Ausgabe 05/25 -

Forschung am Puls der Zeit

Das Versuchszentrum Laimburg blickt auf fünf Jahrzehnte Forschung zurück. Mit rund 200 Mitarbeitenden gehört es heute zu den wegweisenden Forschungseinrichtungen Südtirols und darüber hinaus. Im Interview gibt Direktor Michael Oberhuber spannende Einblicke in aktuelle Projekte, Forschungsergebnisse und große Herausforderungen wie den Klimawandel.

Herr Oberhuber, das Versuchszentrum Laimburg feiert heuer sein 50-jähriges Bestehen. Welche Meilensteine in der Entwicklung sind für Sie besonders prägend?

Michael Oberhuber: Ein Meilenstein war die Ausweitung unserer Tätigkeit vom Obst- und Weinbau hin zur Berglandwirtschaft und ab 2013 zur Lebensmittelverarbeitung, stets mit einer Forschung, die eng mit der Praxis verknüpft ist. Diese enge Verbindung ist europaweit einzigartig. Prägend war auch der Wandel vom klassischen Versuchsbetrieb hin zu einem modernen Forschungszentrum mit internationaler Vernetzung.

 

Welche Arbeitsschwerpunkte stehen derzeit im Fokus? Können Sie uns einige erfolgreiche Forschungsprojekte nennen?

Unsere Arbeit basiert auf fünf zentralen Schwerpunkten: nachhaltige Anbausysteme, Digitalisierung, klimaschonende Landwirtschaft, Qualitätssteigerung und Diversifizierung der Produktion. Besonders freuen wir uns über Erfolge wie die Entwicklung innovativer Lagertechnologien für Äpfel, die Erforschung des Apfels als Mittel zur Linderung von Allergien, die biologische Bekämpfung der Marmorierten Baumwanze durch die Samuraiwespe sowie die Klärung der Blühschäden im Weinbau, die zu Entschädigungen für die Betriebe geführt hat. Auch die Modellierung von Erträgen in der Grünlandwirtschaft zählt dazu. Nicht zuletzt sind es oft die kleinen, unscheinbaren Projekte, deren Ergebnisse die Basis für die exzellente landwirtschaftliche Beratung in Südtirol bilden.


Wie gelingt es dem Versuchszentrum, wissenschaftliche Forschung mit den praktischen Bedürfnissen der Südtiroler Land- und Lebensmittelwirtschaft zu verbinden?

Die Praxis ist aktiv in die Gestaltung unseres wissenschaftlichen Programms eingebunden: Jedes Jahr erheben wir systematisch den Bedarf aus der Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung. Dann diskutieren wir die eingegangenen Vorschläge und entscheiden gemeinsam, welche als neue Projekte in das Forschungsprogramm einfließen.

Welche Technologien sind die vielversprechendsten in der Landwirtschaft bzw. im Obstbau, sowohl im Bereich Anbau als auch Verarbeitung?

Um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, braucht die Landwirtschaft modernste Technologien. Dazu zählen innovative Züchtungsverfahren, Digitalisierung und Automatisierung, biologischer Pflanzenschutz sowie sogenannte Omics-Technologien – hochmoderne Labormethoden, die mittlerweile für den Einsatz in der angewandten Forschung bereit sind.


Ein Projekt, das die Laimburg in Zusammenarbeit mit dem Raiffeisenverband und Konverto realisiert hat, ist KULTIVAS. Welche Erkennt­nisse sind für die Praxis relevant?

Big Data und Künstliche Intelligenz eröffnen der Südtiroler Landwirtschaft neue Möglichkeiten, um fundierte Entscheidungen zu treffen. KULTIVAS zeigt, wie datenbasierte Analysen künftig nicht nur objektive Zusammenhänge – etwa zur Standorteignung bestimmter Sorten – sichtbar machen, sondern auch das Erfahrungswissen der Landwirte sinnvoll ergänzen und absichern können. In der Forschung hilft uns KULTIVAS schneller Zusammenhänge zu erkennen, weswegen wir großes Potenzial in diesem Projekt sehen.

 

Was umfasst der Aktionsplan Berglandwirtschaft und Lebensmittelwissenschaft?

Der Aktionsplan bündelt gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Berglandwirtschaft und zur Entwicklung hochwertiger, regionaler Lebensmittel. Wir konnten unsere Forschung für das Berggebiet und die Diversifizierung seiner Produkte stärken, etwa bei Beeren- und Steinobst, im Grünland und in der Lebensmittelverarbeitung.


Welche Rolle spielen Klimawandel, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit in Ihrer täglichen Forschungsarbeit?

Diese Themen bilden zentrale Schwerpunkte unserer Arbeit. Der Klimawandel verändert die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft und erfordert laufende Anpassungen – etwa beim Sortenspektrum. Gleichzeitig stellt der Klimaschutz hohe Anforderungen, zum Beispiel durch die Substitution von Mineraldünger oder den Einsatz von Agri-Photovoltaik. Gemeinsam mit Partnern haben wir wassersparende Bewässerungstechnologien mitentwickelt, die bereits am Markt verfügbar sind. Nachhaltigkeit ist das übergeordnete Leitmotiv unserer Forschung – im integrierten wie im biologischen Anbau. Aus Mangel an neuen Pflanzenschutzmitteln setzen wir auf biologische Methoden wie den Einsatz von Nützlingen und erforschen Einsaaten, um deren Lebensräume zu fördern.

 

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen – etwa Universitäten, Unternehmen oder öffentlichen Stellen auf nationaler und internationaler Ebene?

Die lokale wie internationale Vernetzung war mir von Beginn an ein zentrales Anliegen. Heute pflegen wir Partnerschaften mit fast 50 Universitäten und Forschungseinrichtungen weltweit. Wir sind am NOI Techpark präsent, arbeiten eng mit der landwirtschaftlichen Beratung, Verbänden, Schulen und – als Teil der Landesverwaltung – auch direkt mit dem Land Südtirol zusammen.

Welche Herausforderungen und welche Chancen sehen Sie in der künftigen Weiterentwicklung des Versuchszentrums?

Der Klimawandel, gesellschaftliche Erwartungen und globale Krisen stellen die weltweite Nahrungsmittelproduktion vor enorme Herausforderungen. Sie muss gleichzeitig nachhaltig, krisensicher und für breite Bevölkerungsschichten leistbar bleiben. Forschung kann Entwicklungen frühzeitig erkennen und Lösungsansätze aufzeigen – selten jedoch im Alleingang. Das Versuchszentrum Laimburg muss deshalb breit vernetzt sein: Wir brauchen modernste Methoden wie Künstliche Intelligenz und Omics-Technologien, aber auch Bodenhaftung und einen starken Praxisbezug, um ihr Potenzial wirksam umzusetzen. Dafür braucht es den Ausbau unserer Kompetenzen im Labor, in der Datenanalyse (Data Science) und bei der Entwicklung neuer Anbau- und Bewirtschaftungssysteme.

 

Was motiviert Sie persönlich in Ihrer Rolle als Direktor – und was würden Sie jungen Menschen raten, die sich für eine Karriere im Bereich Agrarwissenschaft oder Lebensmitteltechnologie interessieren?

Mich motiviert die Möglichkeit, mit Forschung konkrete Lösungen für die Gesellschaft und unser Land zu entwickeln. Jungen Menschen rate ich: Bringt eine hervorragende Ausbildung, Neugier und Begeisterung für Natur und Technik mit – es ist ein spannendes und sinnstiftendes Berufsfeld.

Labor des Versuchszentrums Laimburg