Ausgabe 04/17 -

„Zuerst muss der Text passen!“

Thomas Kager ist Geschäftsführer und gleichzeitig eines der derzeit elf Mitglieder der Genossenschaft Ex Libris in Bozen. Sie bietet vom ersten Textentwurf bis zum „Gut zum Druck“ alle Dienstleistungen im Bereich Text und Kommunikation. Den Mitgliedern ist eines gemeinsam: die Leidenschaft für gute Texte.

Herr Kager, welche Ziele verfolgt die Genossenschaft Ex Libris?
Thomas Kager: Wir suchen und schaffen uns tolle Arbeitsaufträge! Der Spaß am Texten, am pingeligen Korrigieren, aber auch am freien Philosophieren und strategischen Denken treibt uns an. Als Arbeitsgenossenschaft bündeln wir die Kompetenzen unserer Mitglieder und können so maßgeschneidert auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Wir verstehen uns aber auch als Kulturschaffende im weitesten Sinne, als ­kreativer Pool, der es seinen Mitgliedern ermöglicht, gemeinsam Ideen zu verwirklichen.

Wo liegen die Unterschiede zu anderen Kommunikationsagenturen?
Thomas Kager: Die genossenschaftliche Organi­sationsform erlaubt es uns, auf eine Vielzahl von Mitgliedern und freien Mitarbeitern zurückzugreifen. Gerade in den kreativen Berufen braucht es vielseitige und frische Zugänge, bei der Textarbeit einen klaren Kopf und k­onzentriertes Arbeiten: Das geht in einem Netzwerk, in das jeder projekt­bezogen seine Fähigkeiten und sein Wissen einbringt, am besten. Auch ­unterscheidet uns der Zugang über die Inhalts- und ­Textebene: Ex Libris ist aus der Edition Raetia heraus entstanden, ein Großteil der Mitarbeiter und Mitglieder kommt aus dem Verlagswesen oder Journalismus. Zwar haben auch wir ein Auge für gute Grafik, aber zuerst muss der Text passen!

Unter Werbung kann sich jeder etwas vorstellen. Was aber ist Corporate Publishing? Und was Storytelling?
Thomas Kager: Werbung versucht über Slogans Kunden zu finden. Aber wie kann man Kunden langfristig an das eigene Unternehmen binden? Indem man sie miteinbezieht, Teil der eigenen Welt werden lässt. Dazu braucht es eine kontinuierliche Kommunikation und Geschichten, die über den engen Unternehmensbereich hinausgehen. Corporate Publishing bezeichnet dabei Medien und Kanäle, über die kommuniziert wird: Kundenmagazine im Print oder online, Geschäftsberichte, Jubiläumsschriften oder regelmäßige Facebookposts. Storytelling heißt nichts anderes, als Geschichten zu erzählen: spannende journalistische Texte rund um das Unternehmen. Diese Informationen wirken authentischer als Werbebotschaften und man liest sie gerne.

Teamarbeit wird bei Ex Libris großgeschrieben.
Thomas Kager und Team im Ex Libris

Wir Menschen sind doch fast alle informa­tions­überlastet. Wie schaffen es Botschaften, Aufmerksamkeit zu erregen?
Thomas Kager: Es geht sicher nicht darum, lauter zu schreien als die anderen. Wahrgenommen werden Botschaften, wenn sie auch gehört werden wollen. Das heißt, sie müssen einen Nutzen bringen. In der Unternehmenskommuni­kation steht allzu oft das eigene Interesse im Vordergrund: Schließt unsere Versicherung ab! Dabei wäre ein Kundenmagazin, das Reportagen über konkrete Risiken, ein Interview mit einem Psychologen über Risikoverhalten, ein Bericht über die Folgen eines Unfalls und eine Info-Box über die zehn häufigsten Versicherungsfälle zielführender.

Warum lebt der Printbereich allgemein doch gut in unserer digitalen Zeit?
Thomas Kager: Totgesagte leben länger! Der Spruch hat wohl etwas Wahres (lacht). Print- und Digitalmedien haben beide ihre Qualitäten. Die schnelle Information wird sich ins Digitale verlagern, die tiefergehende Geschichte mit großen Fotos und grafischen Details kommt auf Papier besser. Die Offline-Lektüre ist in der Regel langsamer, aufmerksamer, genüsslicher. Daher haben Bücher und Printmagazine gute Zukunftsaussichten. In Zukunft wird es aber immer stärker zu ­einer Vernetzung kommen, gerade wenn Print- und Digitalprodukt aus einer Hand kommen.

Sie haben vorhin eigene Initiativen von ­Mitgliedern angesprochen: Gibt es da konkrete Projekte?
Thomas Kager: Ja, ein sehr innovatives Projekt! Auf Anregung eines Mitglieds schaffen wir derzeit eine Onlineplattform, um einerseits Spendenprojekte zu unterstützen und andererseits Produkte, Dienstleistungen und Gutscheine von Südtiroler Unternehmen zu verkaufen. Viele Menschen wollen Gutes tun, warum nicht beim Einkaufen und Schenken? Andererseits haben Betriebe oft übrige Ware oder ein Hotel hat kurzfristig ein freies Zimmer … dann bleibt meist nur, dies billig anzubieten. Bei halbehalbe.it – so heißt das Portal – wird eben halbe-halbe gemacht: Der Käufer zahlt den vollen Preis, das Unternehmen bekommt die Hälfte, die andere Hälfte geht an einen vom Käufer gewählten gemeinnützigen Verein. Der Käufer bekommt als Anreiz einen steuerlich absetzbaren Spendenbeleg, das Unternehmen Gratismarketing vonseiten der karitativen Organisationen und des Portals, die alle ein Interesse haben, den Käufer aufs Portal zu locken. Halbehalbe.it wird in Bälde online gehen, erste Verträge mit Vereinen und Unternehmen sind bereits geschlossen.


Wie würden Sie sich selber charakterisieren?
Thomas Kager: Ich weiß, was ich will, ohne ­dabei verbissen zu sein. Grundsätzlich optimistisch, mit einer gewissen Gelassenheit ausgestattet, viel­leicht manchmal vorlaut, mitunter undiplomatisch.

Als Führungskraft sind Sie …?
Thomas Kager: Ermöglicher, Unterstützer, ­Moderator. Die klassische Führungsrolle liegt mir nicht. Meine Führungsqualitäten hab ich bei der Jungschar als Gruppenleiter entwickelt (lacht). Als Führungskraft ist man um manche Erfahrung voraus, aber Mitarbeiter haben alle ihre Stärken, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten – und diese wollen sie einbringen. Unsere wöchent­lichen Teamsitzungen sind meist ein Sprudeln von Ideen, konstruktiver Kritik und ­motivierender Begeisterung. Jeder trägt Verantwortung für ­eigene Projekte, holt sich Unterstützung und Rat von anderen, arbeitet auf ein gemeinsames Ziel hin. Als Führungskraft moderiert man, bündelt die Kräfte und übernimmt die Verantwortung für das Gedeihen des Unternehmens.

Haben Sie für unsere Leser einen Buchtipp für die Sommerferien?
Thomas Kager: Jüngst bei Raetia erschienen und äußerst kurzweilig zu lesen: „Ötzis Leibarzt“. Der Journalist Heinrich Schwazer erörtert im Gespräch mit dem Pathologen Eduard Egarter Vigl dessen Forschung rund um Ötzi, Tutanchamun und andere Mumien sowie die spektakulärsten Südtiroler Kriminalfälle.

 

Infos unter www.raiffeisen-nachrichten.it

Zur Person

Thomas Kager, geboren 1974, Studium der Politik- und der Kommunikationswissenschaft in Salzburg und Denver (USA). Erfahrungen in Journalismus und PR, seit 2004 Mitarbeiter der Edition Raetia (Projektbetreuung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit), seit 2012 Programmleiter des Verlags. Gründungsmitglied der Genossenschaft Ex Libris sowie Geschäftsführer und Obmann.