Vermögensrechtliche Absicherung im Alter
Ältere Menschen bedürfen in unserer Gesellschaft eines besonderen Schutzes, dies betrifft auch ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und Bleibe. Wie rechtliche Maßnahmen dabei weiterhelfen können und worauf man achten sollte, hat uns Walter Crepaz, Präsident der Notariatskammer Bozen, verraten.
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Herr Crepaz, welche Möglichkeiten sollen ältere Menschen in Betracht ziehen, um sich vermögensrechtlich abzusichern?
Walter Crepaz: Unsere Großeltern oder Eltern haben oft ihr ganzes Leben gearbeitet, bevor sie in den wohlverdienten Ruhestand treten. Einerseits möchten sie ihren Kindern beim Familienaufbau oder Wohnungskauf finanziell behilflich sein, andererseits kann niemand voraussehen, was das Leben noch mit sich bringen wird. Ich beziehe mich da auf Schicksalsschläge, Unfälle, Krankheiten: Für diese und ähnliche Fälle sollten unsere älteren Mitmenschen vorbereitet sein. Da ist es in erster Linie wichtig, dass sie über eine Bleibe, aber auch über finanzielle Sicherheit verfügen. Die Bleibe hat man, wenn man über eine eigene Wohnung verfügt bzw. ein Wohnungsrecht oder ein Fruchtgenussrecht innehat. Diese Rechte sind erst dann garantiert, wenn sie mit notarieller Urkunde im Grundbuch eingetragen sind.
Welche Verträge kommen Ihrer Erfahrung nach in der Praxis am häufigsten zur Anwendung?
In der Praxis werden den älteren Menschen meist ein Wohnungsrecht oder ein Fruchtgenuss durch notariellen Vertrag eingeräumt. Zum Beispiel schenkt der Vater dem Sohn die Wohnung und behält für sich und seine Ehefrau das lebenslängliche Wohnungsrecht zurück. Sehr zu empfehlen ist dabei, dass der Beschenkte die vertragliche Verpflichtung übernimmt, die Eltern zu betreuen, falls eines Tages die Notwendigkeit einer Pflege auftritt.
Natürlich muss es nicht immer eine Schenkung der Immobilie sein; es kann auch durchaus sein, dass der Vater dem Sohn die Wohnung verkauft (und nicht verschenkt) und der vertraglich festgesetzte Kaufpreis zum Beispiel in Raten an den Vater bezahlt wird (sozusagen als Rente, wobei hier steuerliche Aspekte zu beachten sind).
Immer öfter ist von Cohousing die Rede. Worum handelt es sich dabei?
Das Cohousing kann man als eine gemeinschaftliche Form des Wohnens beschreiben: Mehrere Personen leben in einer Wohngemeinschaft mit dem Ziel, sich die alltägliche Arbeit zu erleichtern und die anfallenden Kosten (für Strom oder Müll, Kondominiumspesen usw.) untereinander aufzuteilen. Dieses innovative Wohnmodell ist für ältere Menschen auch deshalb interessant, weil sie durch die zwischenmenschlichen Beziehungen von sozialer Isolierung verschont bleiben.
Auch Testament und Nachlass sind für ältere Menschen heikle und wichtige Themen. Wie soll man hier am besten vorgehen? Würden Sie den Beistand eines Notars empfehlen?
„Spätestens mit 50 soll man sich Gedanken über die eigene Verlassenschaft machen!“ Diese Aussage mache ich oft, wobei ich hinzufüge, dass spätestens mit 60 Jahren auch ein schriftliches Testament verfasst sein soll. Nachdem es nicht jedermanns Sache ist, formell und gesetzlich richtige Texte zu verfassen, sollte man sich hier beraten lassen. Sollte die Person plötzlich versterben (z.B. durch Autounfall, Hirnschlag, Herzinfarkt) bzw. sollte der Erblasser unzurechnungsfähig werden (z.B. durch Demenz oder Alzheimer), ist es oft zu spät und der „letzte Wille“ kann nicht durchgeführt werden.
Dasselbe gilt, wenn das Testament unklar oder nicht datiert ist, nicht unterzeichnet oder nicht eigenhändig verfasst wurde. Zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass das Gesetz dem Ehepartner, den einzelnen Kindern oder sonstigen Verwandten bestimmte Rechte zuschreibt; diesen sollte der Erblasser in seinem Testament Rechnung tragen.
Der Notar ist hier sicherlich eine gute Hilfe und dies nicht nur, wenn er das Testament selbst beurkundet (sog. öffentliches Testament). Bekanntlich kann jede Person ihr eigenes Testament eigenhändig schreiben und da kann der Notar eine beratende Funktion übernehmen und gegebenenfalls das Testament auch in treuhändische Verwahrung nehmen.
Ist die Erstberatung beim Notar gratis?
Wie man so schön sagt: „Was nichts kostet, ist nichts wert“. Abgesehen von diesem Bonmot gilt: Eine sorgfältige Beratung braucht ihre Zeit und der Aufwand soll dabei auch entlohnt werden. Die Notare Südtirols haben jedoch mit der Verbraucherzentrale bereits seit einem Jahrzehnt eine Abmachung, welche eine kostenlose Erstberatung für die Bürger vorsieht.
Haben Sie einen Tipp, den Senioren besonders beherzigen sollten?
Senioren sollen sich frühzeitig über ihre Verlassenschaft Gedanken machen, kompetente Berater hinzuziehen und Richtlinien aufsetzen. Wichtig dabei ist, dass ihre Existenz, sprich Wohnrecht und finanzielle Autonomie, abgesichert wird und dass die zwischenmenschlichen Beziehungen aufrecht erhalten bleiben: Sonntagsbesuche, gemeinschaftliche Mittagessen, gemeinsame Festlichkeiten, kurze Telefonate, ein Blumenstrauß zum Geburtstag – diese Dinge sollen unter der Aufteilung des Familienbesitzes nicht leiden.
Notar Walter Crepaz ist Präsident der Notariatskammer Bozen. Er ist Experte in handels- und steuerrechtlichen Themen sowie Grundbuchsfragen und ein geschätzter Referent bei Tagungen.