Ausgabe 04/16 -

„Damit es beim Alten bleibt, müssen wir viel ändern.“

Sie liebt Herausforderungen und ist eine von drei weiblichen Direktorinnen in der Südtiroler Raiffeisen-Welt. Karin Ausserhofer über die Geburt der Raiffeisenkasse Etschtal, das Glück, eine Optimistin zu sein, und warum sich Frauen ruhig mehr zutrauen sollten.

Frau Ausserhofer, Sie sind jetzt 20 Jahre im Bankgeschäft tätig, 16 Jahre davon als Geschäftsführerin der Raiffeisenkasse Mölten.
Wie hat sich das Bankgeschäft im Laufe dieser Zeit verändert?

Karin Ausserhofer: Das regulatorische Korsett wurde vor allem in den letzten Jahren immer ­enger, die Luft für eine aktive Gestaltung des Unter­nehmens Bank immer dünner. Die Mitarbeiter einer Bank müssen sich heute deutlich mehr auf die Einhaltung der Normen als auf die Betreuung der Kunden konzentrieren. Zudem schmälert die anhaltende Niedrigzinspolitik den Spielraum und macht es viel schwieriger, aus­reichende Gewinne zu erzielen.


Vor welchen Herausforderungen stehen besonders kleine Banken?
Karin Ausserhofer: Erstens verfügen kleine ­Banken nicht mehr über ausreichend Ressourcen, allen gesetzlichen Auflagen gerecht zu werden. Zweitens laufen vor allem die kleineren Banken Gefahr, den Fokus aufgrund der anhaltenden Ertragsschwäche allzu sehr auf die Kostenseite zu richten, und versäumen es dabei, die notwendigen Investitionen rund um die zunehmende Digitalisierung und den steigenden Bedarf an qualifizierter Beratung zu tätigen. Es gilt das vielbemühte Sprichwort: „Damit es beim Alten bleibt, müssen wir viel ändern.“

Stichwort Veränderung: Mitte Juni zeigte sich bei den außerordentlichen Vollversammlungen, dass die Mitglieder der Raiffeisenkassen Mölten, Andrian, Nals und Terlan einer Verschmelzung der vier Banken zur Raiffeisenkasse Etschtal positiv gegenüberstehen. Was waren die Gründe für diese Fusion?
Karin Ausserhofer: Die angesprochene Flut an Regulatorien und die sinkenden Erträge sind nur zwei Gründe. Daneben stellen der verschärfte Wettbewerb, auch durch bankfremde Mitbe­werber, die rasante Digitalisierung und das veränderte Kundenverhalten die Banken vor neue Herausforderungen. Dies alles macht eine Neuausrichtung des bisherigen Geschäfts­modells erforderlich.

Welche Vorteile bringt die Fusion?
Karin Ausserhofer: Mit der Fusion können die Verwaltungen zusammengelegt und die ­normativen Auflagen besser bewältigt werden. Zudem werden Risiken gestreut, und das höhere Eigenkapital garantiert noch mehr Stabilität für die Raiffeisenkasse. Kunden profitieren, weil sie noch professioneller und individueller beraten werden können, da durch die Fusion ­Ressourcen am Markt frei werden. Auch für Mitarbeiter ergeben sich neue Chancen – es ist aber nicht geplant, Mitarbeiter abzubauen oder Geschäftsstellen zu schließen.

Die derzeitige Reform der Raiffeisenkassen in Südtirol bringt weitere Änderungen mit sich …
Karin Ausserhofer: Ja, die Raiffeisen-Bankenwelt steht vor einem Umbruch. Die Raiffeisenkassen werden durch die Reform zwar in ihrer Selbständigkeit eingeschränkt, gleichzeitig wird aber das System Raiffeisen durch die gegenseitige Haftung insgesamt deutlich gestärkt. Die neustrukturierte Bankengruppe bietet die Chance der verstärkten Zusammenarbeit unter den ­Raiffeisenkassen und eröffnet dadurch mehr Wachstum und mehr Stabilität.

Warum gibt es Ihrer Meinung nach noch immer so wenige Frauen in Führungspositionen?
Karin Ausserhofer: Ich hatte nie das Gefühl, als Frau mehr leisten zu müssen. In Mölten ist man Frauen gegenüber sehr offen eingestellt, so ist beispielsweise unsere Obmann-Stellvertretung mit Paulina Schwarz weiblich besetzt, und mit Angelika Wiedmer hat Mölten eine Bürgermeisterin. Vielerorts aber wird der große Mehrwert, den Frauen in Teams liefern, leider oft nicht erkannt. Und nach wie vor ist in einigen Unternehmen die Inanspruchnahme von Teil- und/oder Auszeiten mit Karrierenachteilen verbunden. Andererseits glaube ich aber auch, dass Frauen mit Karriereambitionen anders umgehen und ihren Werdegang passiver planen als Männer. Frauen sollten sich einfach mehr zutrauen. Man schafft viel mehr, als man denkt!

Karin Ausserhofer: „Frauen sollten sich einfach mehr zutrauen.
Man schafft viel mehr, als man denkt!“

Karin Ausserhofer

Wie bewältigen Sie persönlich den Spagat zwischen Beruf und Familie?
Karin Ausserhofer: Ich bin sehr dankbar, mit der Raiffeisenkasse Mölten einen Arbeitgeber zu haben, der mir mit Telearbeit und elastischen Arbeitszeiten ein hohes Maß an Flexibilität ermöglicht. Ich habe zwei tolle, selbständige Mädchen, und sowohl mein Mann als auch mein Vater unterstützen mich und halten mir den Rücken frei. Gut organisiert, lassen sich Familie und Beruf vereinen. Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.

Was zeichnet Sie als Führungskraft aus und welche beruflichen Ziele haben Sie vor Augen?
Karin Ausserhofer: Ich vertraue meinen Mitarbeitern und lasse sie im besten Sinn des Wortes „laufen“. Die Übertragung von Verantwortung ist, wie ich denke, ein Zeichen von Vertrauen und Wertschätzung; für Mitarbeiter bedeutet sie Motivation und Genugtuung. Gesamtverantwortung tragen, den Mitarbeitern Orientierung geben und die Zielerreichung überwachen – dies sind meine Aufgaben und werden auch nicht delegiert (lacht). Und eines ist klar: Wer mein Vertrauen missbraucht, muss die Konsequenzen tragen. Als Mitglied der Geschäftsleitung möchte ich einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung der Raiffeisenkasse Etschtal liefern, um daraus ein stabiles und schätzenswertes Unternehmen für Mitglieder, Kunden und Mitarbeiter zu machen.

Wie würden Sie sich selbst charakterisieren?
Karin Ausserhofer: Ich habe das große Glück, eine Optimistin zu sein. Das erleichtert vieles im Leben und öffnet Türen. Es ist mir wichtig, konsequent und authentisch zu sein. Ich mag Menschen, die sich begeistern lassen. Was ich gar nicht mag, ist, wenn viel zerredet wird. Denn ich entscheide gern und schnell.

Zur Person

Karin Ausserhofer, 44 Jahre alt, studierte Betriebswirtschaft an der Universität Innsbruck. Bereits während ihres Studiums arbeitete sie als Ferialkraft in der Raiffeisenkasse Bozen, wo sie nach Abschluss des Studiums eintrat und in verschiedenen Abteilungen und als Direktionsassistentin tätig war. Seit Juli 2000 ist sie Geschäftsführerin der Raiffeisenkasse Mölten. Karin Ausserhofer ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.

 


Die Raiffeisen­kasse Etschtal*
in Zahlen

(aggregierte Daten zum 31. 12. 2015 der Raiffeisenkassen Mölten, Andrian, Nals und Terlan)

 

382
Mio. Euro Bilanzsumme

 

548
Mio. Euro Kundengeschäfts­volumen

 

69
Mio. Euro Eigenkapital

 

6
Geschäftsstellen

 

44
Mitarbeiter

 

* Die Fusion der Raiffeisenkasse Etschtal wird mit 1. Jänner 2017 rechtskräftig.