Ausgabe 05/15 -

„Einkommen und Geld werden meistens grenzenlos überschätzt“

„Einkommen und Geld werden meistens grenzenlos überschätzt“.
Warum das Lebensziel, einen Profi-Vertrag beim FC Bayern München zu bekommen, depressiv machen kann und worauf es im Leben wirklich ankommt, verriet der Glücksforscher Prof. Karlheinz Ruckriegel im Rahmen der Sommerveranstaltungen des Raiffeisen InvestmentClubs Ende Juli.

Herr Ruckriegel, Glück ist im Grund schwer zu fassen. Mit was beschäftigt sich die Glücks­forschung bzw. ein Glücksforscher denn?
Karlheinz Ruckriegel: Als Volkswirt betrachte ich das Ganze ja vom Ökonomischen her. In der Wirtschaft beschäftigt man sich ja damit, wie man mit knappen Mitteln umgeht. Es geht letztlich darum, mit knappen Mitteln, also dem Input, so umzugehen, dass ein Höchstmaß an Output herauskommt. Die knappen Mittel oder Input sind letztlich die Zeit. Es geht darum, mit der begrenzten Zeit ein möglichst glückliches und gelungenes Leben zu führen. Auf dieser Schiene Input-Output ist die Glücksforschung zu einem der wichtigsten und zentralen Forschungsfelder innerhalb der Ökonomie weltweit geworden.


Was bedeutet dann aber konkret „glücklich sein“ bzw. das richtige Verhältnis zwischen Input und Output?
Karlheinz Ruckriegel: Die Glücksforschung beschäftigt sich mit dem subjektiven ­Wohlbefinden. Dieses hat zwei Ausprägungen. Einerseits das emotionale Wohlbefinden. Hier geht es um die Gefühle, die ich habe, wenn ich mein Leben lebe. Letztlich kommt es hier auf das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Laufe eines Tages an. Hier sollte mindestens ein Verhältnis von 1 : 3 herauskommen, also mindestens drei positive auf ein negatives Gefühl. Dann kann man von „glücklich sein“ sprechen. Zum anderen gibt es das kognitive Wohlbefinden, das an meine Ziele, Erwartungen und Wünsche gekoppelt ist. Hier hängt „glücklich sein“ vor allem damit zusammen, ob sich jemand realistische Ziele setzt. Ich als Karlheinz Ruckriegel sollte mir nicht einen Platz in der Profi-Mannschaft des FC Bayern München zum Ziel setzen, weil dies schlicht und ergreifend nicht oder (nicht mehr) möglich ist. Solch unrealistische Ziele tragen stark zu einer schlechten bzw. auch depressiven Stimmung bei.

Was sind also die anderen Faktoren, die den „schnöden Mammon“ in den Schatten stellen?
Karlheinz Ruckriegel: Die wichtigsten Faktoren für Glück sind – neben der erwähnten Zeit – gelingende soziale Beziehungen, und zwar in ihrer gesamten Bandbreite. Dann kommen andere Faktoren. Einmal Gesundheit, physisch und psychisch.

Es geht beim Glück auch sehr viel um Engagement und um eine befriedigende Tätigkeit, bei der ich Sinn erkenne und mich engagiere. Wichtig ist zudem Unabhängigkeit, sodass ich Einfluss auf Leben und Arbeit habe. Alle diese Faktoren und noch mehr bringt der „Better-Life-Index“ der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung, A. d. R.) zusammen.
Dieser Index ist laut heutigem Erkenntnis­stand in der Glücksforschung gut dazu ­geeignet, ein „glückliches Leben“ – so weit es geht – zu bemessen.

Und umgekehrt?
Karlheinz Ruckriegel: Ein glückliches Leben kann sehr positiv für die Gesundheit sein. Unter­suchungen zeigen, dass glückliche Menschen sehr viel weniger krank sind als unglückliche Menschen. Mein Immunsystem wird durch die Glücksimpulse und Zufriedenheitswerte nachhaltig gestärkt und wird nicht immer über­fordert. Dies ist laut den Studien auch mit einer höheren Lebenserwartung verbunden.

Welche Rolle spielt – neben ausreichend Zeit – der Faktor Geld in der Glücksforschung?
Karlheinz Ruckriegel: Untersuchungen weltweit zeigen, dass ich – wenn ich ein bestimmtes Einkommen erreicht habe – durch mehr Geld nicht mehr glücklicher werde, weil es dann auf ­andere Faktoren ankommt. Diese Grenze wurde bei etwa 15.000 US-Dollar pro Kopf im Jahr aus dem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt errechnet. Bis zu einer solchen Grenze ist Geld aber sehr wohl von Bedeutung, weil essenzielle Bedürfnisse wie Essen, Wohnung, Kleidung usw. garantiert sind. Das Problem ist, dass sich der Mensch sehr schnell anpasst. Das heißt, wenn das allgemeine Einkommen steigt, dann brauche ich als Teil der Gesellschaft gefühlt mehr finanzielle Mittel, um glücklich zu sein. Einkommen und Geld werden meist grenzenlos überschätzt.

Zur Person

Karlheinz Ruckriegel ist Professor für Makro­ökonomie, Psychologische Ökonomie (­Behavioral Economics) und interdisziplinäre Glücksforschung an der TH Nürnberg. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit ist Ruckriegel Autor mehrerer Sachbücher zur Verhaltensökonomie und Glücksforschung und bietet Beratung im Rahmen von Seminaren an.

 


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