Vorsorge: Extremwetter & Versicherung
Extremwetterereignisse häufen sich, auch bei uns in Südtirol.Die Folgen sind mehr Schäden und damit Hochbetrieb für Versicherte und Versicherer. Wie kann man sich am besten schützen?
Stürme mit Waldschäden, Schlammlawinen und Erdrutsche in ländlichen Gebieten oder monatelange Dürreperioden hat es immer schon gegben. Aber nicht so häufig und nicht in diesem Ausmaß. „Die Dürre 2022 war die schlimmste in Europa seit 500 Jahren. Im August 2023 war ein Drittel der Landesfläche Sloweniens überschwemmt“, berichtet Klimaforscher Marc Zebisch vom Forschungszentrum Eurac Research in Bozen. „Das sind Größenordnungen, die deutlich über dem liegen, was bisher passiert ist.“ Das Starkregenereignis 2022 in den Marken sollte statistisch nur alle 1.000 Jahre vorkommen.„Diese Dimensionen zeigen uns, dass wir uns eigentlich schon in einem neuen Zustand befinden“, sagt Zebisch.
Extremwetterereignisse nehmen zu
Starkregenereignisse in Mittel- und Nordeuropa nehmen zu, genauso wie Dürren in Mittel- und Südeuropa und Hitzewellen auf dem ganzen Kontinent. Diese Entwicklungen sind statistisch nachweisbar. Was im Großen bereits Realität ist, zeigt sich auch im Kleinen, etwa in Südtirol. „Wir können statistisch belegen, dass Starkregenereignisse in Südtirol zunehmen“, sagt Klimaforscher Zebisch, „ebenso wie Hitzeereignisse.“
Extremregen, Hagel, Überschwemmungen, Muren und andere Unwetterereignisse sind gefährlich und verursachen Schäden, die im besten Fall von einer Versicherung gedeckt sind.
Doch auch an den Versicherern geht die Zunahme an Schadensfällen nicht spurlos vorbei.
Thomas Gruber, Leiter des Bereichs Vertrieb und Verwaltung beim Raiffeisen Versicherungsdienst (RVD), stellt mit Blick in die Zukunft fest: „Im Jahr 2023 hatten wir in Italien Schäden durch Naturereignisse in der Größenordnung von mehreren Milliarden Euro – deutlich mehr als in den Jahren zuvor.“ Er fügt hinzu: „Auch bei uns sind die Schäden beträchtlich. Dauerbrenner sind Sturmschäden, Schäden durch Hagel und Blitz bei Fotovoltaikanlagen sowie durch Hagelschlag zerstörte Hausfassaden.“
Die Versicherungsbranche reagiert
Bis zu einer gewissen Schadenssumme zahlt in der Regel der Versicherer direkt. Größere Summen werden über die Rückversicherer ausbezahlt, das sind große Gesellschaften, bei denen die Versicherungen selbst versichert sind. Bei extremen Schadensereignissen stoßen auch die Rückversicherer an ihre Grenzen. Sie wollen die Prämien für die Versicherungsgesellschaften erhöhen und die Deckung verringern. Müssen die Versicherungen dann irgendwann auch die Prämien für ihre Kunden erhöhen? Noch sei das nicht der Fall, beruhigt Gruber, man müsse aber abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Inzwischen kann jeder Einzelne jedoch eine Menge tun.
Neue Versicherungspflicht für Unternehmen
Auch von staatlicher Seite gibt es Neuigkeiten im Versicherungsbereich. Alle Unternehmen mit Sitz oder Betriebsstätte in Italien sind verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2024 eine Versicherung abzuschließen, die Schäden an Grundstücken, Gebäuden und Sachanlagen durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben, Erdrutsche u.a.m. abdeckt.
Gründe dafür gibt es mehrere. Gruber: „Der Staat hat entschieden, für Schäden in Zusammenhang mit Naturkatastrophen nicht mehr aufzukommen.“ Was bisher vom Staat getragen wurde, müssen nun die Bürgerinnen und Bürger selber zahlen. Ein weiterer Grund ist, dass manche Versicherer und Rückversicherer sich weigern, bestimmte Risiken zu übernehmen. In Gebieten mit einer hohen Gefahrenzone will kein Versicherer die Schäden übernehmen. Bisher gibt es eine Versicherungspflicht nur bei der Autoversicherung, bei der die Versicherungen verpflichtet sind, einen Vertrag mit einem Kunden abzuschließen. Nun soll eine weitere Pflichtversicherung eingeführt werden. „Es wird den ‚Obbligo a contrarre‘ geben, das heißt, die Versicherer müssen die Menschen aufnehmen, sie können nicht sagen, da ist mir das Risiko zu hoch, das versichere ich nicht.“
Bei der Versicherungspflicht wird es um katastrophale Ereignisse gehen, vermutlich Erdbeben, Überschwemmungen und Erdrutsche. „Normale“ Naturereignisse wie Sturm, Blitzschläge, Starkregen oder Hagel werden voraussichtlich nicht enthalten sein. Die genaue Ausgestaltung der Versicherung ist aber noch offen.
Wie geht es weiter?
„Wir sind mittendrin in der Klimaerwärmung, wir können sie nicht aufhalten, nur bremsen“, sagt Zebisch. „Bereits jetzt liegen die Temperaturen 1,2 bis 1,5 °C über dem Durchschnitt. Laut Pariser Klimavertrag sollten wird die Erwärmung eigentlich bei 1,5 °C stoppen, aber selbst im besten Fall, wenn wir alles Mögliche unternehmen, werden wir auf 1,8 bis 1,9 °C kommen. Im Moment steuern wir auf 2,5 °C zu, das wird extrem. Selbst wenn wir die Erwärmung bei 1,5 °C stoppen, werden die Extremwetterereignisse zunehmen.“ Für Südtirol bedeutet das vermehrt Starkregen mit Überflutungen, Rutschungen und Muren, Stürme, Dürren und Hitze – mit all ihren Folgen für Gesundheit, menschliche Siedlungen, Landwirtschaft und Wald. „Wir beobachten mit Staunen, was alles passiert“, bemerkt Zebisch.
Vorsorge treffen
Trotz all dieser Unwägbarkeiten rät Thomas Gruber zur Ruhe: „Informationen einholen und entsprechend handeln ist die Devise.“ Sobald ein Schaden eintritt, sollte man sich an die Raiffeisenkasse wenden, bei der man den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat. Kleinere Schäden können auch online über die Raiffeisen App gemeldet werden. „Wichtig ist, sich so schnell wie möglich zu melden. Einen Wasserschaden zum Beispiel kann man oft noch eindämmen, wenn man schnell reagiert“, sagt Gruber. Er fügt jedoch hinzu: „Es wird nie möglich sein, alles abzusichern und alle Risiken zu vermeiden. Ein Restrisiko bleibt immer bestehen.“
„Gegen Naturereignisse sollte jeder versichert sein“
Versicherungsexperte Thomas Gruber, Leiter des Bereichs Vertrieb und Verwaltung beim Raiffeisen Versicherungsdienst (RVD) erklärt, welche Versicherung sinnvoll ist und was er von der geplanten Versicherungspflicht für Unternehmer*innen hält.
Herr Gruber, gegen welche Risiken sind die Leute zurzeit versichert?
Thomas Gruber: Die Mehrheit ist gegen Sturmschäden, Blitzschlag und Hagel an Gebäuden versichert. Muren, Erdrutsche und Lawinen haben die wenigsten versichert. Gegen Naturkatastrophen wie beispielsweise Erdbeben oder Überschwemmung ist man in Italien selten versichert. Wer Bedarf hat, weil er in einer Gefahrenzone wohnt, tut sich am schwersten, eine Deckung zu bekommen, weil den Versicherungen das Risiko zu groß ist.
Italien plant eine Versicherungspflicht gegen Naturkatastrophen für Unternehmen, die später auf Privatpersonen ausgeweitet werden könnte. Was halten Sie davon?
Bei der Versicherungspflicht geht es um katastrophale Ereignisse, welche die Versicherung als Paket anbieten muss. Positiv ist, dass dann jeder eine Deckung hat, wenn wirklich einmal etwas passiert. Aber es wird auch jener zwangsverpflichtet, der gar kein Risiko hat. Wir müssen abwarten, wie die Pflicht genau aussehen wird und wie hoch die Kosten sind.
Was bedeutet das für Südtirol?
Erdbeben und Überschwemmungen betreffen Südtirol weniger. Hier geht es eher um Sturmschäden, Blitzschläge, Erdrutsche, Lawinen und Hagelschlag, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch bei Autos, Dächern, Fassaden.
Worauf sollten Haus- und Autobesitzer achten? Was braucht es unbedingt und worauf kann man verzichten?
Gegen Naturereignisse sollte jede*r versichert sein. Ich rate zu über- prüfen, was die Polizze abdeckt, am besten direkt in der Raiffeisen- Filiale nachfragen. Dann kann man die Deckungen anpassen. Für Privatpersonen und Unternehmer*innen gilt gleichermaßen: Wohngebäude mit Einrichtung und Fahrzeug sollten versichert sein, ebenso wie Unternehmen mit Betriebssitz und Fuhrpark sowie die Ernte bei den Landwirten.