Ausgabe 04/25 -

75 Jahre Volkshochschule – Bildung für alle ermöglichen

Seit ihrer Gründung setzt sich die Volkshochschule Südtirol (VHS) für Bildung, Begegnung und Austausch in all ihren Facetten ein. Wie Vielfalt und Miteinander heute gelebt werden und welche Visionen die VHS verfolgt, erklärt Präsidentin Angelika Mayr Fischnaller im Interview.

Frau Mayr Fischnaller, die Volkshochschule Südtirol feiert heuer ihr 75-jähriges Bestehen. Was bedeutet dieses Jubiläum für Sie?

Angelika Mayr Fischnaller: 75 Jahre VHS Südtirol unter dem Motto #miteinanderweiter ist ein Jubiläum, das uns stolz macht und zugleich verpflichtet. Die Geschichte der VHS beginnt 1921 mit der Gründung der Urania Bozen – der ersten Einrichtung ihrer Art in Südtirol. Aus mehreren Bildungsinitiativen im Laufe der 50er- und 60er-Jahre entstand 2014 die heutige Volkshochschule Südtirol. Für mich persönlich ist dieses Jubiläum ein bewegender Moment und ein Zeichen der Wertschätzung für alle, welche die VHS mit Überzeugung und Engagement geprägt haben – ob als Mitarbeitende, Kursleitende, Teilnehmende oder Kooperationspartner. Heute sind wir mit 26 Ortsstellen in ganz Südtirol aktiv und bieten ein vielfältiges Kursprogramm. Rund 20 hauptamtliche und 90 ehrenamtliche Mitarbeitende sorgen dafür, dass jährlich etwa 18.000 Menschen von unserem Angebot profitieren. Mein besonderer Dank gilt meinem Vorgänger Oswald Rogger, der die VHS über 21 Jahre mit großem Einsatz geprägt und wichtige Impulse gesetzt hat.


Das Motto des Jubiläumsjahres lautet „#miteinanderweiter“. Wie spiegelt sich dieser Leitspruch konkret im Bildungsalltag der VHS wider?

„#miteinanderweiter“ ist für uns weit mehr als ein Slogan – es beschreibt, wie wir tagtäglich arbeiten und wirken. Unser engagiertes Team, die Offenheit für Neues und die vielen wert-vollen Impulse unserer Kursleitenden und haupt- wie ehrenamtlich Mitarbeitenden greifen dabei wie Zahnräder ineinander. Genau dieses Miteinander trägt unsere Arbeit – im Kleinen wie im Großen. „Weiter“ bedeutet für uns, den Blick nach vorne zu richten: neue Ideen aufzugreifen, Trends zu beobachten, innovative Formate zu gestalten und dabei gleichzeitig Bewährtes zu erhalten.

Welche Themen oder Bereiche stehen besonders im Fokus?

Ein Schwerpunkt liegt auf vielseitigen Lehrfahrten und Bildungsreisen, wie der Kulturreise entlang von Rhein und Mosel im September oder der CERN-Exkursion im Oktober zum Jahr der Quantenphysik. Ergänzt wird das Programm durch Veranstaltungen zu Kunstgeschichte, Literatur und Naturwissenschaften. Auch im Bereich der beruflichen Bildung sind wir breit aufgestellt und bieten Lehrgänge von HR-Management bis Interior Design oder IT-Administration. Finanzbildung liegt uns besonders am Herzen mit Angeboten wie „Frauen & Geld“ oder dem Schulprojekt „Finanzfuchs“. In Zeiten zunehmender psychischer Belastung sind Formate wie die Online-Vortragsreihe „Happy Minds“, die wir mit der VHS Salzburg anbieten, ein wichtiger Beitrag mit sensiblen Inhalten in geschütztem Rahmen.


Welche Rolle spielt die Volkshochschule in Hinblick auf sozialen Austausch und lebenslanges Lernen?

In einer zunehmend individualisierten und digitalisierten Gesellschaft ist und bleibt die Volkshochschule ein offener Ort der Bildung, der Begegnung und des Austauschs. Gerade in Zeiten, in denen vieles virtuell oder anonym abläuft, wächst das Bedürfnis nach echten, persönlichen Kontakten – sei es in kleineren Gemeinden oder in Städten, in denen viele Menschen neu ankommen, sei es beruflich oder privat. Die VHS bietet Raum für genau diese Begegnungen: Hier lernen Menschen unter- schiedlichster Generationen, Hintergründe und Lebens- welten miteinander und voneinander.

Wohin soll sich die VHS in den nächsten Jahren weiterentwickeln? Gibt es konkrete Zukunftsvisionen?

Wir setzen uns kontinuierlich mit der Zukunft der VHS auseinander. Unser Anspruch ist es, Bildung aktiv mitzugestalten und gleichzeitig ein verlässlicher Partner für Menschen in allen Lebensphasen wie auch Unternehmen zu sein. Ein zentrales strategisches Ziel ist der weitere Ausbau der beruflichen Weiterbildung – ein Bereich, der für viele Menschen heute wichtiger denn je ist. Gleichzeitig beobachten wir aufmerksam gesellschaftliche und techno-logische Entwicklungen, um neue, innovative Themen frühzeitig aufgreifen und in unser Bildungsangebot integrieren zu können.


Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Partnern und Sponsoren?

Kooperationen sind für die VHS von zentraler Bedeutung. Unsere Bildungsarbeit lebt vom Austausch, der Vernetzung und der Bünde- lung von Ressourcen. Gemeinsam mit Partnern schaffen wir Synergien und ergänzen uns inhaltlich wie organisatorisch. Wir pflegen seit Jahren vertrauensvolle Beziehungen zu Institutionen wie dem Südtiroler Kulturinstitut, Primus Touristik, dem SBB und dem KVW. Auch mit dem Amt für Weiterbildung stehen wir konstant in Kontakt und versuchen gemeinsam, ein leistbares Bildungsangebot zu gestalten. Die Südtiroler Raiffeisenkassen unterstützen uns sowohl als Partner im Bereich Finanzbildung als auch als Sponsor – eine wichtige doppelte Rolle. Unverzichtbar sind auch Partner wie die Lebenshilfe oder der AEB – Aktive Eltern von Menschen mit Behinderung im Bereich der Integrierten Volkshochschule. Auf regionaler und überregionaler Ebene sind wir gut vernetzt, etwa mit dem Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) und dem Forum Alpenraum. Diese Netzwerke geben uns fachlichen Rückhalt und Impulse für die strategische Weiterentwicklung.


Was hat Sie dazu bewegt, das Amt der Präsidentin zu übernehmen, und was motiviert Sie in Ihrer Arbeit am meisten?

Ich bin ein sehr traditionsverbundener Mensch und der Bildungsbereich hat mich seit jeher begeistert. Mit meinem Engagement bei der VHS möchte ich Südtirol etwas zurückgeben. Was mich besonders motiviert, ist die Zusammenarbeit mit einem engagierten Team unter der Leitung von Direktorin Barbara Pixner, die alle mit Herzblut und Kreativität Bildung und Gemeinschaft gestalten. Meine beruf-lichen Erfahrungen und mein Netzwerk setze ich ein, um gemeinsam neue Impulse zu setzen, Projekte voranzutreiben und die VHS nachhaltig zu stärken.

Gibt es ein persönliches Erlebnis aus den Kursen, das Sie nachhaltig beeindruckt hat?

Was mich besonders beeindruckt und tief berührt, ist eine 92-jährige Teilnehmerin, die seit Jahren begeistert unsere Englischkurse besucht. Ihr Wissensdurst und ihre Freude am Lernen sind ein wunderbares Beispiel dafür, dass Bildung keine Altersgrenze kennt. Solche Geschichten zeigen, wie lebendig und sinnstiftend passende Bildungsangebote für alle Lebensphasen sind.


Persönliches

Angelika Mayr Fischnaller, Tochter einer Gastronomenfamilie aus Brixen, war lange Zeit im Tourismusbereich tätig, darunter als Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Eisacktal und bei der Südtiroler Marketing Gesellschaft, als Mitglied der Geschäftsleitung verantwortlich für den Bereich Destinationsentwicklung. 2015 wechselte Mayr Fischnaller zur Messe Bozen in den Bereich Personalentwicklung und Messe-Eröffnungen. Seit 2021 ist sie freiberuflich tätig mit den Schwerpunktthemen Personalentwicklung, Kommunikation und Marketing. Seit 2024 ist sie Verwaltungs-ratsmitglied der Stiftung Südtiroler Sparkasse.