Die Banken in Südtirol – ein Thema, zwei Blickwinkel
Jutta Vigl, Schülerin der Wirtschaftsfachoberschule H. Kuntner in Bozen, hat als Schwerpunkt für ihre Matura das Thema „Bankenkrise“ gewählt. Andreas Mair am Tinkhof, Leiter der Hauptabteilung Bankwirtschaft im Raiffeisenverband, hat dazu Stellung genommen. Er wiederum wollte wissen, welche Erwartungen eine Jugendliche an Banken hat. Lesen Sie hier, was dabei herausgekommen ist.
Jutta Vigl: Herr Mair am Tinkhof, inwiefern hat die Bankenkrise auch Südtirol erreicht?
Andreas Mair am Tinkhof: Eine Bank ist dann in der Krise, wenn eine drohende Zahlungsunfähigkeit ihr Funktionieren und ihre Stabilität in Frage stellt. Sie kann dann die vertraglich vereinbarten Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen; beispielsweise die Geldbeträge von den Sparbüchern ihrer Kunden nicht mehr auszahlen. Die Zahlungsunfähigkeit hat viele Ursachen. Im Bankensektor sind es meist hohe Verluste aus dem Kredit- oder
Wertpapiergeschäft, welche das Eigenkapital (also die Rücklagen und Reserven, sprich die eigenen Ersparnisse der Bank) „auffressen“ und damit ihre „Solvabilität“ zunichtemachen. Seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 hatten alle drei Südtiroler Lokalbanken in einzelnen Geschäftsjahren Verluste zu verzeichnen. Aber in keiner Phase kamen die Südtiroler Banken auch nur in die Nähe einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Sie sind gut mit Eigenkapital ausgestattet und sie sind kräftig genug, um auch schwierige Zeiten zu überstehen.
Andreas Mair am Tinkhof: Frau Vigl, mich würde interessieren, warum Sie als Maturantin das Thema „Bankenkrise“ gewählt haben …
Jutta Vigl: Ich habe das Thema „Bankenkrise“ als Einstiegsthema bei der Matura aufgrund dessen Aktualität gewählt. Mich interessiert das Schulfach Volkswirtschaft, wo wir unter anderem die Finanzkrise von 2008 behandelt haben. Besonders wichtig war es mir, mehr über die Situation der Banken in Südtirol zu erfahren. Außerdem hört man immer wieder, dass Bankfilialen geschlossen werden müssen. Ist das auch bei uns in Südtirol der Fall?
Andreas Mair am Tinkhof: In Südtirol gibt es insgesamt 360 Bankfilialen in 111 von 116 Gemeinden, auf circa 1.400 Einwohner fällt somit eine Geschäftsstelle. Eine Bankfiliale hat bei uns einen großen Stellenwert im Vertrieb von Bank- und Finanzprodukten. Das liegt mit Sicherheit an den geografischen Besonderheiten unseres Landes, an den wenigen Ballungsgebieten und den vielen Klein- und Kleinstwirtschaftsräumen in den Talschaften Südtirols. Trotz alledem haben die Bankgeschäftsstellen in Südtirol in den vergangenen zwei Jahren um circa 7 % pro Jahr abgenommen. Die Gründe sind vielfältig. Wesentliche Treiber der Entwicklung sind ein hoher Kostendruck, dem die Banken ausgesetzt sind, und die Digitalisierung. Neue, innovative Technologien, aber auch branchenfremde Wettbewerber und veränderte Kundenwünsche erzeugen Anpassungsdruck. Dies führt zu einer Abkehr vom kostenintensiven Filialnetz, hin zu einem verstärkten Online-Angebot der Banken. Ich gehe davon aus, dass die klassische Bankfiliale zusehends an Bedeutung verlieren wird. Was nicht zwingend bedeutet, dass sie vom Aussterben bedroht ist. Die Filiale wird als Ort der Begegnung zwischen Bank und Kunde weiter wichtig sein.
Andreas Mair am Tinkhof: Übrigens, wie wünschen Sie sich die Bank der Zukunft? Was soll die alles können?
Jutta Vigl: Informationen über die Finanzwelt und über Bankprodukte hole ich mir meist online. Der Kontakt zu den Anbietern ist unverbindlich und bequem und ich bin an keine Zeiten gebunden. Oder ich frage meine Eltern. Denen kann ich vertrauen. Vertrauen ist im Übrigen sehr wichtig. Eine Bank muss online wie offline ehrlich und transparent informieren und beraten. Wenn ich konkret etwas brauche, ist mir der persönliche Kontakt sehr wichtig. Dann wünsche ich mir einen jungen, dynamischen Bankberater, der mir durch den Finanzdschungel hilft und mich gut begleitet. Ich möchte den Banken sagen, dass sie den Sparern Sicherheit bieten und sich nicht auf Spekulationsgeschäfte einlassen sollen. Auf Südtirol bezogen, sollen sie in erster Linie für die heimische Wirtschaft da sein.
Ihrer Einschätzung nach, Herr Mair am Tinkhof, wie werden sich die Südtiroler Lokalbanken Sparkasse, Volksbank und die Raiffeisenkassen entwickeln? Bleibt alles beim Alten oder muss man mit Veränderungen rechnen?
Andreas Mair am Tinkhof: Ich gehe davon aus, dass es generell zu einer Konsolidierung auf der Anbieterseite am Bankenmarkt kommen wird. In Südtirol müssen sich – gesetzlich gezwungen – die 39 Raiffeisenkassen zu einer genossenschaftlichen Bankengruppe unter der Führung der Raiffeisen Landesbank AG zusammenschließen. Um den vielen Auflagen aus gesetzlicher und normativer Sicht gerecht zu werden, ist es durchaus absehbar, dass es künftig zu der einen oder anderen Fusion von Raiffeisenkassen kommen wird. Die Südtiroler Volksbank musste sich, ebenso gesetzlich gezwungen, im Dezember 2016 von einer Genossenschaftsbank in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Damit wird sie zukünftig mehr und mehr den Interessen von Investoren ausgesetzt sein und weniger jenen ihrer angestammten Mitglieder, welche Kapitalanteile in bescheidener Höhe halten. Bei der Südtiroler Sparkasse hält die Stiftung Südtiroler Sparkasse die Aktienmehrheit an der Sparkasse AG. Für den Fall, dass die Stiftung gesetzlich angehalten wird, die Mehrheit abzugeben, wird die Sparkasse in etwa derselben Entwicklung ausgesetzt sein wie jene der Volksbank.
Jutta Vigl: Es scheint sich viel zu bewegen bei Südtirols Banken. Wie sehen Sie die Zukunft des Bankenwesens in Südtirol?
Andreas Mair am Tinkhof: Banken sind wichtige Komponenten eines volkswirtschaftlichen Mechanismus. Südtirol hat den großen Vorteil, dass – neben einer weitreichenden Autonomie und stabiler politischer Verhältnisse – die lokalen Banken bzw. ein genossenschaftlicher Verbund von Banken wie die Raiffeisenkassen ca. 80 % des Marktes halten. Deren Unternehmensleitung wird von den Eigentümern bestimmt, welche zum Großteil Südtiroler Bürger sind. Konkret bedeutet dies, dass die Südtiroler ihre wirtschaftlichen Geschicke selber und erfolgreich steuern können. Die Südtiroler hegen zudem eine hohe Affinität und emotionale Bindung zu „ihren“ Banken. Deshalb sehe ich die Zukunft des Südtiroler Bankenwesens weiterhin positiv.