Ausgabe 03/24 -

Selbst ist die Frau

Frauen verstehen nichts von Finanzen und haben keinen Plan von ihrer Pension? Von wegen! Die moderne Frau kümmert sich um ihre finanzielle Unabhängigkeit.

Was Frau heute tut, hat Auswirkungen auf ihr Morgen. Auch wenn sie sich dessen oft nicht bewusst ist. Häufig wählen Frauen schlecht bezahlte Berufe, wie zum Beispiel in der Pflege oder im Handel – reich wird man damit nicht. Selbst wenn Frauen denselben Beruf wie Männer ausüben, verdienen sie durchschnittlich immer noch

17 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Die Ursachen für die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern, auch bekannt als „Gender Pay Gap“, sind vielfältig: Nach der Familiengründung arbeiten viele Frauen in Teilzeit. Aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten muss ein Elternteil zurückstecken, und das ist meist die Frau. Zudem übernehmen Frauen einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit, indem sie sich um den Haushalt und die Pflege von Angehörigen kümmern. Und hier sind wir bei der Zukunft: Frauen, die heute weniger verdienen, zahlen auch weniger in die staatliche Rentenkasse ein und erhalten daher später eine niedrigere Rente. Laut einer aktuellen Statistik des staatlichen Vorsorgeinstituts INPS erhalten Frauen im Durchschnitt nur halb so hohe Altersrenten wie Männer.


Geld – ein Männerthema?

Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt, dass Frauen im Allgemeinen weniger Finanzwissen haben als Männer und überraschenderweise ihre Kenntnisse in diesem Bereich oft unterschätzen. Dadurch vernachlässigen viele Frauen den Vermögensaufbau und überlassen das Thema Vorsorge dem Mann.

 

Doch lassen sich diese Erkenntnisse in die Praxis übertragen? Markus Gruber, Privatkundenberater bei der Raiffeisenkasse Meran, hat andere Erfahrungen gemacht. Zwar kommen immer noch mehr Männer zu ihm in die Beratung, aber viele Frauen erkennen zunehmend die Bedeutung der finanziellen Unabhängigkeit, sind interessiert und informieren sich (siehe Interview). „Ich betreue seit vielen Jahren viele Frauen, die problemlos alleine zurechtkommen. Sie sind entschlossen und wissen: Ein Partner ist keine Altersvorsorge“, sagt Gruber.

 

Auch Alexander Oberkofler vom Sozialen Beratungsring SBR des ASGB teilt ähnliche Erfahrungen. „Junge Frauen kommen meist allein und kümmern sich selbstbewusst um ihre Finanzen“, berichtet er. Viele von ihnen sind unverheiratet oder leben getrennt und haben kleine Kinder. „Ich muss auf mich selber schauen“, sagen sie, „weil mein Partner es nicht oder nicht mehr tut.“ Oberkofler zufolge sind Frauen beim Thema Vorsorge sogar sensibler als Männer, Männer würden weniger an die Zukunft denken.

Zusatzrente – ein Muss

Was viele wissen, aber oft verdrängen: Die gesetzliche Rente wird zukünftig nicht mehr 100 Prozent des letzten Gehalts abdecken. Oberkofler und Gruber sind sich einig, dass eine private Zusatzrente das beste Mittel ist, um Vorsorgelücken zu schließen. Beim Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbund ASGB dürfen die Berater zwar keine spezifischen Rentenfonds empfehlen, sie erklären jedoch grundsätzlich, wie das System funktioniert. „Eine Frau muss das Werkzeug in die Hand bekommen, um gute Entscheidungen treffen zu können“, sagt Oberkofler.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Vorsorge. Markus Gruber betont, dass es nicht immer die Einzahlung in einen Pensionsfonds sein muss. Für jüngere Sparerinnen könnte beispielsweise auch ein Fondssparplan mit einem hohen Aktienanteil interessant sein. Zusätzlich stehen Kapital-Lebensversicherungen, Investmentfonds und ETFs (börsen-gehandelte Indexfonds) für jede Risikoneigung zur Verfügung, und Frauen können auch Studienjahre oder unversicherte Zeiten nachkaufen, um den Zeitpunkt des Renteneintritts und die Rentenhöhe zu verbessern.

 

Auch der Partner kann – besser gesagt, sollte sogar – steuerbegünstigt in einen Zusatzrentenfonds für die Frau einzahlen. „Vermögensaufbau erfordert keinen riesigen Aufwand“, betont Gruber. „Einmal strukturiert vorgehen und einen halben Tag zu investieren, reicht aus. Danach genügen regelmäßige jährliche Überprüfungen für eventuelle Anpassungen, denn das Leben verändert sich.“


Die richtige Versicherung

Auch der passende Risikoschutz ist für Frauen und Mütter ein wichtiges Thema. Aufgrund von Unterbrechungen im Berufsleben oder Teilzeit- und Nebenjobs haben Frauen oft weniger durchgängige Versicherungszeiten. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die künftige Rentensituation aus, sondern auch auf staatliche Absicherungsmaßnahmen. Zum Beispiel sind Hausfrauen, Arbeitslose oder Studentinnen von der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen, da diese nur Berufstätige am Arbeitsplatz und auf dem Weg dorthin versichert. Die Rentenauszahlung bei einer Invalidität ab 11 Prozent wird aufgrund der Einkommenshöhe festgelegt, was bei geringem Einkommen zu einer Mini-Rente führt.

 

„Besonders über die großen Lebensrisiken muss nachgedacht werden“, unterstreicht Markus Pretto, Finanzerzieher im Raiffeisen Versicherungsdienst. Eine Hinterbliebenenrente steht der verwitweten Frau nur zu, wenn sie verheiratet war.

Das gilt auch für die Erbberechtigung. „Oft ist das Thema nicht bekannt oder wird zu leichtfertig behandelt“, sagt Pretto. Es ist wichtig, eigenverantwortlich zu handeln und sich insbesondere dann abzusichern, wenn es um den Schutz der eigenen Existenz oder jener der Kinder geht.

 

Geld sollte kein Tabu-Thema sein

Obwohl sich die traditionellen Rollenbilder von Männern und Frauen nur langsam verändern, treten immer mehr Frauen für ihre finanzielle Gleichberechtigung ein. Es ist wichtig, dass Frauen offen über Geld und Absicherung sprechen, sowohl innerhalb ihrer Familie als auch in Partnerschaften. Entscheidend ist, dass sich Frauen frühzeitig informieren und professionell beraten lassen. Ein gesunder Egoismus und die Bereitschaft, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, spielen dabei eine zentrale Rolle. Der Besuch bei einem Raiffeisen-Berater ist empfehlenswert und lohnt sich in jedem Fall.

ANLAGE & VORSORGE: DIE WEIBLICHE PERSPEKTIVE: „Je früher, desto besser“

Kundenberater Markus Gruber empfiehlt, sich rechtzeitig mit der eigenen Rente zu befassen und beobachtet, dass Frauen dabei immer selbstbewusster werden.

 

Herr Gruber, wie sorgt Frau am besten vor?

Markus Gruber: Indem sie sich so früh wie möglich um ihre Vorsorge und Absicherung kümmert. Wichtig ist die individuelle Beratung, da jeder Fall unterschiedlich ist und von Anlagehorizont, Risikoneigung und der Lebensphase abhängt.

Stimmt es, dass Frauen sich weniger um ihre Finanzen kümmern?

Es fällt schon auf, dass sich mehrheitlich Männer um Geldanlagen kümmern. Noch! Denn die Frauen holen stark auf. Ich habe den Eindruck, dass besonders in der Zeit der Corona-Pandemie, wo alle zuhause waren, die Altersvorsorge bei vielen Frauen und Familien zum Thema geworden ist. Mittlerweile kommen viele Frauen allein, um sich zu informieren. Sie trauen sich mehr auf sich selbst zu schauen und sind mit den Ergebnissen sehr zufrieden.

 

Sind Frauen risikoscheuer?

Das kann ich nicht bestätigen. Es gibt vorsichtige Männer und risikofreudige Frauen. Auch in Bezug auf nachhaltige Geldanlagen gibt es Frauen, die das nicht interessiert und Männer, die sich bewusst dafür entscheiden.

Also besteht kein Unterschied mehr?

Doch, tendenziell haben Frauen ein geringeres Einkommen und somit weniger Kapital zur Verfügung. Dem kann man entgegenwirken, indem man frühzeitig mit dem Aufbau von Rücklagen beginnt. Selbst kleine monatliche Beträge können zu beträchtlichen Summen anwachsen.

 

Was ist der größte Fehler?

Die „Aufschieberitis“. Bei der Geldanlage wird der Zeitfaktor bzw. der Anlagehorizont oft unterschätzt. Frauen sollten sich deshalb so früh wie möglich informieren und aktiv werden. Mit den aufgebauten Reserven können sie ihr (späteres) Leben unabhängiger, zufriedener und sicherer gestalten.


Rentenbeispiele

Fall 1: die Typische

  • Vollzeit, Sekretärin, seit Geburt der Kinder Teilzeit 70 Prozent / 28 Wochenstunden Berufstätig seit 1992 (gemischtes System)
  • Kinder
  • Altersrente mit 64 Jahren und 6 Monaten

 

Nettorente: 1.820 Euro

Entspricht 70 Prozent des letzten Gehalts

Fall 2: die Ausnahme

  • Vollzeit, Bankangestellte Berufstätig seit 1999 (Beitragsbezogenes System)
  • Keine Kinder
  • Altersrente mit 62 Jahren

 

Nettorente: 2.083 Euro

Entspricht 67 Prozent des letzten Gehalts

Fall 3: die Prekäre

  • Vollzeit, aber saisonbedingte Unterbrechungen Berufstätig seit 1992 (gemischtes System) 4 Jahre Unterbrechung für die Kinder, danach im Handwerksbetrieb des Ehemanns beschäftigt
  • Kinder
  • Altersrente mit 68 Jahren und 3 Monaten

 

Nettorente: nur 760 Euro! Gefahr von Altersarmut droht

Entspricht 60 Prozent des letzten Gehalts