Raffael Kostner, einer von 60.000
Wenn im April die Raiffeisenkassen zu ihren Mitgliederversammlungen laden, sind südtirolweit über 60.000 „Anteilseigner“ aufgerufen, über die Entwicklung ihrer Raiffeisenkasse mitzubestimmen. Eine besondere Form der direkten Mitbestimmung, die seit 125 Jahren zu den Wesensmerkmalen der Raiffeisenkassen gehört.
Die Raiffeisenkassen Südtirols haben nicht nur Kunden, sondern vor allem auch Mitglieder. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal unterscheiden sie sich als Genossenschaftsbanken von den meisten anderen Banken. Und die sind keine Karteileichen: Mitglieder beeinflussen ihre Bank. Sie wählen Verwaltungs- und Aufsichtsrat, genehmigen die Bilanzen und bestimmen so die Richtung, in die sich die Kasse entwickeln soll. Mitglieder haben die Genossenschaftsbank einst, vor 125 Jahren, gegründet und aufgebaut und sind auch heute noch ihre Stütze. „Der Erfolg der Raiffeisenkassen beruht nicht in erster Linie auf ihrer ökonomischen Schlagkraft“, sagt Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes, „sondern der Erfolg liegt in der Stärke aus der Gemeinschaft, der Nähe zu den Mitgliedern und Kunden, gepaart mit Verlässlichkeit und Kompetenz und einer zeitgemäßen Form der Mitbestimmung und Mitverantwortung.”
Seit 40 Jahren Mitglied
Mitglied kann werden, wer im Tätigkeitsgebiet der Raiffeisenkasse lebt oder arbeitet, einen guten Ruf genießt und dauerhaft mit der Raiffeisenkasse zusammenarbeitet. So wie Raffael Kostner. Er ist seit den 1970er-Jahren Mitglied der Raiffeisenkasse Kastelruth – St. Ulrich. „Weil ich einen Zusammenhalt herstellen will. Die Bank ist ein Geschäftspartner, zu dem man ein gutes Verhältnis haben sollte“, sagt er. Kostner ist Hüttenwirt auf der Seiser Alm, er führt dort die Sanon-Hütte, und Mitbegründer des Aiut Alpin Dolomites. Kostners Schwaige auf der Piz-Seite stammt aus der Zeit Maria Theresias, was man am sonnengegerbten, steinharten Holz selbst fühlen kann. Früher wurde sie als Almhütte genutzt und gehörte zu einem Hof in Pufels. Im Sommer wurde hier Heu eingelagert und im Winter ins Tal gebracht. 1968 bekam seine Familie die Gelegenheit, die Hütte zu kaufen, und schlug zu. Damals hatte die Familie bei den Banken keinen Kredit und das Geld musste privat geliehen werden. Und da Kostner, damals 16 Jahre alt, ohnehin wenig Lust auf Schule hatte, war er von Anfang an dabei. „Bald kamen ein paar Gäste vorbei und fragten, ob wir nichts zu essen hätten“, erzählt Kostner. Hatte man nicht. Aber die Kostners gingen sofort einkaufen, am nächsten Tag kamen die Gäste wieder und wurden bewirtet. „Und sie kommen heute noch“, sagt er. Dann kam die Mutter als Köchin auf die Alm, auch Brüder und Schwestern halfen fleißig mit, und langsam kamen auch immer mehr Gäste. 1976 heiratete Kostner seine Frau Magdalena, „eine geborene Wirtin“, wie er nicht ohne Stolz verkündet, die seine Mutter als Köchin langsam ablöste. Heute können zwei Familien vom Betrieb leben. Kostner lebt ganzjährig mit seiner Frau auf der Alm. Zwei seiner vier Kinder, die zwei Buben, arbeiten im Betrieb mit, zu dem auch gut 20 Rinder gehören.
Urgestein des Aiut Alpin Dolomites
Raffael Kostner ist nicht nur Hüttenwirt, sondern auch Mitbegründer des Aiut Alpin Dolomites. Die Geschichte des Aiut Alpin begann 1987, 1990 gründeten einige Bergrettungsmannschaften aus dem Dolomitengebiet den Verein, heute sind es 17. Am Anfang mietete man die Flugmaschinen. Jahre später kaufte der Verein einen Hubschrauber – dank eines Darlehens mehrerer Raiffeisenkassen der Gegend. Vor wenigen Tagen ging der neue Hubschrauber in Betrieb, der auch dem Verein gehört. Mit mehr Leistung, um nicht immer am Limit fliegen zu müssen, mit besserer und sicherer Winde und mehr Platz für Retter und Gerettete. Raffael Kostner ist seit 1967 bei der Bergrettung Gröden, später wurde er auch Mitglied der Catores, den berühmten Grödner Bergführern und -rettern. Er leitete 14 Jahre lang den Grödner Bergrettungsdienst und ist seit 1987 Technischer Leiter des Aiut Alpin Dolomites. Und Raffael Kostner ist auch eines von über 60.000 Raiffeisenmitgliedern, so wie etwa jeder achte Einwohner Südtirols. Das hat einen einfachen Grund, sagt Michael Obrist von der Rechtsabteilung des Raiffeisenverbandes (siehe auch nebenstehendes Interview): „Die Raiffeisenkassen sind Lokalbanken, die Kredite dort vergeben, wo sie tätig sind. Die Mitglieder wissen, wo das Geld hingeht. Wenn ich einen Kredit beantrage, habe ich direkten Kontakt zu den Verwaltern, auch zum Direktor. Bei welcher anderen Bank bekomme ich den jemals zu Gesicht?“
Investitionen dank Raiffeisen
4,75 Millionen Euro (+ MwSt.) kostet der neue „Airbus Helicopter EC 135 T3“. Eine enorme finanzielle Herausforderung für den Verein. Die Flugminute kosten den Aiut Alpin Dolomites 83 Euro, darin enthalten sind Kosten für den Betrieb des Helikopters und der Basis, Ärzte, Piloten, Treibstoff und Wartung. Über eine Konvention mit dem Sanitätsbetrieb des Landes zahlt dieser einen Teil. Den Rest finanziert der Verein selbst, auch über die Raiffeisenkassen: Raiffeisen war in der schwierigen Anfangsphase der erster Sponsor von Aiut Alpin und ist es bis heute. „Die Zusammenarbeit ist nicht nur wegen des Geldes wertvoll“, sagt Kostner, „sondern auch moralisch. So sah das Land damals, als wir noch als unlautere Konkurrenz galten, dass wir Unterstützung von einer bedeutenden Institution bekommen.“
Solidargemeinschaft der Mitglieder
Bei den Raiffeisenkassen kommen Menschen mit ähnlichen wirtschaftlichen Interessen in einer Solidargemeinschaft zusammen. Die Stimme jedes Mitglieds zählt gleich viel, unabhängig vom Vermögen. „Raiffeisen steht für die Gewissheit, dass wir das soziale und kulturelle Wohlergehen der örtlichen Gemeinschaft im Auge haben“, sagt Generaldirektor Gasser. „In unseren Darlehenskassenvereinen ist das Geld nicht Zweck, sondern Mittel zum Zweck, und der Zweck besteht darin, die Verhältnisse der Mitglieder in jeder Beziehung zu verbessern“, sagte der deutsche Sozialreformer und Genossenschaftsgründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 – 1888). Das sieht auch Kostner so: „Früher hatte man noch mehr Vorteile, etwa bei den Zinsen“, sagt er. Heute mache das keinen Unterschied mehr, auch wegen der allgemein niedrigen Zinsen. „Aber es geht darum, in der Bank mitzubestimmen, damit die Bank ein fairer Geschäftspartner bleibt.“