital und nah müssen sich nicht ausschließen, sondern können vielmehr eine sehr gute und zukunftsorientierte Kombination bilden.“ Dazu brauche es ein Gesamtkonzept, das Filialen, Service-Center, Online-Angebote, Raiffeisen-App und andere Kanäle nahtlos verbindet und miteinander verzahnt.

Bei weitreichenden finanziellen Entscheidungen ist die persönliche Beratung nach wie vor wichtig.  
Beratungssituation in einer Filiale

Ist die Filiale ein Auslaufmodell?

Seit Jahren ist die Zahl der Bankfilialen in Südtirol rückläufig. So unterhielten die Südtiroler Raiffeisenkassen im Jahr 2010 insgesamt 192 Geschäftsstellen, 2020 waren es noch 173. Damit stehen die Raiffeisenkassen im Vergleich mit anderen Südtiroler Banken allerdings gut da. In anderen Ländern ist der Rückgang noch viel stärker, in den Niederlanden sind zwei von drei Filialen verschwunden, in Dänemark und Belgien jede zweite.

„Die Geschäftsstellen sind und bleiben die Eckpfeiler unseres Kundengeschäfts, auch wenn sie zahlenmäßig weiter zurückgehen“, unterstreicht Andreas Mair am Tinkhof, Leiter des Bereichs Schutz und Förderung des Genossenschaftswesens im Raiffeisenverband. „Die Filiale als physische Präsenz vor Ort ist nach wie vor ein wesentliches Differenzierungsmerkmal gegenüber Online-Anbietern. Sie hat eine soziale Funktion und wird als Ort der Beratung und persönlichen Begegnung weiter wichtig sein. Der Bankberater bleibt Ansprechpartner und Vertrauensperson für die Kunden.“

„Zukünftig wird deren Gestaltung noch stärker den neuen Kundenerfordernissen angepasst“, ergänzt Christof Mair. Filialen werden Schnittstellen zwischen Online- und Offlinebanking bieten. Serviceschalter werden für den Kunden offener gestaltet, daneben gibt es mehr Raum für den diskreten Austausch. Manche Filialen werden alles anbieten, andere werden sich auf bestimmte Dienstleistungen spezialisieren. Die Öffnungszeiten werden flexibler und noch kundenfreundlicher. Die Mitarbeiter werden sich intensiver auf die Beratungs- und Dienstleistungsaufgaben konzentrieren, die den Kunden einen Mehrwert bieten.


 

Kurzum – die Filiale der Zukunft wird weder analog noch digital sein, sondern beides.

 


High tech & human touch

Bei Digitalisierung denkt Mair am Tinkhof aber nicht nur an die technischen Dinge, sondern fragt sich, wie man im digitalen Zeitalter Beziehungen gestalten kann. „Die Raiffeisenkassen können trotz Digitalisierung von den über die Jahre gewachsenen Beziehungen aus der analogen Zeit zehren“, betont Mair am Tinkhof. „Aber was ist mit den jungen Menschen? Was wünschen sie sich von einer Bank? Wenn der Kunde nicht mehr in die Filiale kommt, wie kann eine gute Beziehung aufgebaut und gepflegt werden? Die Beantwortung dieser Fragen ist wichtiger als die Zahl der Filialen.“


Dem Megatrend Digitalisierung verweigern können sich Banken ohnehin nicht, sagt Mair am Tinkhof. Innovative Unternehmen der Finanztechnologie, kurz FinTechs, haben in den vergangenen Jahren bereits eine große Anzahl IT-basierter Geschäftsideen entwickelt und gezeigt, welches Entwicklungspotenzial in der Bankenbranche steckt. Für die lokalen Genossenschaftsbanken stellt sich die Frage, ob man nur auf die Entwicklung reagiert oder ob man die Veränderung aktiv mitgestaltet. „Die Raiffeisenkassen – so viel steht fest – stehen den neuen Möglichkeiten offen gegenüber und entwickeln ihr Geschäftsmodell zeitgemäß weiter“, unterstreicht Mair am Tinkhof.

Auch in Zeiten des digitalen Wandels wird es im Leben eines Menschen immer wieder Situationen geben, in denen eine kompetente und persönliche Beratung sehr wichtig ist. „Weitreichende Entscheidungen will man nicht am Telefon oder allein im Internet treffen. Wir als Raiffeisenkasse werden den Fokus noch stärker auf die genossenschaftliche Rundumberatung des Kunden richten und uns als Beraterbank etablieren,“ sagt Christof Mair. „Vor allem das bestehende Vertrauen unserer Kunden in die Kompetenz der Beratung, in Datensicherheit und Datenschutz ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, den wir nutzen können.“ Fazit: Bei Raiffeisen steht auch in Zukunft der Mensch im Mittelpunkt, die Bank ist Ansprechpartner und Lebensbegleiter. Dazu kommen noch digitale Kanäle, für den Menschen gemacht und nicht umgekehrt.

KUNDENNÄHE IN EINER DIGITALEN WELT – Persönliche Beratung ist der Mehrwert, den wir bieten

Christof Mair, Vizedirektor der Raiffeisenkasse Eisacktal

Herr Mair, wie hat sich das Kundenverhalten verändert?

Christof Mair: Kunden sind heutzutage digital affiner, mobiler, flexibler und stellen entsprechende Anforderungen an ihre Hausbank. Sie nutzen und schätzen Online-Angebote und digitale Services, vor allem wenn es um einfache Banktransaktionen geht. Bei wichtigen und komplexen Finanzentscheidungen, beispielsweise bei der Pensionsvorsorge oder einem Immobilienkauf, schätzen Kunden nach wie vor die persönliche und individuelle Beratung vor Ort. Das ist der eigentliche Mehrwert, den wir als lokale Genossenschaftsbank bieten.

 

Also hat die traditionelle Filiale nach wie vor Zukunft?

Auf jeden Fall. Uns ist wichtig, am Konzept der Filiale festzuhalten, aber in einer zeitgemäßen und digitalen Form. Unsere Filialen werden sich immer stärker zur Begegnungsstätte entwickeln und mit dem digitalen Angebot verschmelzen. Auch die Webseite und die Raiffeisen-App werden wir weiter ausbauen, da ist noch viel möglich. Die Herausforderung liegt darin, die persönliche Nähe zum Kunden auch in die digitale Welt zu übertragen.

Werden bei der Beratung digitale Hilfsmittel verwendet?

Ja. Technische Hilfsmittel und Tools können im Beratungsgespräch sehr hilfreich sein. So kann der Berater zum Beispiel Tilgungspläne viel anschaulicher erklären. Informationen, die der Kunde auf seinem Touchscreen erhält, werden besser verstanden und länger behalten. Wir arbeiten bereits an der Beratung über Videokommunikation in der Bank, um Experten zuzuschalten oder Kunden auch an ihren Geräten zu Hause beraten zu können.

 

Wie sieht es mit Datensicherung und Datenschutz aus?

Wir haben schon heute sehr hohe Sicherheitsstandards, ein eigenes Rechnungszentrum in Bozen, eine eigene Security-Einheit zur Datensicherheit, zudem investieren wir viel in die Ausbildung der Mitarbeiter. Die Kundinnen und Kunden setzen Sicherheit voraus und vertrauen uns. Dies ist für uns ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber anonymen Finanzanbietern, dem wir verpflichtet sind.