Ausgabe 01/22 -

Raiffeisen & Nachhaltigkeit – Die Zukunft ist grün

Seit mehr als 125 Jahren verbindet die Raiffeisenorganisation wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaftlich verantwortungsvollem Handeln. Um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, will man den Umweltgedanken und Nachhaltigkeit als ganzheitlichen Ansatz noch stärker im täglichen Handeln verankern.

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Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen stark an Fahrt aufgenommen. Grund hierfür ist vor allem der ambitionierte EU-Aktionsplan mit seinen strengen Zeitvorgaben: Bis zum Jahr 2030 werden die Klimaziele noch einmal deutlich verschärft, bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein. 


Von Natur aus grün

Für die Raiffeisen Genossenschaften ist Nachhaltigkeit kein Modewort und auch nicht neu.

Die Genossenschaftsidee, welche von der UN als Weltkulturerbe anerkannt wurde, verbindet seit ihrer Entstehung vor über 170 Jahren wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaftlich nachhaltigem Handeln.  Die Ursprünge des Südtiroler Genossenschaftswesens reichen in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Ziel der ersten Genossenschaften war es, die durch die Industrialisierung verarmte ländliche Bevölkerung zu unterstützen und ihre Lebensgrundlage zu sichern. Heute ist das Genossenschaftswesen eine wichtige Säule der Südtiroler Wirtschaft. Die Apfelwirtschaft ist zu 90 Prozent, die Weinwirtschaft zu 70 Prozent und der Milchsektor zu 100 Prozent genossenschaftlich organisiert. „Hier stehen nicht (nur) die nächsten Quartalszahlen und die Interessen von Aktionären im Vordergrund, sondern es geht um langfristige Wertschöpfung, um ein Denken in Generationen“, unterstreicht Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol.

Auch die Raiffeisenkassen sind ein Vorzeigesektor: Im Vergleich zu den kapitalgetriebenen Banken geht es den lokalen Genossenschaftsbanken nicht darum, große Dividenden auszuschütten, sondern um den größtmöglichen Nutzen für die Mitglieder und die örtliche Gemeinschaft. Die Förderung des Gemeinwohls ist in den Statuten der Raiffeisenkassen verankert. Nach dem Prinzip „Geld vom Ort für den Ort“ werden Kundeneinlagen gesammelt und als Kredite an die Bevölkerung und Betriebe vergeben. Gasser: „Weil die Raiffeisenkassen so stark in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben vor Ort eingebunden sind, sind sie geradezu prädestiniert, den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft mitzugestalten und aktiv voranzubringen. Grün war schon immer die Farbe der Raiffeisenkassen, jetzt werden sie noch grüner.“

Banken haben durch die Vergabe finanzieller Mittel einen großen Hebel, eine zukunftsfähige Entwicklung mitzugestalten.
Gruene Zukunfts-Entwicklung

Gelebte Nachhaltigkeit 

Wie dies im täglichen Bankalltag konkret umgesetzt wird, zeigt das Beispiel der Raiffeisenkasse Obervinschgau. Die Bank wird 2022 ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. „Nachhaltigkeit war für uns schon in Vergangenheit wichtig, die Beschäftigung damit ist ein fortlaufender Prozess. Wir überlegen uns noch bewusster, wie wir zum Erhalt lokaler Wertschöpfungsketten beitragen und positive Effekte für Mensch und Umwelt erzielen können“, meint Markus Moriggl, Direktor der Raiffeisenkasse Obervinschgau. So begleitet die Raiffeisenkasse zum Beispiel die Transformation der Berglandwirtschaft und setzt sich für eine tiergerechte Haltung sowie den Erhalt der Almwirtschaft ein. „Die Alminteressentschaften sind die ältesten Organisationsformen für den Gemeinschaftsbesitz in Tirol, die wir erhalten und wirtschaftlich in die Zukunft führen möchten“, sagt Moriggl, „davon profitiert die Landwirtschaft und auch der Tourismus.“

Die Raiffeisenkasse Obervinschgau hat auch einen Wirtschaftsbeirat gegründet, in dem Interessensvertreter und Lokalpolitiker sitzen und der als „Thinktank“ überlegt, wie das Gebiet weiterentwickelt werden kann. Seit 2015 wird ein Wirtschaftsförderungspaket geschnürt: Finanzierungen im Sektor Nachhaltigkeit werden begünstigt und unkomplizierter vergeben, Transformationsschritte wie Investitionen in erneuerbare Energien unterstützt. „Nicht zu unterschätzen ist auch unsere individuelle, genossenschaftliche Kundenberatung, die sich nach dem persönlichen Bedarf der Kunden richtet und keine provisionsgetriebene Produktberatung ist“, ergänzt Moriggl.  Auch gelte es, das zunehmende Interesse der Kunden für nachhaltige Geldanlagen aufzugreifen und passende Produkte anzubieten. Eine besonders interessante und in Südtirol einzigartige Anlageform stellt in diesem Zusammenhang das Ethical Banking dar, das mittlerweile von 25 Raiffeisenkassen angeboten wird. Dabei werden Einlagen von Sparern zweckgebunden gesammelt und lokale nachhaltige Projekte zu einem Förderzinssatz finanziert.

Oekologie Soziales Oekonomie

Eine nachhaltige Wertschöpfung umfasst wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte. 

Signal für die Genossenschaftswelt 

Auch der Raiffeisenverband Südtirol ist in seiner geschäftspolitischen Ausrichtung dem Gemeinwohl verpflichtet. Um ein Signal für noch mehr Nachhaltigkeit in der Südtiroler Genossenschaftswelt zu setzen, wurde bereits 2019 ein Nachhaltigkeitsbericht nach internationalen Standards erarbeitet. Der Bericht zeigt transparent alle Tätigkeiten und Leistungen auf, die über den finanziellen Aspekt hinausgehen. Der entsprechende Maßnahmenplan – unterteilt in die Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales – ist derzeit in Umsetzung. Erarbeitet wurde die Strategie und der Bericht gemeinsam mit dem Ökoinstitut Südtirol. Sonja Abrate, Biologin und zuständige Projektleiterin beim Ökoinstitut, zeigt sich über das Engagement erfreut: „Das Verfassen eines Nachhaltigkeitsberichtes ist laut EU-Verordnung nur für Betriebe ab einer bestimmten Größenordnung bzw. ab einem bestimmten Geschäftsvolumen verpflichtend. Der Raiffeisenverband erreicht diese Größe nicht und wählte diesen Weg aus freien Stücken.“ Das Ökoinstitut hat auch die Raiffeisen Landesbank, die Raiffeisenkassen Wipptal, Eisacktal, Obervinschgau und die Kellerei Bozen, Mitgliedsgenossenschaft des Raiffeisenverbandes, in ihrem Nachhaltigkeitsprozess begleitet. Wichtige Voraussetzungen dafür seien das klare Bekenntnis des Managements zur Förderung der Nachhaltigkeit, aber auch die Workshops mit den Mitarbeitern, Führungskräften, Verwaltungsräten und anderen Interessengruppen, wo gemeinsam Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne erarbeitet und vereinbart werden. „Die genossenschaftliche Philosophie ‚Was einer alleine nicht schafft, schaffen viele‘ gilt auch und besonders bei dieser Herausforderung“, unterstreicht Abrate.


Wirtschaftlich erfolgreich und nachhaltig

Dass Unternehmenserfolg und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind, zeigt die Raiffeisen Landesbank Südtirol. In den letzten Jahren hat man sich verstärkt und kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt. „Erklärtes Ziel ist es, die Nachhaltigkeit in unserem Handeln fest zu verankern und die Nachhaltigkeitswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit kontinuierlich zu verbessern“, betont Zenone Giacomuzzi, Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank und ergänzt: „Klimaschutz ist für uns ein wichtiger Aspekt der unternehmerischen Verantwortung“. Das zeigt sich zum einen im Kerngeschäft, beispielsweise durch das Engagement für erneuerbare Energien oder die Emission der ersten Green Bonds und Sustainability Bonds für Kleinanleger, und zum anderen aber auch im Bemühen, den eigenen ökologischen Fußabdruck immer weiter zu reduzieren. Die mit den Green Bonds gesammelten Gelder werden ausschließlich in Projekte mit nachweislich positiven Umweltauswirkungen investiert. In der jährlichen Berichtslegung werden Mittelverwendung und erwartete Auswirkungen der Projekte auf Umwelt und Gesellschaft offengelegt. Die Betriebsökologie im Haus wird durch gezielte Maßnahmen verbessert: der Stromverbrauch der Bank wird beispielsweise vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen abgedeckt. 

Bei unterschiedlichen Initiativen und Workshops, wie beispielsweise dem Green Day und der Mobilitätswoche, werden die Mitarbeiter für die Ressourcenschonung sensibilisiert. Auf diese Weise ist es gelungen, den CO2-Ausstoß der Bank seit 2019 zu halbieren. „Die Raiffeisen Landesbank will bis 2025 klimaneutral sein“, bekräftigt Giacomuzzi. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, soll das Hauptgebäude der Raiffeisen Landesbank in Bozen energetisch saniert und an das Fernwärmenetz der Alperia AG angeschlossen werden. Die verbleibende Treibhausgasemissionen werden durch Emissionsminderungsprojekte kompensiert, um einen angemessenen CO2-Ausgleich zu schaffen. 

Pionierarbeit auf dem Gebiet Nachhaltigkeit hat der Raiffeisen Versicherungsdienst (RVD) geleistet. Als Benefit-Gesellschaft teilt der RVD die Ansicht, dass Unternehmen nicht nur Anteilseignern dienen sollten, sondern die gleiche Verantwortung auch für die Gesellschaft und unseren Planeten tragen. Der Versicherungsanbieter richtet daher seine Leistungen und Produkte verstärkt auf das Gemeinwohl und den gesellschaftlichen Mehrwert aus.

Seit Oktober 2020 ist das Unternehmen der erste heimische Betrieb mit der Unternehmensform „Società Benefit“. Bereits seit Mai 2019 trägt der RVD das weltweit anerkannte „B Corporation“-Siegel. Das Zertifikat zeichnet Unternehmen aus, die freiwillig zahlreiche Standards für transparentes, verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften erfüllen und ihre Wirkung auf die Umwelt, den sogenannten „impact“, regelmäßig messen und offenlegen.

DAS GUTE BEISPIEL – Den Obervinschgau fördern

Markus Moriggl ist Geschäftsführer der Raiffeisenkasse Obervinschgau.

Markus Moriggl

Was hat die Raiffeisenkasse Obervinschgau dazu bewogen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen?

Markus Moriggl: Nachhaltig tätig sein liegt in der DNA jeder Raiffeisenkasse und bedeutet: Regionale Kreisläufe pflegen und aufrechterhalten, die wirtschaftliche Entwicklung eines Gebietes fördern und zum Wohlstand der Bevölkerung beitragen. Nachhaltigkeit hatte für uns schon immer eine große Bedeutung – wir haben unser Engagement aber in der Vergangenheit zu wenig nach außen kommuniziert. Nun haben wir, begleitet vom Raiffeisenverband und dem Ökoinstitut Südtirol, unsere Anstrengungen in unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht zusammengefasst. Der Bericht wird heuer veröffentlicht.

Können Sie uns ein paar Beispiele für nachhaltiges Tun nennen?

Wir arbeiten aktiv und eng mit lokalen Genossenschaften und Anbietern zusammen, seit Jahren veranstalten wir die Wirtschaftsbeiratsgespräche, die eine konstruktive Zusammenarbeit fördern. Gemeinsam mit dem Lehrpersonal des Oberschulzentrums Mals und den Schulsprengeln organisieren wir finanzielle Bildungseinheiten für den Unterricht. All unsere Tätigkeiten sind langfristig ausgerichtet. Die gute Ausbildung unserer Mitarbeiter ist uns ebenso ein großes Anliegen wie die Förderung des Ehrenamtes, das für unser Gebiet wichtig ist.

Was kommt neu dazu?

In unserem Jahreskalender 2022, auf den wir besonders stolz sind, hat ein Projektteam aus verschiedenen lokalen Organisationen auf den zwölf Kalenderblättern dargestellt, wo unser Gebiet bereits nachhaltig ist. Zukünftig möchten wir unsere Immobilien umweltfreundlicher machen und den Papierverbrauch reduzieren. Dazu kommt unser Engagement in den Bereichen Wirtschaft und Landwirtschaft. Im letzten Jahr haben wir eine Mitarbeiterbefragung zu Nachhaltigkeitsthemen durchgeführt, eine Kundenzufriedenheitsanalyse mit Nachhaltigkeitsfragen wird heuer folgen. Denn wir möchten Mitglieder, Kunden und unsere Mitarbeiter so gut wie möglich in unseren Nachhaltigkeitsprozess mit einbinden und diesen partnerschaftlich vorantreiben.