Ausgabe 01/17 -

„Würdevoll altern im eigenen Zuhause“

Wir werden immer älter und bleiben – Gott und der Medizin sei Dank – auch länger fit. Die meisten Menschen möchten so lange wie möglich zu Hause leben – auch dann, wenn der Bedarf an Hilfe, Betreuung und Pflege zunimmt. Wie eine Dienstleistungs-genossenschaft dabei hilft, erklärt Otto von Dellemann.

Herr von Dellemann, der Anteil der älteren ­Menschen in unserer Gesellschaft steigt zunehmend. Welche Rolle kommt den Senioren zu?
Otto von Dellemann: Eine immer wichtigere! Derzeit leben in Südtirol rund 100.000 Menschen, die über 65 Jahre alt sind, im Jahr 2030 werden es bereits 140.000 sein. Hinzu kommt: Früher wurde das Älterwerden oft mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit assoziiert. Heute haben Menschen mit 60 aber möglicherweise noch 20 bis 30 Jahre in guter körperlicher und geistiger Gesundheit vor sich. Sie können tätig und produktiv sein, verstärkt ihren Hobbys nachgehen, sich in ehrenamtlichen Initiativen engagieren oder sogar in ihrem Beruf teilweise weiterarbeiten. Wir stehen sozusagen vor einer neuen Alterskultur und somit auch vor neuen Herausforderungen.

Warum ist der Faktor Wohnen ein Schlüsselfaktor im Alter?
Otto von Dellemann: Wohnen erfüllt wichtige soziale und individuelle Bedürfnisse des Menschen, im Alter werden diese noch wichtiger. Der eigene Wohnraum fungiert als persönlicher Schutzraum, individuelle Rückzugsmöglichkeit, zwischenmenschlicher Treffpunkt und Ort der persönlichen Lebensführung. Die Art des Wohnens bestimmt somit wesentlich die Lebenszufriedenheit und -qualität. Der ältere Mensch möchte so lang wie möglich in seiner gewohnten Umgebung bleiben. Er sollte sich wohlfühlen und den Alltag zu Hause einfach und bequem bewältigen können.

Sie sind Präsident der Genossenschaft „Wohnen im Alter“ (WIA). Was steckt dahinter und welches sind ihre Ziele?
Otto von Dellemann: „Wohnen im Alter“ ist eine Dienstleistungsgenossenschaft, die dazu beitragen soll, das Leben und Wohnen im Alter noch selbständiger und aktiver zu gestalten. Die Informationsplattform versteht sich als Netzwerk und Anlaufstelle für ältere Menschen und Angehörige, die bestimmte Fragen und Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem Thema Wohnen haben. Ziel ist es, dass ältere Menschen so lange wie möglich zu Hause ein weitgehend selbstbestimmtes und würdevolles Leben führen können. Die meisten von uns werden mit zunehmendem Alter hilfebedürftiger, und da sollte man sich nicht scheuen, auf die vielen Angebote zurückzugreifen, die das tägliche Leben der dritten Generation erleichtern.

Was sind das für Angebote?
Otto von Dellemann: Das Angebot reicht von der Beratung zum barrierefreien Wohnen und Begleitung bei der Umsetzung über Sicherheits- und Alltagshilfen für zu Hause bis hin zu Weiterbildung und Beförderungsdiensten. Auch Rechtsbeistand und Beratung bei Finanzierungen werden angeboten. Wenn jemand Hilfe braucht oder Informationen benötigt, ­vermitteln wir als zentrale Anlaufstelle kostenlos die benötigten Dienste bzw. stellen die notwendigen Kontakte her. Um es anders zu formulieren: Wir bündeln aus den vielen bestehenden Angeboten einen bunten Strauß, aus dem sich jeder das herauspicken kann, was er gerade braucht.

Otto von Dellemann:
„Die Alterung der Gesellschaft bedingt eine neue Alterskultur, der wir uns aktiv stellen müssen.“

Otto von Dellemann

Welche Organisationen sind an der Genossenschaft WIA beteiligt?
Otto von Dellemann: Wir zählen 14 Mitglieder­organisationen: von der Wohnbaugenossenschaft Arche im KVW und der Sozialgenossenschaft Humanitas 24 über den Gemeindenverband bis hin zum Landesverband der Handwerker, dem Landesrettungsverein Weißes Kreuz, Raiffeisen OnLine, Raiffeisen Ethical Banking u. v. a. m. Ein Beitritt steht allen Organisationen offen, die das Angebot „Wohnen im Alter“ bereichern können. Von der engen Zusammenarbeit untereinander erhoffen wir uns auch die Entwicklung von ­neuen Dienstleistungen.


Stellt „Wohnen im Alter“ eine Konkurrenz zur öffentlichen Gesundheitsvorsorge dar?
Otto von Dellemann: Nein, auf keinen Fall. Wir sehen uns als Ergänzung zur öffentlichen Hand, die heutzutage immer weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung hat, die Gesundheitsvorsorge zu stemmen. Unsere Initiative wird vom Assessorat für Gesundheit der Landesverwaltung und dem Südtiroler Gemeindenverband begrüßt und unterstützt.

Für manche Seniorenverbände gehören Altersheime der Vergangenheit an. Sind betreutes Wohnen oder Mehrgenerationenhäuser die innovativen Wohnformen der Zukunft?
Otto von Dellemann: Innovative Wohnformen im Alter werden immer wichtiger, im Vergleich zum Ausland hinken wir in Südtirol etwas hinterher. In Meran ist die Errichtung einen Mehr­generationenhauses geplant – Erfahrungen im Ausland zeigen, dass das Miteinanderleben von Jung und Alt in einer Struktur sehr gut funktionieren kann. Auch das betreute Wohnen ist ein interessantes Modell. Ziel bei uns in Südtirol ist es – auch von der Politik –, ältere Menschen so lange wie möglich zu Hause wohnen zu lassen und auch die Pflege von bedürftigen Menschen zu Hause zu fördern. Da die Pflege von Angehörigen oft über viele Jahre geht und auch kräftezehrend ist, plädiere ich dafür, die Tages- und Kurzzeitpflege noch viel stärker zu forcieren. Das ist sehr wichtig, denn als pflegender Angehöriger kommt neben dem Zeitaufwand auch noch die emotionale Betroffenheit dazu.

Wenn Sie persönlich an das Älterwerden denken, was ist Ihnen dabei wichtig?
Otto von Dellemann: Alter bedeutet nicht Stillstand, sondern ist eine Phase des ­Umbruchs. Gesundheit ist wichtig. Das wichtigste Lebenselixier ist aber der intensive Kontakt zu anderen Menschen. Menschen sind soziale Wesen – sich mit anderen verbunden fühlen, ist ein menschliches Grundbedürfnis. Da für älter werdende Menschen die Gefahr besteht, dass sich ihr soziales Netz ausdünnt, sollte die Sorge um vielfältige Einbindung in soziale Beziehungen eine wichtige Rolle spielen. Ältere Menschen möchten sich einbringen und nicht ausgegrenzt werden! Grundsätzlich sollte man in seinem Leben immer neugierig bleiben, auch wenn man älter wird. Dann ist alles, was man betreibt, spannend.

Zur Person

Der gebürtige Eppaner Otto von Dellemann war als Mittelschullehrer in Mölten und Terlan tätig und leitete bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2016 als Zentralsekretär das Kolpingwerk Südtirol. Von 1985 bis 2010 war er Bürgermeister der Gemeinde Andrian; seit 1978 wohnt er in Andrian. 2000 übernahm von Dellemann den Vorsitz der Seniorenbewegung der Südtiroler Volkspartei. Er ist Präsident der Dienstleistungsgenossenschaft „Wohnen im Alter“ und Vorsitzender der Plattform der Seniorenvereine und -verbände in Südtirol. Anfang Jänner erhielt Otto von Dellemann eine hohe Auszeichnung und wurde zum Ehrenmitglied der fünf Kolpinghäuser Südtirols ernannt.

 


Kontakt Genossenschaft „Wohnen im Alter“:
Beda-Weber-Straße 1, 39100 Bozen
Tel. +39 0471 053 835
www.wohnen-im-alter.it
info@wohnen-im-alter.it