„ … die Welt ein bisschen besser machen“
Tausende Menschen in Entwicklungsländern sind blind oder sehbehindert, obwohl es Hilfe gäbe. Mit „Licht für die Welt“ rettet der Bozner Augenarzt Philipp Überbacher den Ärmsten in Afrika ihr Augenlicht und damit ihre selbstbestimmte Zukunft.
Herr Überbacher, was ist die Vereinigung „Licht für die Welt“ und wie sind Sie mit ihr in Kontakt gekommen?
Philipp Überbacher: Die Vereinigung „Licht für die Welt“ ist eine Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen, die an Augenerkrankungen leiden und keinen Zugang zu einer medizinischen Versorgung haben, aufzusuchen und zu behandeln. Sie ist in 13 Ländern weltweit tätig, der Schwerpunkt liegt in Afrika. Bereits als Student und Augenarzt bin ich in Eigeninitiative ein paar Mal nach Afrika gereist und habe dort Menschen behandelt. „Licht für die Welt“ hat mich irgendwann gefragt, ob ich mithelfen möchte. Ich hab schnell erkannt, dass man mit einem Netzwerk im Rücken nachhaltiger Hilfe leisten und viel mehr Menschen erreichen kann wie als Einzelkämpfer.
Was sind die häufigsten Erblindungsursachen?
Philipp Überbacher: In den Entwicklungsländern sind es der graue und der grüne Star. Krankheiten, an denen in westlichen Ländern niemand mehr erblindet, weil rechtzeitig operiert wird. Auch bakterielle Entzündungen des Auges können, wenn unbehandelt, zum Verlust des Augenlichts führen.
Welche Folgen hat das?
Philipp Überbacher: Der Verlust des Augenlichts ist ja ohnehin schon schlimm. Diese Menschen kommen zusätzlich in Bedrängnis: Blinde Kinder können nicht in die Schule gehen oder eine Ausbildung machen, blinde Erwachsene können nicht mehr ihr Feld bestellen und für ihren Familienunterhalt sorgen. Ganze Familien geraten so in große Not.
Wie ist die medizinische Versorgung in Afrika?
Philipp Überbacher: In vielen afrikanischen Ländern, beispielsweise in Mosambik, ist sie unzureichend, um nicht zu sagen katastrophal. Auf 1.000.000 Einwohner kommt im Verhältnis ein Augenarzt. Das wäre so, als ob ich der einzige Augenarzt für alle Einwohner der Provinzen Bozen und Trient wäre und ein alter Mann aus dem Tauferer-Ahrntal einen Fußmarsch nach Bozen machen müsste, um von mir behandelt zu werden.
Wie helfen Sie den Menschen vor Ort?
Philipp Überbacher: Wir versuchen nachhaltig unter Einbezug der Bevölkerung vor Ort zu helfen. Wenn wir Ärzte einige Wochen in Afrika sind, wird von frühmorgens bis spät in die Nacht operiert und behandelt, aber das ist eine kurzfristige Hilfe. Um eine 365-tägige medizinische Versorgung zu gewährleisten, bilden wir Augenärzte und Krankenpfleger im Land aus. Wir schaffen auch Strukturen wie Augenkliniken, kleine Buschspitäler und mobile Hilfsdienste für weit entlegene Landgebiete. In jedem Land haben wir sogenannte „Headquarter“, also Büros mit drei bis vier Mitarbeitern, welche unser Netzwerk über das ganze Land organisieren und unseren Einsatz vorbereiten. Nur so können wir effizient Hilfe leisten.
Sie setzen sich auch für Menschen mit Behinderung ein …
Philipp Überbacher: Behinderte Kinder sind in Afrika vielfach stigmatisiert. Sie fristen – oft angekettet in einer Buschhütte – ein isoliertes und trauriges Dasein. Wir suchen Familien mit behinderten Kindern in den Dörfern auf und kümmern uns darum, die Kinder wieder als vollwertige Mitglieder der Dorfgemeinschaft zu resozialisieren. Dies gelingt vor allem durch inklusive Schulbildung oder eine andere Ausbildung.
Ist es nicht schwierig, sich mit den Patienten vor Ort zu verständigen und ihr Vertrauen zu gewinnen?
Philipp Überbacher: Die blinden Menschen nehmen unsere Hilfe sehr dankbar an und haben keine Vorbehalte. Schwierig sind die sprachlichen Barrieren, wir müssen viel mit Übersetzer arbeiten. Auch eine Aufklärung mit Infobroschüren ist nicht möglich, weil viele kaum lesen und schreiben können. Da muss man sich anders behelfen: Beispielsweise mit einem Theaterstück bei einem Dorffest, wo man auf die Symptome von Augenerkrankungen hinweist. Das funktioniert recht gut.
Mit welchen anderen Schwierigkeiten sind Sie konfrontiert?
Philipp Überbacher: Ein großes Problem in Afrika ist die Korruption. Um ein Krankenhaus zu bauen, sollte man Geld bezahlen. Wenn man das strikt ablehnt, wie wir das tun, geht halt alles langsamer. Auch die Wartung der Instrumente erweist sich als schwierig. Wenn etwas kaputtgeht, fehlen die Ersatzteile, wir müssen dann von Europa aus das Problem lösen. Personal zu finden und es auszubilden, bleibt auch eine große Herausforderung.
Wie kann man der Vereinigung „Licht für die Welt“ am besten helfen?
Philipp Überbacher: Es mag nüchtern klingen: mit Geld bzw. einer Spende. Mit nur 30 Euro – so viel kostet eine Augenoperation in Afrika – kann man Augenlicht retten und einem Menschen neuen Lebensmut schenken.
Hat Sie Ihre Hilfe in Afrika persönlich verändert? Was sind die schönsten Momente?
Philipp Überbacher: Auf alle Fälle. Jedes Mal, wenn ich von einer Afrikareise zurückkehre, bin ich viel zufriedener und „geerdeter“. Manche Probleme, die wir hier in Südtirol haben, werden zu Problemchen. Der Blickwinkel verschiebt sich einfach. Als schönste Momente würde ich jene beschreiben, wenn ein Blinder nach der Operation die Augenbinde abnimmt und wieder sehen kann: zum ersten Mal in seinem Leben sein eigenes Kind oder Enkelkind oder mich – einen weißen Arzt! (lacht). Der Gesichtsausdruck der „Wiedersehenden“ ist unbeschreiblich, nicht selten brechen sie in Tränen oder Freudentänzen aus.
Was möchten Sie unseren Lesern abschließend noch mitteilen?
Philipp Überbacher: Jeder von uns sollte sich bewusst sein, wie wertvoll ein intaktes Augenlicht ist. Und wir sollten ein gut funktionierendes Gesundheitssystem wertschätzen. Dementsprechend kann jeder von uns mit einem kleinen Einsatz und einer Spende richtig viel bewirken. Wir können zwar nicht die Welt retten, aber sie ein bisschen besser machen.
LICHT FÜR DIE WELT
Licht für die Welt ist eine internationale Non-Profit-Organisation mit Sitz in Wien. Sie unterstützt augenmedizinische Projekte und die Ausbildung von augenmedizinischen Fachkräften in 13 Ländern. In zahlreichen Projekten setzt sich die Vereinigung auch für die Rehabilitation von Kindern mit Behinderungen durch inklusive Schulen sowie Berufsausbildungen ein. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen in Armutsgebieten.
Spendenkonto: LICHT FÜR DIE WELT
Raiffeisen Landesbank Südtirol AG
IBAN IT 96 N 03493 11600 002300503649