Ausgabe 03/25 -

Rational investieren in unsicheren Zeiten

Seit Wochen geht es an den Börsen drunter und drüber, Kurse brechen ein oder gehen steil nach oben. Vertraute Sicherheiten geraten ins Wanken. Doch was bedeutet das für Anleger*innen? Finanzexperte Martin von Malfèr rät zur Ruhe und blickt trotz aller Herausforderungen optimistisch in die Zukunft.

Die Zeiten sind zweifellos turbulent – als hätten die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg nicht schon genug Unsicherheit gebracht. Doch die globale Lage spitzt sich weiter zu: „Die Weltordnung, wie wir sie in den vergangenen 80 Jahren kannten, neigt sich dem Ende zu“, warnt Martin von Malfèr, Finanzexperte bei der Raiffeisen Landesbank.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieben die USA als einzige Hegemonialmacht zurück. Heute aber stehen sie mit China einem ernsthaften wirtschaftlichen und militärischen Konkurrenten gegenüber. „China baut weltweit Allianzen und setzt die USA unter Druck“, so von Malfèr. US-Präsident Donald Trump reagiert darauf mit drastischen Maßnahmen: „Er hofft, mit Zöllen die Wirtschaft zu schützen, aber das wird nach hinten losgehen“, warnt der Experte. Die Zölle würden vor allem die Amerikaner selbst treffen, denn am Ende zahle immer der Konsument – besonders dann, wenn es keine inländischen Alternativen zu Importwaren gebe.

„Trump ist wirtschaftlich überfordert, seine Absichten bleiben unklar“, resümiert der Finanzfachmann. Besonders belastend für Unternehmen sei die Unberechenbarkeit der US-Politik. „Unternehmen müssen langfristig planen können. Niemand investiert, wenn unklar ist, was morgen gilt.“ Hier sieht von Malfèr einen Lichtblick für Europa. Auch wenn hierzulande oft geklagt werde – Stichwort überbordende Bürokratie – biete das europäische System einen wichtigen Pluspunkt: Verlässlichkeit. Man könne sich mit genügend Vorlaufzeit auf neue Regelungen einstellen.


Handelskonflikte als Chance für Europa?

Könnten die Zölle zwischen den USA und dem Rest der Welt Europa sogar nutzen? „Europa hat hochwertige Produkte – sonst hätten die Amerikaner sie nicht gekauft,“ meint Malfèr. Die Herausforderung liege nun darin, neue Absatzmärkte für den Exportüberschuss zu finden. Großbritannien, Indien oder potenziell Lateinamerika und Afrika kämen infrage – der russische Markt bleibe verschlossen. Gleichzeitig würden Unternehmen vermehrt in Europa verkaufen, was zu sinkenden Preisen führen könne. Die Gefahr eines Handelskriegs sei zwar nicht gebannt, „aber Europa kann ihn wegen seiner weltoffenen Haltung besser durchstehen. Den Verlust des wichtigsten Marktes werde man dennoch spüren.“ Die EU-Infrastrukturprogramme sieht er als wichtigen Impuls, auch wenn sie kreditfinanziert sind: „Sparpolitik hat noch nie Wachstum geschaffen.“

 

Wohin mit dem Geld?

Kleinanleger*innen, die bereits investiert sind, rät von Malfèr zur Ruhe: „Börsenphasen mit Rückgängen gab es immer wieder. Auf ein schlechtes Jahr folgt meist ein gutes, und Trump wird nicht ewig da sein.“ Verluste würde man ohnehin nur machen, wenn man jetzt aussteigt.

Voraussetzung dafür ist, dass man nur Geld investiert hat, das nicht kurzfristig benötigt wird. „Man sollte immer langfristig denken, einen Notgroschen auf dem Konto lassen und nur Geld investieren, das man übrig hat!“ Wer neu einsteigen möchte, sollte auf den richtigen Zeitpunkt achten – was derzeit alles andere als einfach ist. „Den Tiefpunkt des Marktes zu treffen, ist extrem schwer, besonders bei einem so unberechenbaren Präsidenten“, sagt von Malfèr. Sektoren, bei denen man sich dank des Konjunkturpaketes in nächster Zeit einen Aufschwung erwarten kann, sind laut von Malfèr die Rüstungsindustrie und der Tiefbau. „Lebensmittel sind grundsätzlich ein stabiler Sektor, hier kann man selten viel falsch machen“, sagt der Finanzexperte.

Besonders empfehlenswert seien Unternehmen, die breit aufgestellt sind, da sie weniger anfällig für Schwankungen sind. Auch Technologiewerte bleiben interessant – mit Einschränkungen: „Man muss die geopolitischen Risiken berücksichtigen, und gerade im Bereich Künstliche Intelligenz braucht es Geduld, da echte Gewinne wohl erst in einigen Jahren zu erwarten sind.“ Zurückhaltender ist von Malfèr beim Automobilsektor: Hier sei die Lage momentan zu unsicher für klare Empfehlungen.


Gold, Immobilien, Staatsanleihen, Pensionsfonds – mit Bedacht investieren

Bei alternativen Anlageformen rät von Malfèr zur Vorsicht. „Gold wird oft als sicherer Anker in Krisenzeiten gesehen, aber Gold schafft keinen Mehrwert, es wirft keine Zinsen ab. Physisches Gold ist zudem teuer: Lieferung, Lagerung und Versicherung kosten.“ Es sei aber gut möglich, dass der Aufwärtstrend bei Gold noch etwas anhält, da der US-Dollar als Weltreservewährung derzeit an Attraktivität verliert und Zentral­banken auf der Suche nach alternativen Veranlagungen sind. Eine mögliche Alternative seien börsengehandelte Rohstoffpapiere (ETCs), doch auch hier warnt er: „Diese werden in Dollar gehandelt – damit trägt man ein Wechselkursrisiko. Für Privat­anleger*innen gilt daher: besser die Finger davon lassen.“ Auch bei Immobilien kann viel schiefgehen. Eine Erstwohnung könne eine sinnvolle Investition sein, aber „schon die Zweitwohnung, die ich vermiete, ist ein Risiko. Was, wenn der Mieter nicht zahlt?“

Wenn viel Liquidität vorhanden ist und die Nachfrage nach Immobilien steigt, gehen auch die Preise nach oben. Zudem seien Immobilien schwerfällig im Handel und ihr Wert basiere auf Schätzungen. Wer dennoch investieren möchte, könne Immobilienfonds als flexiblere Alternative in Betracht ziehen. Staatsanleihen hält Malfèr nur in begrenztem Umfang für sinnvoll: „Man sollte sich nie länger als fünf Jahre binden.“ Bei Pensionsfonds hingegen sieht er keinen Grund zur Sorge: „Sie verfolgen ihre eigene, langfristige Strategie. Wenn ich in 20 Jahren in Rente gehe, werden wir über Trump lachen – so wie wir heute über Lehman Brothers lachen.“ Versicherungsanlageprodukte wie aufwertbare Lebensversicherungen zählen zu den risikoarmen Anlageprodukten und eignen sind besonders für die Altersvorsorge

Für Martin von Malfèr steht fest: „Langfristig bleiben Aktien die beste Option – früher oder später geht es an den Märkten wieder aufwärts.“ Denn die Entwicklung der Börsen hängt vor allem von zwei Faktoren ab: Stimmung und Liquidität. „Und Liquidität ist vorhanden. Große Player wie Banken, Fonds und Hedgefonds haben zwar Geld aus dem Markt gezogen, aber sie werden es wieder investieren – sie warten nur auf den richtigen Moment“, erklärt von Malfèr. Etwas mehr Vorsicht sei bei globalen ETFs geboten, da diese häufig stark in US-Unternehmen investiert sind – und damit anfällig für politische Schwankungen. Sein wichtigster Rat zum Schluss: „Ruhe bewahren, keine hektischen Anpassungen oder Panikverkäufe vornehmen.“ Denn eines habe sich in der Geschichte immer gezeigt: Selbst nach den schwersten Krisen haben sich die Finanzmärkte immer wieder erholt, meist schneller als erwartet.


Die wichtigsten Tipps für Anleger*innen:

Ruhig bleiben und langfristig denken

Panikverkäufe führen oft zu unnötigen Verlusten. Wer investiert bleibt, profitiert langfristig – denn auch nach schweren Krisen haben sich die Märkte meist rasch wieder erholt.

Nur mit freiem Kapital investieren

Investiert werden sollte nur Geld, das in den nächsten Jahren nicht benötigt wird. Ein finanzielles Polster auf dem Konto gibt Sicherheit und schützt vor Liquiditätsengpässen.

Breit streuen statt auf Einzelwerte setzen

Eine breite Streuung über verschiedene Branchen, Länder und Anlageklassen hinweg senkt das Risiko und erhöht die Stabilität des Portfolios.

Kritisch bleiben bei Hypes und Trends

Innovative Themen wie KI oder Elektromobilität bieten Chancen, sind aber auch volatil. Wer hier investiert, braucht Geduld und sollte das Risiko realistisch einschätzen.

Sachwerte mit Augenmaß wählen

Gold, Immobilien oder Anleihen gelten als sichere Häfen, haben aber ihre Tücken. Entscheidend sind Kenntnisse über Kosten, Liquidität und Werthaltigkeit.

Regelmäßige Überprüfung des Depots

Einmal im Jahr sollte die ursprünglich festgelegte Vermögensaufteilung geprüft und gegebenenfalls angepasst werden – je nach Marktlage und Lebenssituation.

Kontinuierlich ansparen

Den perfekten Einstiegszeitpunkt gibt es kaum. Mit Fondssparplänen investiert man regelmäßig kleinere Beträge und gleicht so Kursschwankungen aus.

Genossenschaftliche Beratung nutzen

Eine ganzheitliche Strategie umfasst nicht nur die Geldanlage, sondern auch Themen wie Absicherung, Pensions- und Pflegevorsorge sowie eine durchdachte Nachlassplanung. Vereinbaren Sie ein Gespräch mit Ihrer/m Raiffeisen-Berater*in.