Ausgabe 05/17 -

Eine Idee – viele Unterstützer

Das Wort ist nicht leicht auszusprechen, aber immer öfter ist davon die Rede: „Crowdfunding“. Was versteht man darunter? Und wie ist es um die Südtiroler Handwerksbetriebe generell bestellt? Eine Standortbestimmung mit Gert Lanz, Präsident des Wirtschaftsverbandes der Handwerker und Dienstleister (lvh).

Seit rund einem Jahr fördert der lvh die Initiative „Crowdfunding“. Was versteht man darunter und welche Ziele werden verfolgt?
Gert Lanz: Crowdfunding kommt aus dem Englischen und bedeutet: Viele Menschen (Crowd) finanzieren (funding) ein Vorhaben. Diese Finanzierungsform unterscheidet sich von traditionellen Formen, da viele Privatpersonen die Rolle des Geldgebers übernehmen. Treffpunkt von Projektträgern und Privatpersonen (Unterstützer) ist eine Internetplattform. Wir als lvh haben die erste Crowdfunding-Plattform Südtirols eingerichtet. Es ist eine regionale Plattform, wo kreative Ideen aus Südtirol vorgestellt werden, die nach Finanzierung suchen.

Wie funktioniert Crowdfunding?
Gert Lanz: Lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären. Tobias Nussbaumer hat eine Lampe aus Naturstein entwickelt. Für dessen Fertigstellung benötigte er noch 9.000 Euro (entspricht dem ­Finanzierungsziel). Er hat eine Crowdfunding- Kampagne gestartet und sich mit einer Videobotschaft an Menschen im ganzen deutsch- und italienischsprachigen Raum gewandt, mit der Bitte, sein Projekt finanziell zu unterstützen. War jemand vom Projekt überzeugt, so konnte er z. B. 300 Euro geben und sich eine Lampe vorbestellen. Am Ende haben ihn 50 Personen unterstützt, dadurch sind fast 15.000 Euro zusammengekommen. Es gilt: Jeder und jede ab 18 Jahren kann Crowdfunding-Unterstützer werden.


Wie schaut die Bilanz nach einem Jahr aus? Welche Projekte wurden realisiert und wie ­viele Mittel gesammelt?
Gert Lanz: Wir haben bisher zehn Projekte aus verschiedenen Branchen wie Handwerk, ­Landwirtschaft und Kultur und Soziales gezeigt. Acht Projekte haben das Finanzierungsziel erreicht und insgesamt haben 303 Personen über 85.000 Euro bereitgestellt. Zwei Projekte haben das Finanzierungsziel nicht erreicht, da haben die Unterstützer das Geld wieder zurückbekommen. Jetzt im Herbst werden wir vier neue Projekte zeigen.

Welche Vorteile bringt die neue Finanzierungsform, was ist das Besondere daran?
Gert Lanz: Crowdfunding bietet mehrere Vorteile gleichzeitig. Die Projektträger erhalten Zugang zu Kapital für die Umsetzung ihrer Ideen. Crowdfunding bietet aber auch die Möglichkeit zum Markttest, also zu schauen, ob die Produktidee auf Interesse stößt, bevor das Produkt produziert wird. Auch der Bekanntheitsgrad eines Unternehmens kann mit Crowdfunding gesteigert werden.

Eines ist die Idee und die Finanzierung, das andere ist die konkrete Umsetzung einer ­Geschäftsidee. Werden Jungunternehmer dabei von Ihrem Verband unterstützt?
Gert Lanz: Der lvh unterstützt lokale ­Projektträger bei der Umsetzung einer Crowdfunding-­Kampagne auf der Plattform Crowdfunding Südtirol. ­Diese Unterstützung umfasst mehrere Phasen, vom Erstgespräch bis hin zum Coaching und der Begleitung. Möglich wird dies mit dem „EFRE Projekt CRAUT4SME“, mit dem wir Anfang 2017 gestartet sind.

Im Team erfolgreich – die Mitarbeiterinnen im lvh
v. l. n. r.: Katrin Weger, Ann-Christin Döding, Kathrin Pichler und Sandra Kainz
Mitarbeiterinnen im lvh

Gibt es auch andere Maßnahmen im lvh, um kleinere Betriebe bei Innovationen zu fördern?
Gert Lanz: Der lvh bietet mehrere Instrumente an: eines davon ist Open Innovation Südtirol (­offene Innovation). Hier können Betriebe Ideen­wettbewerbe organisieren, um Ideen für den eigenen Betrieb zu sammeln.


Wie geht es generell den Südtiroler Handwerksbetrieben? Ist die Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre an diesen spurlos vorüber­gegangen?
Gert Lanz: Derzeit profitieren die Betriebe mit Sicherheit von einer positiven Grundstimmung. Insofern hat auch die Dynamik am Markt zugenommen, die Perspektive der Betriebe ist wieder positiv. Mit den Auswirkungen der Finanzkrise – so denke ich – kämpfen noch alle, z. B. mit den vielen neuen Bestimmungen und Regelungen, die den Betrieben sehr zu schaffen machen. Man muss sich vor Augen halten, dass ein durchschnittlicher Betrieb bei uns 3,3 Mitarbeiter hat!

Was sind die großen Plusfaktoren? Was die Sorgenkinder?
Gert Lanz: Als absolute Stärke der Südtiroler Betriebe sehe ich vor allem die gut ausgebildeten Mitarbeiter, das hohe Qualitätsbewusstsein und die Fähigkeit, auf unterschiedliche Situationen die richtigen Antworten zu finden. Sorge bereitet mir, neben dem bürokratischen Wahnsinn, den wir jeden Tag betreiben müssen, lediglich das gering verbreitete Bewusstsein für Kooperationen.

Welche Vorteile haben Betriebe, die Mitglieder im lvh sind?
Gert Lanz: Jeder Betrieb ist täglich mit vielen Themen konfrontiert, in denen er alleine nicht Spezialist sein kann. Insofern sehe ich den Verband als notwendige Plattform, wo verschiedene Themen gespielt, Informationen ausgetauscht, Netzwerke geschaffen werden und so ein Mehrwert generiert wird. Wichtig dabei ist, dass ich von einem Verband nur etwas zurückbekommen kann, wenn ich selber bereit bin, Energie – in welcher Form auch immer – in das System einfließen zu lassen.

Was schätzen Sie persönlich an Ihrer Arbeit als lvh-Präsident? Was schlägt Ihnen manchmal auf den Magen?
Gert Lanz: Es sind vor allem die vielen Momente der Begegnungen mit Menschen, wo man Erfahrungen bzw. Meinungen austauscht und wo jeder, wenn er denn auch nur ein bisschen dafür bereit ist, dazulernen kann. Auf den Magen schlagen mir eigentlich nur zwei Dinge: das Wort „ABER“, weil es in den meisten Situationen nichts anderes bedeutet als „NEIN“, und die Aussage „das geht nicht“, ohne dass man es einmal gedacht oder versucht hat.

Was Sie betonen möchten …
Gert Lanz: Wir Südtiroler können auf das bisher Erreichte stolz sein. Vielleicht gelingt es uns in Zukunft, dass wir uns noch stärker vernetzen und dass wir auch ohne Neid die Erfolge der anderen zulassen.

Zur Person

Der gebürtige Innichner Gert Lanz (Jahrgang 1971) absolvierte sein Studium der Betriebsinformatik an der Technischen Universität in Wien. Von 1985 bis 1995 war er im Familienunternehmen „Lanz Metall“ in Toblach tätig, das er 2007 übernahm. Seit 1998 hatte er verschiedene wichtige Funktionen im Wirtschaftsverband der Handwerker und Dienstleister (lvh) auf Orts- und Landesebene inne, 2001 wurde Gert Lanz zum Präsident des lvh gewählt. Er ist Ausschussmitglied im Tourismusverein und Gemeinde­referent für Wirtschaft in der Gemeinde Toblach.