Genossenschaften als Antwort
Genossenschaften setzen auf die Bündelung der Kräfte, um wirtschaftliche und soziale Herausforderungen zu bewältigen. Soziallandesrätin Rosmarie Pamer erklärt im Interview, warum sie für unser Land wichtig sind und als ein Modell der Zukunft dienen.
Frau Landesrätin, 2025 wurde von den Vereinten Nationen als Internationales Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Warum ist es wichtig, über Genossenschaften und ihre Werte zu sprechen?
Rosmarie Pamer: Genossenschaften sind nicht nur eine wirtschaftliche Organisationsform, sondern auch ein Ausdruck gelebter Solidarität und Zusammenarbeit. Sie bringen individuelle und gemeinschaftliche Interessen in Einklang und bieten Lösungen für Herausforderungen, die Einzelne allein nicht bewältigen könnten. In Südtirol haben sie eine lange Tradition, die sich in vielen Bereichen wie Landwirtschaft, Finanzwesen, Sozialem, Energieversorgung u.a. bewährt hat. Gerade in der heutigen Zeit, die von Individualisierung und wirtschaftlichem Druck geprägt ist, zeigen uns Genossenschaften, wie wichtig gemeinsames Handeln und gegenseitige Unterstützung sind. Genossenschaftswerte wie Eigenverantwortung, Demokratie und soziale Verantwortung sind aktueller denn je und verdienen es, ins öffentliche Bewusstsein gerückt zu werden.
Genossenschaften sind in unterschiedlichsten Branchen präsent. Wo sehen Sie noch Potenzial für weitere Genossenschaftsgründungen im Land?
Die Vielfalt und Anpassungsfähigkeit von Genossenschaften eröffnet Möglichkeiten in nahezu allen Lebensbereichen. Besonders im sozialen Bereich sehe ich noch viel Potenzial, etwa bei der Schaffung von generationenübergreifenden Wohnprojekten oder integrativen Gemeinschaftseinrichtungen. Diese könnten helfen, soziale Isolation zu bekämpfen und gleichzeitig kostengünstige Wohnlösungen zu bieten. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien könnten neue Genossenschaften dazu beitragen, die lokale Energieversorgung zu sichern und nachhaltige Technologien zu fördern. Zudem gibt es Möglichkeiten, Genossenschaftsmodelle in neuen Wirtschaftsbereichen wie der Digitalisierung oder der Kreislaufwirtschaft stärker zu etablieren. Ich bin überzeugt, dass auch Bürger- und Seniorengenossenschaften an Bedeutung gewinnen werden.
Wie beurteilen Sie die Bedeutung und das Potenzial der Sozialgenossenschaften? Welchen Herausforderungen stehen sie gegenüber?
Sozialgenossenschaften spielen in Südtirol eine entscheidende Rolle, insbesondere in der Kleinkindbetreuung, der Seniorenpflege und der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Sie schaffen Mehrwert für die Gesellschaft, indem sie soziale Verantwortung mit wirtschaftlicher Nachhaltigkeit verbinden. Herausforderungen bestehen vor allem in der Finanzierung und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Sozialgenossenschaften stehen oft vor der Schwierigkeit, die notwendige finanzielle Unterstützung zu erhalten, um ihre wertvolle Arbeit fortzuführen. Hier ist es wichtig, dass die öffentliche Hand und die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, die die Arbeit dieser Organisationen erleichtern und weiter fördern.
Wo liegen die Herausforderungen für Genossenschaften generell?
Die Herausforderungen für Genossenschaften sind vielfältig. Sie müssen sich den Veränderungen durch die Digitalisierung stellen, die neue Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle mit sich bringt. Sie sind aber auch gefordert, die jüngere Generation für ihre Idee zu begeistern sowie mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krisen wie Wohnraumknappheit, demografischem Wandel und Klimawandel umzugehen. Gleichzeitig ist es entscheidend, die Grundwerte des Genossenschaftswesens zu bewahren und zu stärken, damit der Gemeinschaftsgedanke auch in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft lebendig bleibt.
Wie kann man junge Menschen für das Genossenschaftsprinzip begeistern?
Um junge Menschen für das Genossenschaftsprinzip zu begeistern, ist es wichtig, ihnen die konkreten Vorteile und Möglichkeiten aufzuzeigen. Bildung spielt dabei eine zentrale Rolle. Projekte in Schulen und Universitäten, bei denen die Prinzipien und Funktionsweisen von Genossenschaften vermittelt werden, können Interesse und Verständnis wecken. Darüber hinaus sollten junge Menschen aktiv in bestehende Genossenschaften eingebunden werden, um Verantwortung zu übernehmen und ihre Ideen einzubringen. Das Thema Genossenschaftswesen sollte auch in die Rahmenrichtlinien für den fächerübergreienden Lernbereich der gesellschaftlichen Bildung aufgenommen werden.
Ist das Genossenschaftsmodell noch zeitgemäß bzw. zukunftsfähig?
Das Genossenschaftsmodell ist nicht nur zeitgemäß, sondern ein Modell für die Zukunft. Es vereint soziale Verantwortung mit wirtschaftlicher Stabilität und bietet Lösungen für zentrale Herausforderungen wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Förderung nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe und die Bekämpfung sozialer Ungleichheit. Heutzutage, wo ökologische und soziale Aspekte immer mehr an Bedeutung gewinnen, bietet dieses Modell eine langfristig erfolgreiche Struktur, weil es auf gemeinschaftlichem Handeln basiert.
Wie wichtig ist die Förderung der Genossenschaften durch die öffentliche Hand?
Die Förderung durch die öffentliche Hand ist von entscheidender Bedeutung, damit Genossenschaften ihre Arbeit erfolgreich leisten können. Viele Genossenschaften übernehmen Aufgaben, die für die Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind, wie etwa in der Sozialarbeit, der Pflege, der Landwirtschaft oder der Bildung. Diese Aufgaben wären ohne öffentliche Unterstützung oft nicht finanzierbar. Zudem schafft die Förderung Planungssicherheit und ermöglicht es den Genossenschaften, neue Projekte zu initiieren, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Entwicklung stärken.
Wenn Sie selbst eine Genossenschaft gründen würden: Welche wäre das?
Ich würde ein Projekt im sozialen Bereich wählen, wie zum Beispiel eine Genossenschaft, die generationenübergreifendes Wohnen mit Betreuungs- und Integrationsangeboten verbindet. Ein solches Projekt könnte Menschen unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Hintergründen zusammenbringen, um gegenseitige Unterstützung und sozialen Austausch zu fördern.