Ausgabe 02/17 -

Trendforschung – Die Zukunft ist jetzt.

Megatrends markieren Entwicklungen, die unsere Gesellschaft schon länger prägen und auch die nächsten Jahrzehnte nachhaltig und tiefgreifend verändern werden. Welche die wichtigsten sind, erfahren Sie hier.

Die Trendforschung befasst sich mit der Beobachtung und Vorhersage von Trends. Es geht also darum: Wohin geht die Reise? Diese Frage haben wir uns auch für Südtirol gestellt. Wir haben uns mit dem Trendmanager Mathias Brugger unterhalten. Er ist Experte für Innovations- und Projektmanagement und arbeitet mit dem Zukunftsinstitut in Wien zusammen.


Digitalisierung

Ein Megatrend, der heraussticht, ist die Digitalisierung. Sie stellt ganze Branchen auf den Kopf, lässt namhafte Unternehmen und altbekannte Berufe vom Markt verschwinden und neue ­Tätigkeitsfelder und Geschäftsmodelle entstehen. Egal ob Automobilindustrie, Medien oder Handel, die Auswirkungen der Digitalisierung treten immer offener in Erscheinung, und Unternehmen müssen sich neu positionieren. Auch Banken müssen sich auf die Digitalisierung ­einstellen und Kosten sparen, um ­wettbewerbsfähig zu bleiben. Es wird zukünftig weniger ­klassische Filialen – auch in Südtirol – geben, Berufsbilder verändern sich auch hier. Die ­qualitative Kundenberatung und -bindung werden an Bedeutung gewinnen. „Im produzierenden Gewerbe werden Arbeitsplätze wegfallen, dafür gibt es einen Ausbau im Dienstleistungs- und IT-Sektor“, meint Brugger. Es wird immer Menschen brauchen, um Technik zu erfinden, zu bedienen und zu füttern. Soziale, kulturelle und kreative Berufe sind ­generell kaum ­substituierbar.

Wissen ist Macht

Wir bewegen uns von der Industrie- zu ­einer ­Wissensgesellschaft. Noch nie war es so einfach, an Informationen heranzukommen. Die Menschen werden durch die Digitalisie­rung ­immer vernetzter und informierter. Bildung wird als Schlüssel für eine hoffnungsvolle Zukunft immer wichtiger. „Es kommt vielfach darauf an, was der Einzelne daraus macht. Die Herausforderung ist es, bereit zu sein für ­lebenslanges Lernen und Anpassen. ­Wichtig ist es, dass wir den technischen Fortschritt als Chance sehen, als Kulturphänomen, als ­Lebensgefühl. Die Umwälzungen erfordern neue Aus- und Weiterbildungskonzepte. Das Bildungssystem hat die Aufgabe, Menschen heranzubilden, die offen sind für Neues, die kreativ im Team arbeiten und die kritisch sind“, so Brugger.

Wandel als Konstante

Arbeit entwickelt sich in Richtung kreativer, selbstbestimmter Arbeit. Die Selbständigkeit wird zunehmen. Man verzichtet auf Sicherheit, um sich selbst zu verwirklichen. Unternehmensstrukturen, Arbeitsräume und das traditionelle Mitarbeiterbild ändern sich, der Trend geht hin zu flachen Hierarchien, Teamarbeit und Home­office. Wer gute Mitarbeiter will, muss dafür sorgen, dass diese sich im Unternehmen wohlfühlen und dass sie gesund bleiben. Ein ­Unter­nehmen kann die Entwicklung verschlafen oder die Zeichen der Zeit nutzen. „Südtiroler Betriebe tun gut daran, innovativ zu sein. Die meisten sind klein strukturiert und haben somit den Vorteil, sich speziellen Nischen ­widmen zu können und flexibel mit Anpassungen reagieren zu können“, weiß Brugger.

Mathias Brugger:
„Megatrends sind nie linear und eindimensional, sondern vielfältig, komplex und vernetzt.“
Mathias Brugger
12 Megatrends laut ­ Zukunftsinstitut im Überblick

Glokalisierung

Generell ist eine Zuwanderung in den Städten zu verzeichnen. Das betrifft auch Südtirol, obwohl hart dafür gekämpft wird, die Peripherie attraktiv zu halten. Der Ausbau des Breitbandnetzes ist ein wichtiger Aspekt – hier gibt es in Südtirol noch viel zu tun. Im Zeitalter der Globalisierung von Arbeit, Wirtschaft und Lebensstil findet zunehmend auch eine Rückbesinnung auf ­regionale Traditionen und Werte statt. Wenn sich Globales und Lokales vernetzen, spricht man von Glokalisierung. Der Begriff beschreibt das Phänomen, dass trotz (oder wegen) einer international immer stärker verflochtenen Gesellschaft (Stichwort ‚globales Dorf‘) regionale und lokale Eigenheiten für die Menschen wichtiger werden. Wir sehen das ganz konkret am Zulauf bei den Schützen, Musikkapellen usw. Die Festigung in der eigenen Kultur ist – ­angesichts des rasanten Wandels und der zunehmend unsicheren Welt – ein Anker für Entfaltung und eigene (Selbst-)Sicherheit.

 

Gleichzeitig können sich aus der Glokalisierung neue und interessante Chancen ergeben, die regionale Kreisläufe stärken. Trendmanager Brugger: „Denken wir an die ‚Sarner Toppar‘ (Hauspantoffeln). Dieses lokale ­traditionelle Produkt könnte durch neue Technologien weltweit online vermarktet werden. Die traditionelle Filzmethode aus dem Sarntal könnte außerdem mit internationalem Design kombiniert werden. Daraus könnte ­wieder Neues entstehen.“

Individualisierung und Gesundheit

Die Menschen werden älter und fitter. „Der Trend der Individualisierung wird zu neuen Lebenskonzepten führen, es entsteht eine neue „Wir-Gesellschaft“. Gerade der Zuspruch der digitalen Medien zeigt den Drang der Menschen, sich zu vernetzen. Und doch ist und bleibt das eigene Ich wichtig. Das Streben nach ­Gesundheit, das Heim als Rückzugsort, ­Freunde, ­Familie und die guten Dinge des Lebens ­werden ­wieder ­wich­­tiger“, ist der Trendmanager ­überzeugt. Der Gesundheitsmarkt wird sich als ­wichtiger Eckpfeiler der Wirtschaft entwickeln.

 

2050 wird ein Drittel der Italiener über 65 Jahre alt sein. Deshalb braucht es auch in Südtirol in der Pflege, ­Freizeitgestaltung und Beschäftigung ein Umdenken. So werden beispielsweise in der Altenbetreuung vermehrt alternative Einrichtungen wie Wohngemeinschaften, Tagespflegeheime und betreutes Wohnen benötigt.

Seid’s neugierig!

Welche Kernkompetenzen sollte man haben, um im Wandel bestehen zu können? Der Experte sagt: Neugierde ist die Schlüsselfähigkeit! Sich interessieren, offen für Neues sein – das sollte man mitbringen. Egal, ob als Unternehmen oder Privatperson. Über den eigenen Tellerrand schauen, ausprobieren, lernfähig sein und nicht zuletzt gut kommunizieren können – das sind die Erfolgsgeheimnisse. Jede Erfindung und ­Entwicklung in der Geschichte hat mit ­Neugierde begonnen.

Interview mit Stefan Perini
ARBEITSMARKT 2050 – Die Arbeit wird uns nicht ausgehen

Die Arbeitswelt wandelt sich rapide. Ein Blick in die Zukunft mit Stefan Perini, Direktor des Arbeitsförderungsinstitutes Südtirol.

Herr Perini, was erwartet uns auf dem Arbeitsmarkt 2050?
Stefan Perini: Die Arbeitswelt wird geprägt sein von fort­schreitender Automatisierung und zunehmender Digitalisierung. Innovation wird zum zentralen Wett­bewerbsfaktor. Berufe unterliegen einem stärkeren Wandel denn je. Der Tertiär­sektor wird ausgebaut. Viele niedrige Berufsprofile werden durch Technik ersetzt.

 

Heißt das, dass uns die Arbeit ausgeht?
Stefan Perini: Nein, gewiss nicht. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, sie wird einfach anders aussehen. Der Mensch schafft sich immer wieder neue Arbeitsfelder. Kreativität und Flexibilität werden immer wichtiger. Die Menschen durchleben mehrere Ausbildungs- und Umschulungsphasen, haben verschiedene Berufe und gehen später in den Ruhestand. Arbeit wird zusehends ortsunabhängig.

Rationalisieren Innovation und steigende Automatisierung menschliche Arbeit nicht doch weg?
Stefan Perini: Berufe sind – wie übrigens unsere gesamte Gesellschaft – im Wandel. Es werden neue Berufe entstehen. Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, neue Antriebstechnologien in der Mobilität, das steigende Gesundheitsbewusstsein, neue Familien- und Lebensformen, die Aufwertung sozialer Kompetenzen, neue Konsummuster, die digitale Durchdringung des Alltags – diese Phänomene werden zum Teil Arbeitsplätze vernichten, aber auch vieleneue schaffen.

 

Wie können wir uns darauf vorbereiten?
Stefan Perini: Der anhaltende technische Fortschritt ist Fakt. Wir können den Verlauf der Entwicklung nicht aufhalten. Jeder tut gut daran, sich einen Rucksack an Fach- und Sozialkompetenzen anzueignen, der Garantie für eine hohe Beschäftigungsfähigkeit ist. Lebenslanges Lernen ist ohnehin nicht mehr wegzudenken.

Stefan Perini, Direktor des Arbeitsförderungsinstitutes AFI ist überzeugt:

„Die Arbeitswelt verändert sich. Bildung wird zum Schlüsselfaktor der Zukunft.“