Ausgabe 06/21 -

Wir alle sind Teil des Problems, aber auch der Lösung

Klimaforscher warnen bereits seit Jahrzehnten vor dem Kollaps des Klimas, der allmählich durch extreme Wetterereignisse in unser Bewusstsein dringt. Trotzdem klappt die Schere zwischen Bekenntnissen zum Klimaschutz und dem tatsächlichen Handeln noch weit auseinander, auch hierzulande. Der Klima Club Südtirol will aufrütteln und weiterhelfen.

Foto: Die Gründungsmitglieder des Klima Clubs Südtirol: vorne, v.l.n.r: Johann Czaloun, Thomas Egger, Ulrike Vent, Martin Sulser, hinten, v.l.n.r.: Gerd Huber, Eva Ladurner, Roland Plank 

Herr Egger, welche Ziele hat der Klima Club Südtirol?

Thomas Egger: Südtirol hat seine selbstgesetzten Klimaziele des letzten Jahrzehnts deutlich verfehlt, was viele nicht wissen. Wir haben uns mit Politikern mehrmals über das Thema ausgetauscht und ihnen mit unserem Know-how Unterstützung im Bereich Klimaschutz und Resilienzmaßnahmen angeboten. Ziel ist es, unsere langjährige Erfahrung in den verschiedenen Bereichen einzubringen und mitzuhelfen, konkrete Antworten auf diese existenzielle Herausforderung zu geben.


Welche Aktivitäten sind konkret erfolgt?

Eva Ladurner: Gemeinsam mit dem Klimaforscher Georg Kaser haben wir sämtliche Südtiroler Projekte des sogenannten „Recovery Funds“ in Hinblick auf ihren Einfluss auf die Klimaziele bewertet. Unsere Argumentation ist dabei immer und ausschließlich evidenzbasiert, wir arbeiten bei unseren Analysen mit Zahlen und Fakten. Auch mit dem kürzlich von der Landesregierung veröffentlichten “Entwurf des KlimaPlans Energie – Südtirol 2050 Update 2021” haben wir uns auseinandergesetzt. Unserer Meinung nach ist der Plan unzureichend. Er schließt wichtige Sektoren und Maßnahmen aus und zeigt nicht auf, welchen Einfluss die einzelnen Vorhaben auf die Erreichung der Klimaziele haben. Auch müssten die Daten und Fakten von der Politik besser kommuniziert werden.

Wo besteht dringender Handlungsbedarf im Land?

Thomas Egger: Dringenden Handlungsbedarf gibt es im Bausektor, wo der Sanierung von Immobilien absolute Priorität vor Neubau eingeräumt werden muss. Der Individualverkehr muss reduziert werden, der nicht vermeidbare Individualverkehr sollte auf regenerative Energien wie E-Autos umgestellt werden. Wir brauchen sichere Radwege, auch in der Peripherie. Zudem müssen wir sofort weg von den fossilen Energien wie Erdgas und Heizöl. Auch der Ausbau von regenerativen Energien, wie z. B. Photovoltaik, muss massiv gesteigert werden.

Und wo liegen die Stärken Südtirols?

Eva Ladurner: Wir sind in Südtirol in vielerlei Hinsicht sehr privilegiert, da wir mit Ressourcen reich gesegnet sind, beispielsweise bei der Produktion von erneuerbarer Energie wie Strom aus Wasserkraft und Wärme aus Biomasse. Durch die große Vielfalt an Lebensmitteln, die hier angebaut und produziert werden, haben wir auch beste Voraussetzungen für lokale Kreisläufe in der Lebensmittelversorgung. Als wohlhabendes Land können wir es uns leisten, dringend notwendige Investitionen für die Klimaanpassung zu tätigen, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern.

Funktioniert Klimaschutz nur über Verbote und Gesetze oder sollte die Politik mehr Förderungen und Anreize setzen?

Thomas Egger: Klima- und Umweltschutz setzen nicht zwangsläufig auf Verbote. Durch verschiedene Maßnahmen soll ein klimafreundlicher Weg für (Land)Wirtschaft, Verkehr, Energie usw. aufgezeigt werden. Natürlich braucht es dafür auch klare, verbindliche Regelungen und Rahmenbedingungen. Gerade wenn klimaschutzorientierte Verbote greifen sollen (z.B. Verbot Gasheizungen), muss die Politik auch Alternativen bieten (z.B. Förderung Wärmepumpen). Und ja, die Politik sollte vermehrt auf Förderungen setzen, also Anreize geben, um auf klimaschonende Technologien umzusteigen.


Muss der umweltverträgliche Wandel auch soziale Aspekte berücksichtigen? Beispielsweise treffen Benzinpreiserhöhungen ja vor allem Einkommensschwache und Pendler.

Eva Ladurner: Klimaschutz darf nicht von der Höhe des Einkommens abhängen. Einige Investitionen in nachhaltige Lösungen rechnen sich heute schon, dank massiver öffentlicher Unterstützung (z.B. Steuererleichterungen, Superbonus, E-Autoprämie). Zu den Pendlern: Ein aus der eigenen Steckdose geladenes Elektroauto fährt mit rund 4 Euro 100 km, bei einem Benziner macht die Strecke 10 Euro aus. Die Anschaffungskosten zwischen einem Verbrenner und einem E-Auto nähern sich auch zusehends an.

Können Sie nachvollziehen, wenn der Einzelne sagt: „Was bringt es der Welt, wenn ich auf einen Flug verzichte und derweil große Industrienationen wie China oder Indien die Luft verpesten?“

Thomas Egger: Nein, denn der globale CO2-Ausstoß ist die Summe der Aktivitäten jedes Einzelnen. Ein durchschnittlicher Südtiroler ist für ca. 7,4 t CO2 im Jahr verantwortlich, ein durchschnittlicher Chinese für 6,8 t. Dies, obwohl China der weltweit größte Produzent von Konsumgütern jeglicher Art ist. Es ist allerdings richtig, dass wir durch individuelle Tugendhaftigkeit das Problem nicht lösen können, da allein aus Eigenverantwortung nicht mehr als 10 – 20 % der Bevölkerung mitmachen werden. Deshalb braucht es eine Veränderung der Rahmenbedingungen. Dies können nur Politiker bewirken, sie müssen jetzt schnell handeln.

Wie kann die breite Bevölkerung noch stärker für das Thema sensibilisiert werden?

Eva Ladurner: Das ist eine sehr wichtige Frage, vielleicht die wichtigste von allen! In den letzten Jahren haben wir eine umfassende Kommunikationsstrategie vermisst. Dabei wäre es dringend notwendig, die Menschen verstärkt zu sensibilisieren und zu informieren sowie ausreichende Ressourcen dafür bereitzustellen. Denn der Großteil der Bevölkerung und der Entscheidungsträger weiß nicht wirklich, was durch die Klimakrise in den nächsten Jahren auf uns zukommt.

KLIMA CLUB SÜDTIROL

Der Club wurde im Jänner 2021 von einer Gruppe erfahrener Südtiroler ExpertInnen aus dem Umwelt-, Energie- und Rechtsbereich gegründet. Die Gründungsmitglieder:

 

  • Johann Czaloun, Maschinenbauingenieur, Entwicklungen (Seilbahnwesen/Fotovoltaik);
  • Thomas Egger, langjährige Erfahrung im Energie-, Umwelt- und Prozessmanagement;
  • Gerd Huber, Ingenieur der Umwelt- und Verfahrenstechnik;
  • Eva Ladurner, Biologin mit Schwerpunkt Artenschutz und Biodiversität;
  • Roland Plank, Mikrobiologe, langjährige Erfahrung in der Umwelt- und Energieberatung;
  • Martin Sulser, Ingenieur der Energie- und Umwelttechnik;
  • Ulrike Vent, Rechtsanwältin in Meran