Ausgabe 01/15 -

„Der Euro wird Bestand haben, wenn auch zu einem hohen Preis“

Die sogenannte „Eurokrise“ ist immer noch nicht ausgestanden. In einer dreifach schwierigen Situation befinden sich dabei auch die Banken. Sie müssen ihr Geschäftsmodell mit aller Konsequenz neu ausrichten, sagt der gebürtige Südtiroler Universitätsprofessor Christoph Kaserer.

Die Eurokrise führt noch immer zu einer großen Verunsicherung der Bürger. Was sind die Gründe dafür?
Christoph Kaserer:Nun ja, der Begriff „Eurokrise“ ist etwas verwirrend, denn wir haben es nicht mit einer Währungsschwäche zu tun. Die Krise ist viel fundamentaler: es geht um die Frage, ob es den Euro als Währung in fünf Jahren noch geben wird. Ehrlicherweise muss man sagen, dass darauf niemand eine wirkliche Antwort hat. Einerseits zeigt sich, dass die realwirtschaftlichen Anpassungen, wie die Steigerung der Produktivität, die Senkung des Lohnniveaus, die Reduzierung der Staatsquote, in den südeuropäischen Ländern nur sehr langsam vorangehen. Andererseits gibt es auch keinen europäischen Konsens darüber, wie die institutionellen Strukturen, sprich die Einschränkung der nationalen Souveränität in der Finanz- und Haushaltspolitik, verändert werden sollen, um das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in den Euro zurückzugewinnen. Insofern ist es nachvollziehbar, dass es eine anhaltende Verunsicherung in der Bevölkerung gibt. Ich persönlich glaube, dass der Euro Bestand haben wird. Wir werden aber einen hohen Preis dafür bezahlen, weil die notwendigen Anpassungen sehr langsam voranschreiten werden und in dieser Zeit weder mit einem nennenswerten Wirtschaftswachstum noch mit Kaufkraftzuwächsen zu rechnen ist. Das werden insbesondere die Südeuropäer in Form hoher Arbeitslosigkeit und sinkendem Wohlstand zu spüren bekommen.

Die Banken werden immer wieder stark angegriffen. Zu Recht?
Christoph Kaserer: Die Banken sind in einer dreifach schwierigen Situation. Erstens verkleinert die Niedrigzinspolitik die Zinsmarge. Zweitens erhöhen sich wegen der anhaltenden Stagnation die Kreditrisiken in den Bilanzen. Und drittens verändert die fortschreitende Digitalisierung die Geschäftsmodelle. Gegen die ersten beiden Entwicklungen können die Banken nichts tun. Hingegen fürchte ich, dass die Neuausrichtung des Geschäftsmodells bei vielen Banken nicht mit der notwendigen Konsequenz angegangen wird. Das ist zwar angesichts der vielen Probleme, mit denen die Banken aktuell zu kämpfen haben, verständlich. Trotzdem lauert hier eine Gefahr, deren Sprengkraft meines Erachtens noch gar nicht richtig erkannt wird. Wir sollten uns aber ­weniger mit Vergangenheitsbewältigung auf­halten, sondern vielmehr darüber nachdenken, was wir alle gemeinsam tun können, um unseren Banken­sektor wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Denn eines ist klar: ohne einen dynamischen Banken- und Finanzsektor wird Europa seinen Wohlstand nicht halten können.


Große wie kleine Kreditinstitute unterliegen heute wesentlich strengeren ­Auflagen als noch vor einigen Jahren. Trägt dies zur Lösung der Eurokrise bei?
Christoph Kaserer: Die Reform der Bankenregulierung trägt sicherlich zur Stabilität des Bankensektors bei. Einen Beitrag zur Lösung der Eurokrise sehe ich darin aber nicht, jedenfalls nicht kurzfristig. Und dass die zusätzlichen Belastungen durch die Regulierung den Bankensektor nicht gerade beflügeln werden, liegt wohl auf der Hand. Es ist meines Erachtens höchste Zeit, darüber nachzudenken, was man tun kann, um zumindest den nicht systemrelevanten Teilen des Bankensektors wieder mehr Luft zum Atmen zu geben. Solange das nicht geschieht, werden wir damit leben müssen, dass gerade für kleinere Unternehmen Kredite weniger leicht verfügbar und teurer werden.

Was müssen kleine Lokalbanken, wie beispielsweise die Raiffeisenkassen, tun, um sich das Vertrauen der Kunden weiterhin zu erhalten?
Christoph Kaserer: Genossenschaftsbanken haben, ebenso wie viele andere kleinere ­Institute, weder die Krise ausgelöst noch mussten sie in nennenswertem Umfang staatlich gestützt ­werden. Das hat ihnen einen großen Vertrauens­vorsprung eingebracht. Trotzdem wird der Wandel im Bankensektor auch vor diesen kleineren, lokal verankerten Instituten nicht haltmachen, allenfalls wird er sich langsamer vollziehen. Daher werden auch sie sich Gedanken machen müssen, wie sie ihre Geschäftsmodelle an die Bedürfnisse der Kunden anpassen müssen. Die Nähe zu diesen Kunden kann aber ein großer Vorteil in diesem Wandlungsprozess sein, den man auf jeden Fall ausnutzen sollte.


Welche Hausaufgaben müssen die südeuropäischen Staaten und insbesondere Italien machen, um dauerhaft aus der Krise zu finden?
Christoph Kaserer: Italien hat in den letzten Jahren einen dramatischen Niedergang seiner industriellen Basis erlebt. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Das geht nur, wenn das Land international an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt. Produktivitätssteigerungen und Arbeitskostensenkungen sind dabei ein Thema. Es geht aber auch ebenso um die Stärkung von Wissenschaft und Technologietransfer, um das Vertrauen in und die Effizienz von staatlichen Institutionen. All dies ist eine Mammutaufgabe. Wenn man sieht, mit welch heftigen Widerständen die Regierung Renzi bei – mit Verlaub – relativ ­kleinen Reformen zu kämpfen hat, muss man nach meiner Einschätzung wohl eher in Dekaden als in Jahren rechnen, bis sich das Land zukunftsfähig aufgestellt hat. Diese Zeit wird Italien nur bekommen, solange es in Europa den politischen Willen für den Fortbestand des Euro gibt. Trotz aller verbalen Gefechte bin ich davon überzeugt, dass in Deutschland dieser politische Konsens (noch) vorhanden ist. Hingegen würde ich es nicht ausschließen, dass es vielleicht die ­Italiener selbst sind, die diesen Konsens aufkündigen.

Die Zinsen für Sparer sind so niedrig wie nie. Wie sollte der „Durchschnittssparer“ in
der aktuellen Lage sein Geld sinnvoll anlegen?
Christoph Kaserer: Ich habe schon vor vielen ­Jahren davor gewarnt, dass man bei der Geld­anlage Sachwerte zu sehr aus den Augen verloren hat. Immobilien waren vielleicht eine Ausnahme, aber Aktien wurden in Ländern wie Deutschland und Italien leider gemieden. Die Niedrigzinsen führen dazu, dass sich die Leute vermehrt mit Aktien auseinandersetzen. Ich halte das aus vielerlei Gründen für eine positive Entwicklung. Über lange Zeiträume haben ­Aktien noch immer eine höhere Rendite abgeworfen als Anleihen. Und wer dran glaubt, dass der Euro nicht überlebt, sollte ohnehin in Sachwerte gehen.

Prof. Dr. Christoph ­Kaserer

Prof. Dr. Christoph ­Kaserer, geboren 1963 in Meran, ist Kodirektor des Center for ­Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) und Professor für Finanzmanagement und Kapitalmärkte an der Technischen Universität München TUM. Seine Forschungen liegen auf dem Gebiet der Unternehmensfinanzierung, Kapitalmärkte und Finanz­intermediation. Nach der Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien (1988) promovierte (1992) und habilitierte (1998) er sich an der Universität Würzburg; 1999 übernahm er den Lehrstuhl für Finanzmanagement und Rechnungswesen an der Université de Fribourg, von 2005 bis 2010 war er Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der TUM. Im weltweiten Download-Ranking des Social Science Research Network gehört er zu den besten 200 Autoren aus dem Bereich Betriebs­wirtschaft.


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