Ausgabe 03/19 -

Werden wir den Mond besiedeln?

Satellitenfernsehen, Navigation, Erdbeobachtung und viele andere Bereiche unseres Alltags wären ohne Entwicklungen aus der Raumfahrt nicht denkbar, sagt Christian Rinner, Raumfahrtexperte und Spezialist für Satelliten. Als Referent beim Anlegersymposium des Raiffeisen InvestmentClubs zeigte er auf, welche Entwicklungen sich abzeichnen.

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Herr Rinner, die abenteuerliche Raumfahrt der 60er-Jahre hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr als nutzenorientierter Wirtschaftszweig etabliert. Was sind ihre wichtigsten Errungenschaften?
Christian Rinner: Die Raumfahrt hat in der Tat ihre Sturm- und Drangzeit hinter sich gelassen und sich dem Dienst der Menschheit auf der Erde verschrieben. Die Zeiten von Sputnik, ­Apollo und Mondlandung waren spannend und wichtig, den breiten gesellschaftlichen Nutzen konnte die Raumfahrt jedoch erst viel später beweisen. Die Technologien aus dem All ­haben ­viele neue Geschäftsmodelle und gesellschaftliche Veränderungen wie beispielsweise Auto­nomes Fahren durch Satellitennavigation, robotisierte Landwirtschaft, Überwachung des Ozonlochs u. a. m. hervorgebracht.


Trotz dieser starken operativen Orientierung wird mittels neuer Techniken auf Hochdruck daran gearbeitet, den Wirkungsbereich des Menschen über die Grenzen der Erde hinaus zu erweitern …
Christian Rinner: Die Erde wurde vor etwa zwei Millionen Jahren das Zuhause des Homo ­Erectus. Lange Zeit konnten der Mensch und das ­fragile globale Ökosystem gut miteinander leben. Seit Jahrzehnten wird dieser Planet über sein nachhaltiges Maß hinaus dem Ende entgegen ­bewirtschaftet und wir müssen uns bereits jetzt die technologischen Fähigkeiten aneignen, die Erde verlassen zu können, wenn wir es denn müssen. Das ist sicher kein erstrebenwertes Szenario, aber wir sollten ehrliche und offene Debatten darüber führen.

Ist die Vorstellung des grenzenlosen Wachstums nicht nur eine Illusion?
Christian Rinner: Ja, die grenzenlose Expansion der Menschheit ist eine Illusion. Trotzdem darf der enorme Erfindergeist und die Leistungs­fähigkeit unserer Gesellschaft nicht unterschätzt werden. Ich schätze, wir werden es noch in ­diesem Jahrhundert erleben, wie Menschen unser Sonnensystem verlassen.

Sie arbeiten im Unternehmen OHB in Bremen, eines der bedeutendsten Raumfahrt­unternehmen in Europa. Welche Mission und welche Ziele verfolgt das Unternehmen?
Christian Rinner: Als führendes Systemhaus der Raumfahrt entwickelt OHB intelligente und innovative Lösungen, mit dem Ziel den Nutzen für den Kunden zu optimieren. Profitables und nachhaltiges Wachstum, zusammen mit einem starken Unternehmergeist und ein hohes Maß an Agilität, bilden die Basis für die Zukunft.

Welche Nation investiert am meisten in die Raumfahrtforschung? Gibt es territoriale Ansprüche der Staaten und ein Weltraumrecht?
Christian Rinner: Für 2018 wurde die weltweite Raumfahrtbranche mit USD 360 Mrd. bewertet und ihr ein jährliches Wachstum von 5,6 % bis 2026 attestiert. Der relative Anteil an privaten Mitteln steigt, trotzdem stellen nationale und supranationale Auftraggeber, wie etwa die ­Amerikanische oder Europäische Raumfahrtagenturen NASA und ESA, einen signifikanten Anteil der Investitionen. Hier liegt das Augenmerk auf der Entwicklung neuer Technologien, wie z. B. der Solarzelle, welche nach erfolgreicher Erprobung im All auch auf der Erde eingesetzt werden können. Aber auch Organisationen wie die Europäische Kommission sind im Bereich der Raumfahrt tätig. Territoriale Ansprüche gibt es im Weltall zum Glück noch keine. 1967 wurde von der UNO der Weltraumvertrag unter­­zeichnet, wo festgehalten wurde, dass keine ­Nation das All für sich beanspruchen darf inklusive der Verpflichtung zu seiner friedlichen Nutzung.

Werden wir zukünftig auf dem Mond Urlaub machen oder diesen gar besiedeln?
Christian Rinner: Der Raumfahrttourismus wird bereits in 15 Jahren zu Preisen einer gehobenen Karibikkreuzfahrt möglich sein. Bis dahin werden wir auch den Mond recht regelmäßig bewohnen und womöglich bereits die ersten Menschen auf dem Mars und wieder zurück erlebt haben. Der Mond wird uns als Sprungbrett in das weitere Sonnensystem dienen. Wir werden dort wichtige Erkenntnisse über die Besiedelung von Planeten erhalten und von dort Reisen zum Mars und anderen Planeten antreten. Womöglich entstehen dort dann auch die ersten Lunar Hiltons oder Lunar Intercontis.

Christian Rinner

Zur Person

Christian Rinner stammt aus Latsch und arbeitet bei OHB in Bremen, einem der bedeutendsten Raumfahrt­unternehmen Europas, das von Christa und Manfred Fuchs aus Latsch gegründet wurde. Konkret beschäftigt er sich mit dem Bau von Satelliten für die Meteorologie und für die Erdbeobachtung im All­ge­meinen. Sein Thema beim Anlegersymposium des Raiffeisen InvestmentClubs lautete: „Raumfahrt und das Wachstum ohne Grenzen.“