Ausgabe 02/25 -

Warum Pflegevorsorge wichtig ist

In Südtirol sind derzeit rund 17.000 Menschen pflegebedürftig und diese Zahl wird in den kommenden Jahren stark steigen.Pflege bedeutet nicht nur eine große emotionale und zeitliche Herausforderung, sondern kann auch zur finanziellen Belastung werden. Es braucht dringend neue Lösungen.

Die steigende Lebenserwartung ist ein großer Fortschritt, doch mit ihr wächst auch die Zahl der Menschen, die im Alter auf Hilfe angewiesen sind. Sie können alltägliche Dinge wie Essen, Waschen oder Gehen nicht mehr selbstständig bewältigen. Doch nicht nur ältere Menschen sind betroffen – auch ein Unfall oder eine plötzliche Krankheit kann einen jüngeren Menschen von heute auf morgen zum Pflegefall machen.


Ein Schicksal, das viele betrifft

Simon, 56 Jahre alt, lebt getrennt von seiner Frau und kümmert sich allein um seinen Sohn. Seine Mutter Berta, eine rüstige ältere Dame, wohnte bisher selbstständig eine Autostunde entfernt. Doch nach einem Oberschenkelbruch kann sie sich nicht mehr allein versorgen. Plötzlich steht Simon vor einer schwierigen Entscheidung: Er kann sie weder selbst pflegen noch regelmäßig besuchen – sein Vollzeitjob und die Distanz machen es unmöglich. Verzweifelt sucht er nach einer Lösung.

 

Übergangsweise engagiert er eine Pflegehilfskraft („Badante“), die seine Mutter betreut. Doch die Kosten sind hoch: 2.000 Euro im Monat, dazu Unterkunft und Verpflegung. Da Berta nur eine kleine Hinterbliebenenrente erhält, muss Simon die Pflege finanzieren. Schon jetzt ist das eine große Belastung für ihn – und wenn ein Heimplatz nötig wird, steigen die Kosten weiter.

 

Simon ist kein Einzelfall. Viele Menschen stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Die Frage ist nicht, ob Pflege uns betrifft, sondern wann und wie wir uns darauf vorbereiten.

Pflege zu Hause – eine wachsende Herausforderung

In Südtirol werden rund zwei Drittel der pflegebedürftigen Personen von ihren Familien zu Hause betreut, oft mit Unterstützung von Pflegekräften und sozialen Diensten des Landes. Das Land Südtirol fördert die häusliche Pflege durch das Pflegegeld, das einkommens- und vermögensunabhängig gewährt wird und eine wertvolle Hilfe darstellt.

 

Dennoch liegt die Hauptlast bei den Angehörigen, dazu kommen emotionale Betroffenheit und Überlastung. Drei Viertel der Pflegenden sind Frauen, die dafür ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aufgeben. Früher konnten sich Großfamilien die Pflege teilen, doch diese gibt es kaum noch. Immer mehr Menschen leben allein und in vielen Haushalten sind beide Elternteile berufstätig. Auch die Kinder ziehen häufig weg, oft sogar ins Ausland, sodass die Unterstützung aus der Familie schwindet.

 

Und die Zukunft? Die Prognosen sind besorgnis­erregend. Laut der Studie „Altern in Südtirol“, einem Forschungsprojekt der Universitäten Bozen und Innsbruck, wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2035 aufgrund des demografischen Wandels um mehr als 35 Prozent steigen. Es braucht dringend nachhaltige Lösungen, um die Pflege auch in Zukunft zu gewährleisten.


Die Herausforderungen der Unterbringung im Heim

Etwa ein Drittel der Pflegebedürftigen in Südtirol lebt heute in einem der 79 Seniorenheime des Landes. Doch auch hier gibt es dringenden Bedarf: Bis 2035 müssten über 1.700 neue Heimplätze geschaffen werden – das bedeutet jährlich 115 zusätzliche Plätze! Hinzu kommt der akute Mangel an Pflegekräften, weshalb bereits jetzt Betten leer stehen. Das erklärt auch die langen Wartezeiten für einen Heimplatz, die viele pflegebedürftige Menschen in Kauf nehmen müssen.

 

Die Unterbringung in einem Seniorenheim ist teuer, jährlich belaufen sich die Kosten bis auf 65.000 Euro pro Person. Etwa zwei Drittel dieser Summe übernimmt die öffentliche Hand, den Rest müssen die Pflegebedürftigen selbst tragen. Wenn sie das nicht können, sind die Angehörigen gefragt. Die monatlichen Kosten können schnell mehrere tausend Euro betragen.

Neue Lösungen gefragt

Alex Weissensteiner, Rektor und Universitätsprofessor an der Freien Universität Bozen sowie Mitautor der Studie, schlägt verschiedene Ansätze zur Finanzierung der Pflege vor: „Ein steuerfinanziertes System würde die Kosten auf die gesamte Gesellschaft verteilen, während eine Pflegeversicherung eine langfristig planbare Lösung bieten könnte. Auch Eigenbeteiligungen der Betroffenen oder Mischmodelle, bei denen private und öffentliche Mittel kombiniert werden, sind denkbar.“ Weissensteiner betont, dass eine Kombination aus steuerlichen Zuschüssen, sozial gestaffelten Eigenanteilen und einer verpflichtenden oder freiwilligen Pflegeversicherung eine nachhaltige Lösung darstellen könnte. Eine private Pflegeversicherung mit sozialer Staffelung könnte als Ergänzung zur staatlichen Pflegefinanzierung helfen, die finanzielle Last einer möglichen Pflege auf eine Risikogemeinschaft zu verteilen. „Wir müssen unbedingt diejenigen unter- stützen, die sich die Pflege nicht leisten können“, warnt Weissensteiner.


Hilfe durch Technik, aber der menschliche Faktor bleibt unerlässlich

Eine Alternative zum Seniorenheim ist das „Betreute Wohnen“, das den Pflegebedürftigen mehr Selbstständigkeit bietet. Auch neue Technologien, wie Künst-liche Intelligenz und Robotik, können eine wertvolle Unterstützung darstellen. Assistenzroboter, automatisierte Medikamentenausgabe oder digitale Überwachungssysteme zur Sturzprävention sind nur einige Beispiele, wie Technik Pflegekräfte entlasten und gleichzeitig die Sicherheit der Pflegebedürftigen erhöhen kann. „Diese Technologien sind hilfreich, dennoch bleibt der menschliche Faktor unerlässlich, da Pflege nicht nur physische, sondern auch eine emotionale und soziale Komponente hat“, erklärt Weissensteiner. Um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, sind gezielte Ausbildungsprogramme, höhere Löhne, flexiblere Arbeitszeiten, bessere Aufstiegsmöglichkeiten und eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung des Berufs erforderlich.

 

Fazit

Die Menschen werden zunehmend nicht darum herumkommen, selbst vorzusorgen – etwa mit einer Pflegeversicherung. Eine relativ geringe Jahresprämie kann dabei eine lebenslange monatliche Rente im Bedarfsfall sichern. „Aktuell funktioniert das Pflegesystem noch“, sagt Weissensteiner, „aber in 20 Jahren, wenn sich nichts ändert, wird das nicht mehr der Fall sein.“

RAIFFEISEN PFLEGEVERSICHERUNG: „Wie eine lebenslange Rente“

Das Thema Pflege ist in aller Munde, aber doch irgendwie weit weg.

Bis man selbst oder in der Familie davon betroffen ist. Doch es gibt Lösungen.

Über das Thema Pflege wird viel geredet, doch konkrete Maßnahmen bleiben oft aus.

Thomas Gruber: Das erinnert mich an die Zeit, als vielen nicht bewusst war, dass die öffentliche Hand die Rente künftig nicht mehr allein stemmen kann. Schon damals wurde betont, wie wichtig der Aufbau einer privaten Zusatzvorsorge ist. Auch heute übernehmen die Raiffeisenkassen einen wichtigen Förderauftrag, indem sie gezielt für Pflegevorsorge sensibilisieren. Denn jede*r wünscht sich eine würdevolle und bezahlbare Betreuung im Alter.

 

Was kann jede und jeder dafür tun?

Eigenvorsorge ist auch hier das Gebot der Stunde, zum Beispiel durch eine private Pflegeversiche- rung. Wer jährlich eine bestimmte Versicherungsprämie für die Pflege einzahlt, sichert sich im Pflegefall eine lebenslange monatliche Rente. Diese hilft dabei, einen Teil der oft hohen Pflegekosten zu decken. Wer also frühzeitig vorsorgt, kann finanzielle Risiken vermeiden.

Warum ist das Thema so wichtig?

Die Studie „Altern in Südtirol“ zeigt einen stark wachsenden Pflegebedarf. Veränderte Familienstrukturen und Fachkräftemangel verschärfen die Situation. Sowohl die Politik als auch die Bürger*innen müssen sich verstärkt mit dem Thema auseinander­-setzen. Andernfalls droht ein Qualitätsverlust in der Pflege und viele Menschen könnten neben der emotionalen Belastung auch mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen.

 

Was sollte noch bedacht werden?

Wie möchte ich im Alter leben? Will ich meine Familie mit der Pflege belasten? Diese Fragen sind essenziell. Über 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut – meist von Frauen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, weniger verdienen und später auch noch niedrigere Renten erhalten. Pflege ist nicht nur ein Thema für ältere Menschen, sondern betrifft uns alle als Gesellschaft insgesamt, schon allein deshalb, weil auch Jüngere das Risiko haben, durch Krankheit oder Unfall zum Pflegefall zu werden.

Ihr Wunsch?

Jede*r sollte sich frühzeitig mit der eigenen Vorsorge beschäftigen. Denn wenn man selbst pflegebedürftig wird oder ein Pflegefall in der Familie eintritt, ist es oft zu spät. Obwohl das Thema aktuell ist, ist es gefühlt für viele noch weit entfernt. Man weiß um das Pflegegeld des Landes und glaubt sich gut abgesichert. Aber das allein wird nicht reichen.