Ausgabe 01/19 -

„Nicht lockerlassen und schon gar nicht aufgeben!“

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele ein täglicher Balanceakt, vor allem aber für selbständige Frauen. Marina Rubatscher Crazzolara, seit Oktober 2018 Vorsitzende des Beirats zur Förderung des weiblichen Unternehmertums, erzählt uns im Interview, womit Unternehmerinnen zu kämpfen haben und warum es sich trotzdem lohnt, sein eigener Herr zu sein.

Frau Rubatscher, welche Ziele verfolgt der Beirat zur Förderung des weiblichen Unternehmertums?
Marina Rubatscher: Mit dem Beirat hat die Handelskammer Bozen eine Plattform für die Förderung der Frau in der Wirtschaft ­geschaffen. Sie bietet Gelegenheit für einen branchen­über­greifenden Austausch und hat das Ziel, durch Projekte und Aktionen Frauen als Unternehmerinnen zu stärken, zu fördern und zu ­unter­stützen.


Welche Schwerpunkte möchten Sie als Vorsitzende dabei setzen?
Marina Rubatscher: Der Beirat mit meiner ­Vorgängerin Paulina Schwarz hat schon in der Vergangenheit wichtige Akzente gesetzt und ­Initiativen gestartet. Beispielsweise wurde ein Referat zu den EU-Förderungen für Unter­nehmerinnen organisiert und ein Büchlein mit „Portraits von Unternehmerinnen“ heraus­gegeben. Auch der Meinungs- und Erfahrungsaustausch untereinander und das Netzwerken mit den Beiräten aus Tirol und dem Trentino wurden weiter intensiviert. Mir geht es darum, Frauen in ihrer Rolle als Unternehmerinnen noch mehr Sichtbarkeit zu verleihen und die Wertschätzung von Frau zu Frau zu erhöhen. Aufgrund der Erfahrungsberichte aus dem Trentino möchte ich das Projekt der Co-Managerin auch in Südtirol fortsetzen und umsetzen und interessante Veranstaltungen anbieten, um das Netzwerk weiter auszubauen. Auch möchte ich an einer einheitlichen Plattform mitarbeiten, welche relevante Informationen für (angehende) Unternehmerinnen bündelt. Da es der Politik obliegt, die Voraussetzungen bzw. die Situation für Unternehmerinnen zu verbessern, werde ich versuchen, die Landesämter noch stärker zu involvieren, damit ausreichend finanzielle Mittel für Projekte zur Verfügung gestellt werden.

Ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch der größte Hemmschuh für die weibliche Selbständigkeit? Welche Schwierigkeiten gibt es sonst noch?
Marina Rubatscher: Auch wenn aktuelle Istat-Studien etwas anderes behaupten, zeigen Gespräche mit Frauen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr wohl das größte Hemmnis darstellt. Der Schritt in die Selbständigkeit erfordert Mut und ist nicht selten eine Frage des Einkommens, denn wenn sich die familiäre Situation einer Frau ändert, z. B. durch eine ­Mutterschaft, stellt sich schon die Frage, ob man sich eine Babysitterin oder Reinigungskraft leisten kann und wie das alles zeitlich zu wuppen ist. Auch die Pflege der Eltern liegt ja zum Großteil bei uns Frauen. Wichtig ist auch, ob der eigene Partner/Ehemann die Selbständigkeit einer Frau schätzt und tatkräftig unterstützt. Im Südtiroler Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung sind Frauen mit Kindern in einem Arbeitnehmerverhältnis meist gut aufgehoben und versichert, auch die Privatwirtschaft hat letzthin durch flexible Arbeitszeit­modelle große Schritte in Richtung Vereinbarkeit gemacht. Alle diese Faktoren wirken sich aus, letztendlich ist es eine sehr persönliche Einstellung und Entscheidung, ob eine Frau ihr eigener Herr sein will und den Schritt in die Selbständigkeit wagt.

Mit verschiedenen Projekten möchte Marina Rubatscher Crazzolara Unternehmerinnen in Südtirol weiter stärken.
Marina Rubatscher im Interview

Was sind die positiven Seiten der weiblichen Selbständigkeit und des Führungsstils?
Marina Rubatscher: Da gibt es eine ganze Menge (lacht): die Flexibilität, die Unabhängigkeit, die Freiheit in der Entscheidungsfindung, das Ausleben von Talenten und Stärken, die Kreativität, die Motivation, sich weiterzubilden, das persönliche Netzwerk … und aus persönlicher Erfahrung halte ich die Genugtuung am Ende des Tages für größer als in einem Angestelltenverhältnis. Zum Führungsstil: Allgemein gesprochen haben ­Frauen mehr Power, schaffen es, gleichzeitig mehrere Dinge zu verrichten, sie stehen „mittendrin, statt oben drüber“ und sind sehr sensibel für ein ­gutes, harmonisches Miteinander. Sie können gut zuhören und das Beste aus ihren Mitarbeitern herausholen.

INFOS ZUR PERSON

Marina Rubatscher Crazzolara ist Vorsitzende des Beirats zur Förderung des weiblichen Unternehmertums in Südtirol. Die Gastwirtin aus St. Kassian ist Mitglied des Landesausschusses des HGV, Obfrau des HGV-Gebietes Gadertal und HGV-Vertreterin im Marketingbeirat der IDM Südtirol. Zudem ist sie Mitglied der Gemeinderats- ­sowie Baukommission der Gemeinde Abtei und Präsidentin der ehrenamtlichen Vereinigung „Grup Volontariat Val Badia“. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern.

 


Welche Barrieren gab es für Sie als Frau zu überwinden?
Marina Rubatscher: Aus unternehmerischer Sicht keine, da konnte ich mich leidenschaftlich in unserem Familienbetrieb einbringen und meine Ideen umsetzen. Ich konnte auch immer auf die wertvolle Unterstützung meines Partners und der ganzen Familie zählen, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, in relativ kurzer Zeit so viele unterschiedliche wirtschaftliche Stand­beine aufzustellen. Als Frau in Verbänden – ich bin in mehreren Wirtschaftsgremien vertreten – gab es einige zu überwinden. In unserer Großfamilie wird auch bei unterschiedlichen Meinungen sehr offen diskutiert. Diese Direktheit und Geradlinigkeit, auf die ich persönlich sehr großen Wert lege, war anfangs in Gremien nicht gerade sympathiefördernd. Da muss man sich schon mal von der „unangenehmen Seite“ zeigen, Tacheles reden und seine Vorstellungen einfordern. Mittlerweile aber habe ich das Gefühl, gerade wegen dieser Eigenschaften respektiert zu werden.

Haben Sie einen Leitsatz oder ein Vorbild, das Sie geprägt hat?
Marina Rubatscher: Mein Leitsatz lautet „Nur nicht lockerlassen und schon gar nicht auf­geben!“ Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit sind wichtige Erfolgsprinzipien. Vorbild ist mir zum einen meine Mutter, sie war für uns Kinder immer da, und dieses Gefühl der Geborgenheit versuche ich auch meinen Kindern zu vermitteln, zum anderen meine Schwiegermutter, die auch in höherem Alter ein unglaubliches Arbeits­pensum absolviert, und – philosophisch ­gesehen – die streitbare Journalistin Oriana Fallaci, die mit ihrem unkonventionellen Lebensstil und Gedankengut ihrer Zeit stets voraus war.

Welche Ratschläge würden Sie einer angehenden Unternehmerin mit auf den Weg geben?
Marina Rubatscher: Trau dich, deine Träume zu leben! Abgesehen von einer marktfähigen Geschäftsidee und einem realistischen Finanzierungskonzept muss man bzw. frau gerade am Anfang bereit sein, viel Zeit und Arbeit dafür zu investieren. Wichtig ist es, sich auf die neue ­Rolle gut vorzubereiten und sich von mehreren Personen/Stellen Informationen und Hilfe zu ­holen. Und – last but not least – bei Rückschlägen nicht gleich aufgeben und sich nicht entmutigen ­lassen. Sie gehören zum Leben dazu und führen oft zu ganz neuen Wegen und Lösungen.