Ausgabe 01/18 -

„Sich auf Lorbeeren ausruhen, bedeutet Stillstand“

Landesrettungsverein Weisses Kreuz

Möglichst viel Positives im Team zu bewegen, ist ihr Ziel. Dabei strahlt sie Energie und Tatkraft aus, die ansteckend wirken. Barbara Siri, leidenschaftliche Netzwerkerin, über die Freude am Tun und die Herausforderungen in einem Verein, der Menschenleben rettet.

Frau Siri, Sie sind jetzt seit zweieinhalb Jahren Präsidentin des Landesrettungsvereins Weißes Kreuz. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?
Barbara Siri: Ich bin seit über 25 Jahren Freiwillige im Verein. Wie groß und vielfältig die Organisa­tion ist und welche Dimension sie wirklich hat, weiß ich aber erst, seit ich in verschiedenen ­Gremien tätig bin und Ehrenämter bekleide. Meine Erfahrungen sind durchwegs positiv und meine Begeisterung ist mit steigender Verant­wortung gewachsen. Es erfüllt mich mit Stolz, einem der größten Vereine des Landes als Präsidentin ­vorzustehen.

Voraussetzung für das Angebot an professio­nellen und flächendeckend bereitgestellten Dienstleistungen des Weißen Kreuzes ist …
Barbara Siri: Es sind die vielen Freiwilligen, die mit Begeisterung und Motivation ihren Dienst verrichten. Ohne sie könnten wir unsere Dienstleistungen in dieser Form und in diesem Ausmaß nicht anbieten.

Worauf führen Sie die hohe Bereitschaft und Begeisterung der Südtiroler für das Ehrenamt zurück?
Barbara Siri: Die Südtiroler haben das Ehrenamt und den freiwilligen Einsatz wohl von Geburt an im Blut. Unsere Partnerorganisationen im In- und Ausland staunen über den hohen Anteil an frei­willigen Mitarbeitern. Trotzdem ist das Freiwilligen­wesen kein Selbstläufer – wir haben seit 2011 ein Freiwilligenmanagement institutio­nalisiert, welches sich professionell um die ­Gewinnung und den Erhalt von freiwilligen Mit­arbeitern kümmert und die Rahmenbedingungen für den freiwilligen Einsatz optimal gestaltet.

Das Weiße Kreuz genießt einen guten Ruf in der Bevölkerung …
Barbara Siri: Ja, und das freut uns sehr. Wir sind stolz auf die rund 122.000 Fördermitglieder; sie bescheinigen unseren großen Rückhalt in der Südtiroler Bevölkerung. Die Zahl zeigt, dass die Menschen im Land mit unseren Diensten ­zufrieden sind und unserer wichtigen Arbeit eine hohe Wertschätzung entgegenbringen.

Über 126.000 Patienten wurden 2017 mit dem
Krankentransportdienst des Weißen Kreuzes zu Gesundheitsstrukturen begleitet.
Arbeiter des Weissen Kreuz im Einsatz

Stichwort Rettungsdienst 2025: Welche ­Herausforderungen gilt es zu bewältigen?
Barbara Siri: Die größte Herausforderung besteht darin, eine ständige Qualitätsverbesserung der Dienste anzustreben und gleichzeitig eine kosteneffiziente Abwicklung derselben zu garantieren. Synergien gilt es noch weiter zu verbessern, beispielsweise indem wir vor- und nachgelagerte Hilfssysteme noch stärker bündeln, auch mit Partnern. Wir arbeiten daran, die Notfallversorgung sowohl in urbanen als auch in peripheren Gebieten zu stärken und die Rettungskette weiter zu optimieren. Wir müssen aber immer auch auf Großschadensereignisse vorbereitet sein und uns für eventuelle Massenanfälle von Verletzten (MANV) rüsten. Auch die Innovation und der technische Fortschritt sind Herausforderungen; sie greifen in alle Tätigkeitsfelder – von der Kommunikation bis hin zur Patientenversorgung – ein. Beispielsweise wurde unsere Erste-Hilfe-App weltweit über 1 Million Mal heruntergeladen oder wir testen den Drohnen-Einsatz bei Notfällen.

Sie haben sich zu Beginn Ihrer Präsidentschaft die Qualitätsverbesserung aller Dienstleistungen zum Ziele gesetzt …
Barbara Siri: Das Weiße Kreuz hat sich als Non-Profit-Organisation bereits vor Jahren einen sehr hohen Maßstab im Bereich Qualitätsmanagement gesetzt. Dieser Anspruch betrifft dabei sowohl die gesamte Palette der Dienstleistungen, aber auch die interne Organisationsentwicklung und das Management. 2016 konnten wir erstmals die ­Zertifizierung „Management Excellence“ der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS) erlangen und damit als erste Rettungsorganisation in Italien dieses Label führen. Das Qualitätsmanagement ist ein Prozess, der alle Ebenen betrifft, sich auf Dienstleistungen positiv auswirkt und von uns ­kontinuierlich ­weiterentwickelt wird.

Das hängt sicher auch mit der internen und externen Ausbildung zusammen?
Barbara Siri: Ja sicher. Hier hat sich vor allem mein Vorgänger Georg Rammlmair verdient gemacht, der uns immer noch als ehrenamtlicher Sanitätsdirektor zur Seite steht. Wir bilden ­jährlich über 10.000 Südtiroler und Südtiroler­innen über unsere externen Kurse in Erste Hilfe aus, dazu kommen noch unsere ­Mitarbeiter, denen wir eine fundierte Ausbildung zum Rettungssanitäter ermöglichen. Der Standard unserer Ausbildung ist hoch, dies bestätigen uns immer wieder die guten Platzierungen bei nationalen und interna­tionalen Leistungswett­bewerben. Dies gilt sowohl für freiwillige als auch für hauptamtliche Mitar­beiter, welche dieselbe Ausbildung durchlaufen.


Wie bewältigen Sie persönlich den Spagat ­zwischen Ehrenamt, Beruf und Familie?
Barbara Siri: Alles eine Frage der guten Organi­sation (lacht). Ich habe einen toleranten und flexiblen Arbeitgeber, im Weißen Kreuz sind die Direktion und ein gutes Team meine wichtigen Stützen. Den größten Rückhalt erfahre ich in ­meiner Familie und bei meinen Freunden, die hinter mir und meiner Arbeit stehen.

Wie würden Sie Ihre Führungsarbeit beschreiben?
Barbara Siri: Durch meine langjährige Tätigkeit im Weißen Kreuz habe ich mir einen breiten Erfahrungsschatz angeeignet. Trotzdem sehe ich mich nach wie vor in einem Lernprozess. Führungs­arbeit bedeutet für mich, Leitlinien vorzugeben, die Ziele vor Augen zu haben und konsequent zu verfolgen. Sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, bedeutet Stillstand. Veränderungen sehe ich als eine Chance, die es aktiv anzugehen gilt. Ich denke positiv und bin offen und lösungsorientiert. Was ich gar nicht mag, sind negativ eingestellte Menschen, die ständig kritisieren, ohne selbst eine Lösung vorzuschlagen.

Was macht Ihnen Freude bei Ihrer Tätigkeit, und womit haben auch Sie zu kämpfen?
Barbara Siri: Freude macht mir vor allem, dass ich viel bewegen kann und ständig mit vielen Menschen in Kontakt bin. Zu kämpfen habe ich manchmal mit dem Zeitmanagement; es ist immer wieder eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber ich bin der Meinung: ausruhen kann ich mich mit 90 Jahren, jetzt will ich so viel Positives wie möglich bewirken. Das Weiße Kreuz gibt mir die Gelegenheit dazu (lacht).

ZAHLEN ZUM WEISSEN KREUZ (Stand 31.12.2017):

  • 33 Sektionen
  • 121.431 Fördermitglieder
  • 380 hauptamtlich Angestellte
  • 3.337 Freiwillige
  • 1.000 Jugendliche, organisiert in Jugendgruppen
  • 54.000 Rettungseinsätze (2017)
  • 126.000 Krankentransporte (2017)
  • 40 Rettungstransportwagen
  • 155 Krankentransportwagen
  • 9 Notarztfahrzeuge

 


Zur Person

Barbara Siri, Jahrgang 1971, ist seit 6. Juni 2015 Präsidentin des Landesrettungsvereins Weißes Kreuz. Sie stammt aus Brixen, wohnt in Natz-Schabs, ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie ist ausgebildete Masseurin und nach mehreren Ausbildungen im Sportbereich als Fitnesstrainerin tätig. Seit 1993 ist Siri als freiwillige Helferin beim Weißen Kreuz tätig und hat dort maßgeblich die Notfallseelsorge und die Jugendarbeit aufgebaut. 2008 wurde sie in den Vorstand gewählt, wo sie zur Vize-Präsidentin und 2015 zur Präsidentin des WK gewählt wurde. 2014 schloss sie den Lehrgang Verbandsmanagement an der Universität Fribourg, Schweiz, ab.