Ausgabe 03/18 -

Ehrenamt in Südtirol – Helfen macht Freude

Das Ehrenamt hat in Südtirol einen guten Stand, rund 150.000 Südtirolerinnen und Südtiroler engagieren sich in der Kultur, im Sport, im Zivil- oder Umweltschutz. Seit rund 20 Jahren haben Freiwillige die Möglichkeit, Bauersleute auf einem Südtiroler Bergbauernhof bei ihrer schwierigen Arbeit zu unterstützen.

Martin Matscher hat schon zwei Arbeitseinsätze hinter sich. Der gebürtige Schlanderser war in Proveis am Nonsberg und in St. Peter im Ahrntal. „Ich freue mich, wenn ich helfen kann. Und am Abend in der Stube zusammensitzen, ausrasten, sich unterhalten, das ist wunderbar.“

Organisierte Unterstützung am Bauernhof

So wie Matscher helfen rund 2.000 Freiwillige pro Jahr auf Südtirols Bergbauernhöfen mit. Organisiert wird diese Hilfe vom Verein Freiwillige Arbeitseinsätze (VFA). Seit 1996 wirbt der Verein Freiwillige an, die besonders im Sommer gegen Kost und Logis bei der Arbeit helfen. Durchschnittlich bleiben die Freiwilligen knapp zehn Tage, es gibt aber auch viele Eintageseinsätze, organisiert etwa von der Bauernjugend. Drei Viertel der rund 2.000 Freiwilligen kommen aus Deutschland, knapp 12 Prozent aus Südtirol. Männer und Frauen sind gleich stark vertreten. Rund 20.000 Einsatztage pro Jahr kommen so zusammen. Der ökonomische Gegenwert ist enorm: Würde man die Freiwilligen wie Tagelöhner bezahlen, würde das 1,5 bis 1,6 Millionen Euro ausmachen. Unbezahlbar. Und so freuen sich rund 300 Bauernhöfe im ganzen Land über die Hilfe.

Hilfe, die Gold wert ist

Martin Matscher ist 45 und nimmt für seinen Arbeitseinsatz ein bis zwei Wochen Urlaub. Denn nicht nur Studenten und Rentner kommen, sondern auch viele Berufstätige. „Ich habe einen typischen Bürojob“, sagt der studierte Betriebswirtschaftler, der in der Verwaltung des Südtiroler Sanitätsbetriebes arbeitet, „der Arbeitseinsatz ist ein willkommener Ausgleich. So lernt man die körperliche Arbeit wieder kennen, man schafft etwas mit den eigenen Händen und sieht am Abend, was man geleistet hat.“ Urlaub ist das keiner. Die Seele erholt sich, aber der Körper leidet, auch bei einem aktiven Sportler wie Matscher. „Zwölf Stunden Heuarbeit auf einer steilen Wiese fordern auch einen Bergläufer“, sagt er. Ist der Freiwillige nicht fit, fällt er den Bauersleuten zur Last und der Einsatz macht wenig Sinn. Nicht jeder Einsatz ist ein Erfolg, manchmal gehen sowohl Bauern als auch Freiwillige den Einsatz mit falschen ­Vorstellungen an. Aber in den allermeisten Fällen ist die Hilfe Gold wert. Der Bauer erhält Beistand, die Freiwilligen können Gutes tun, beide Seiten lernen sich kennen und rücken Berg und Tal etwas näher aneinander.


Die Arbeit geht nie aus

Monika Thaler vom Südtiroler Bauernbund und ihre zwei Mitarbeiter bringen Bergbauern und Freiwillige zusammen. Seit 2007 leitet Thaler den VFA, sie kennt das Leben am Berg, sie wuchs mit ihren drei Schwestern auf einem Bauernhof in Aldein auf. Sorgen bereitet ihr der Rückgang an Freiwilligen seit dem Rekordjahr 2016. Die Zahl der gemeldeten Freiwilligen ist um 13 Prozent zurückgegangen. Den genauen Grund dafür kennt Thaler nicht. „Es ist wohl vor allem ein Zeitproblem, denn die meisten Helfer stehen mitten im Berufsleben“, meint sie. Noch sei die Sache nicht dramatisch, „aber sollte der Abwärtstrend anhalten, bekommen wir große Probleme.“ Denn die Arbeit am Hof geht nie aus, nicht nur im Stall und auf der Wiese. Arbeit fällt auch in der Küche oder beim Bügeln an und geht von der Kinderbetreuung bis hin zu Reparaturen am und im Haus. Jeder macht das, was er kann. Thaler erzählt von Freiwilligen, die mit Heimwerkerausrüstung anreisten, Böden legten und Möbel reparierten. Denn so abgelegen die Höfe auch sind, rückständig sind sie nur selten. „Mein Gastgeber in St. Peter hat mir als erstes den WLAN-Code in die Hand gedrückt“, erzählt Matscher schmunzelnd.

Bauer Franz Stofner vom Winterstallhof im Sarntal mit Martin in der Werkstatt
Bauer Franz Stofner und Martin Matscher

Versicherungsschutz für den Verein

Zumindest um die Versicherung muss sich Thaler keine Sorgen machen, obwohl diese meist eine der ersten Fragen ist, sowohl von den Freiwilligen als auch von den Bauern. Der Raiffeisen Versicherungsdienst (RVD) stellt den Versicherungsschutz für den Verein Freiwillige Arbeitseinsätze. Dieser besteht aus einer Haftpflichtversicherung für die Freiwilligen, die Personen- und Sachschäden am Bauern und an Dritten abdeckt. Verletzt sich der Freiwillige, springt seine Unfallversicherung ein. Beispiele für Schäden gibt es viele. Angefangen von Verletzungen, die wegen der eingesetzten Maschinen (welche die Freiwilligen in der Regel nicht bedienen dürfen) auch gravierend sein können, bis hin zu Schäden an Haus und Hof. Und wenn es nur der kaputte Kühler ist, den ein Freiwilliger im Milchtank vergaß, als er mit diesem zur Sammelstelle fuhr. 50 Cent pro Tag und Nase kostet die Versicherung, die Schäden sind bis zu einer Gesamtsumme von 2,5 Millionen Euro deckt.

Bei bleibender Invalidität werden bis zu 200.000 Euro ausgezahlt, bei stationärer Behandlung oder wenn man sich unfallbedingt nicht bewegen kann (Gipsbein!) gibt es 25 Euro pro Tag. „Wir sind bestrebt, den Vereinen im Sozialbereich gute Konditionen anzubieten“, sagt Norbert Spornberger, Leiter der Abteilung Versicherungstechnik im Raiffeisen Versicherungsdienst. „Der VFA bekommt einen Teil der Polizze rückerstattet, wenn im abgelaufenen Jahr nur wenige Unfälle passierten.“ Die Einsätze der freiwilligen Helfer sind ein gegenseitiges Geben und Nehmen. „Ich staune immer wieder über die Herzlichkeit der Menschen, ihre Genügsamkeit und Zufriedenheit“, sagt Matscher. „Und ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Bergbauern – noch mehr, seit ich es selbst ausprobiert habe.“ Im Sommer möchte er ein drittes Mal starten, neue Orte und neue Menschen kennenlernen. Er übt dabei auch ein wenig für seinen Traum: Irgendwann auf einem Hof leben, als Bergbauer mit Schafen und Ziegen. Vielleicht bekommt dann auch er Besuch von einem freiwilligen Helfer.

Interview mit Christoph Pichler
REFORM DES VEREINSWESENS – Mehr Steuervorteile und mehr Auflagen

Christoph Pichler ist im Amt für Kabinettsangelegenheiten des Landes für Ehrenamt und Vereine zuständig. Die Reform des Dritten Sektors bringt Änderungen im Steuerrecht und ein neues Vereinsregister. In Haftungsfragen ändert sich nichts.

Herr Pichler, was ist die Reform des Dritten Sektors?
Christoph Pichler: 2016 wurde diese Reform per Gesetz auf den Weg gebracht, unter den Neuerungen ist auch der „Kodex des Dritten Sektors“. Damit wurde ein einheitliches Verzeichnis eingeführt, das 2019 operativ werden soll. Das Verzeichnis sieht acht Sektionen vor und wird die bisherigen Landesverzeichnisse der ehrenamtlich tätigen Organisationen und der Organisationen zur Förderung des Gemeinwesens ablösen.

Was ändert sich für die Vereine?
Christoph Pichler: Teile des Kodex sind schon in Kraft, ab heuer gelten einige Steuervorteile für ehrenamtliche Organisationen. Bis 2. Februar 2019 müssen viele Vereine ihre Statuten nach den Vorgaben des Kodex anpassen. Zum Beispiel wird geregelt, wie die Vollversammlung und die Wahl der Ausschussmitglieder ablaufen oder das Kontrollorgan aussehen soll. Die Form der Tätigkeitsberichte und Jahresabschlussrechnungen wird vereinheitlicht.

Was passiert mit den ONLUS-Vereinen?
Christoph Pichler: Das staatliche ONLUS wird verschwinden, die betroffenen Organisationen werden sich vermutlich 2019 in einen der Sektoren des einheitlichen Verzeichnisses einschreiben. Die komplizierte Regierungsbildung könnte die Umsetzung verzögern.

 

Was bringt die Reform?
Christoph Pichler: Mehr Klarheit im Steuerrecht. Es gibt einige zusätzliche Steuervorteile, aber auch mehr Auflagen. An den Verantwortlichkeiten ändert sich nichts, die regelt das Zivilgesetzbuch.

 

An wen kann man sich wenden, wenn man Fragen hat?
Christoph Pichler: Vereine können sich an das Amt für Kabinettsangelegenheiten wenden, Sozialgenossenschaften an das Amt für die Förderung des Genossenschaftswesens oder an den Raiffeisenverband.