Ausgabe 02/22 -

Den Umgang mit dem Rohstoff Wasser neu denken

Wasser wird vielerorts als selbstverständlich vorhandenes Gut angesehen. Doch die Wasserversorgung ist in vielen Regionen dieser Welt ungenügend und wird in Zukunft immer prekärer. Die Gründe dafür und wie man dem entgegenwirken kann, verriet Umweltforscher Thomas Kluge bei der Online-Veranstaltung des Raiffeisen InvestmentClubs „Wasser – ein wertvolles Gut.“

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Herr Kluge, welches sind die größten Probleme im Bereich Wasser? 

Thomas Kluge: Extreme Wetterereignisse nehmen zu. Bedingt durch den Klimawandel dehnen sich die Trockenzeiten in vielen Erdregionen aus, während Regenfälle seltener, aber dann oft umso heftiger werden. All das ist verbunden mit einem steten Temperaturanstieg. Im Jahr 2050 werden etwa 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben, was eine notwendige Steigerung der Nahrungsproduktion von 50-60 Prozent zur Folge hat. Heute schon ist die Landwirtschaft mit einem Anteil von 70 Prozent der weltweit größte Wasserverbraucher.


Welche Innovationen braucht es, um die Risiken im Bereich Wasserwirtschaft zu begrenzen?

Wir müssen den Wasserkreislauf neu denken, insbesondere braucht es Lösungen für die Wasserwiederverwendung. Man kann Abwasser heute so aufbereiten, dass es hygienisch unbedenklich ist und zur Bewässerung für Futtermittel oder auch Gemüseanbau verwendbar ist. Man kann es künstlich in den Untergrund infiltrieren, um es während der Vegetationszeiten für die Agrikultur zu nutzen. Auch Überschusswasser nach der Schneeschmelze oder gesammeltes Regenwasser kann zur Infiltration genommen werden. Von großer Bedeutung für die bessere Wasserdosierung bei der landwirtschaftlichen Bewässerung ist die solargekoppelte Tröpfchenbewässerung – sie spart Energie und Wasser. Im Siedlungsbereich kann Wasser aus Dusche, Handwäsche und Waschmaschine zu Grauwasser aufbereitet werden, um mit diesem hygienisch unbedenklichen Wasser die Toilette spülen zu können. Das spart bis zu 40-50 Prozent des Frischwassers. 

Was könnte für Südtirol interessant sein?

Innovationschancen sehe ich in Südtirol bei der smarten, d.h. mit digitaler Steuerung und Regelung versehenen, Bewässerungstechnik in der Obstwirtschaft. Italien hat eine gute Weltmarkstellung bei der Herstellung von Wasserpumpen, dies könnte eine gute Basis für die Erweiterung der Bewässerungstechnik sein. Auch in der Grauwasseraufbereitung im Haus- und Siedlungsbereich sehe ich Potenzial. 

 

Worum geht es beim Investieren in den Rohstoff Wasser?

Beim Investieren in die Wasserbranche geht es nicht darum, arme Teile der Weltbevölkerung durch Wassermonopole oder zu hohe Wasserpreise „auszupressen“. Vielmehr geht es darum zu schauen, welche nachhaltig und ökologisch orientierten Unternehmen mit ihren innovativen Wassertechnologien (z.B. für Reinigung, Filterung, Wasserwiederverwendung) der zunehmenden Wasserknappheit entgegenwirken und so die Wasserversorgung bzw. den Zugang der Menschen für Trink- und Frischwasser erleichtern. 

Worauf sollte ein Anleger achten, wenn er in nachhaltige Wasserwirtschaft investieren möchte?

Das Investment sollte möglichst an die mittelständische Industrie (Anlagenbau) und ihre Innovationskraft adressiert werden: Digitalisierte Bewässerung in Kombination mit solarer Energieversorgung, Wasser-Recycling (Grauwasser) und Wärmerückgewinnung aus Abwasser sind neue Geschäftsfelder und Nachhaltigkeitsperspektiven für die Zukunft. Hier entstehen komplexe, neue Berufsbilder, für die man die junge Generation gewinnen muss.


 

Thomas Kluge ist ein deutscher Umweltforscher und Sozialwissenschaftler sowie Mitbegründer des Institutes für sozial-ökologische Forschung Fankfurt (ISOE). Seine Forschungsschwerpunkte sind Wasserforschung, nachhaltige Umweltplanung sowie regionale Nachhaltigkeit. 

 


Thomas Kluge