Leistbares Wohnen – zwischen Wunsch und Realität
Trotz steigender Preise ist das Interesse an Wohneigentum in Südtirol ungebrochen hoch. Dabei rückt das Thema leistbares Wohnen immer stärker in den Blickpunkt.
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Ein Mann, 35 Jahre alt, Single, ein gutes Einkommen. Bezahlt regelmäßig seine Miete, hat alle nötigen Vorsorge- und Versicherungsverträge abgeschlossen und noch dazu 150.000 Euro Kapital angespart. Beste Voraussetzungen, um eine Wohnung zu kaufen. Sollte man meinen. Denn die Wohnung, die sich unser Fallbeispiel ausgesucht hatte, ist trotzdem nicht finanzierbar. „Wir mussten ihm leider vom Kauf abraten“, sagt Günther Pichler, Koordinator der Abteilung Bauen & Wohnen der Raiffeisenkasse Bruneck. „Er hatte keine Sonderansprüche und die Wohnung war mit 80 Quadratmetern auch nicht besonders groß, aber in der gewählten Lage nicht leistbar“, erklärt Pichler. „Das ist bedenklich.“
Südtirol ist ein teures Pflaster
Ein Paar würde es schaffen, einen Betrag von 300.000 Euro in 25 Jahren zu tilgen. „Aber wenn ich schaue, was 90 bis 100 Quadratmetern bei uns zurzeit kosten, dann brauche ich mindestens noch mal den gleichen Betrag. 300.000 Euro Eigenkapital sind kaum aufzubringen.“ Auch hier lautet die Antwort aus der Kreditabteilung: Leider nein. Günther Pichler könnte noch viele solcher Beispiele aufzählen. Aber schon hier sieht man eindrücklich, dass der Traum vom Eigenheim sehr oft ein Traum bleibt. In der Realität geht die Rechnung für immer mehr Menschen einfach nicht auf.
Wohnen für junge Menschen kaum mehr leistbar
Auch beim Südtiroler Jugendring (SJR), der Dachorganisation der Kinder- und Jugendorganisationen Südtirols, kennt man solche Beispiele. Die Vorsitzende Tanja Rainer vertritt 58.000 Mitglieder aus 16 SJR-Mitgliedsorganisationen, vom VKE über die Bauernjugend bis zur Jungschar, und kritisiert neben den hohen Kosten auch das ihrer Meinung nach ungerechte System der Mindestpunkte für eine Wohnbauförderung, die kein junger Mensch ohne Kinder zusammenbekomme. „Die Lebenshaltungskosten sowie die Haus- und Mietpreise sind so enorm angestiegen, dass kein junger Mensch sich das leisten kann, außer er bekommt ein Haus oder einen großen Sack Geld von den Eltern geschenkt“, sagt Rainer.
Die aktuellen Entwicklungen machen Bauen ebenfalls nicht billiger. Hohe Baustoffpreise, steigende Energiekosten, eine unsichere Weltlage durch Pandemie und Krieg, all das treibt die Preise nach oben und die Lieferzeiten in die Länge. Ein weiterer Preistreiber sind Immobilien als Investment. Wohnungen sind eine beliebte Geldanlage, besonders jetzt aufgrund der hohen Inflation und geringen Zinsen. Die steigende Nachfrage, oft aus dem Ausland, trifft dabei auf ein begrenztes Angebot. All dies trifft nicht nur aufs Bauen zu, sondern auch auf den überhitzten Südtiroler Mietmarkt. Besonders junge Menschen und Studenten, die auf Mietwohnungen angewiesen sind, finden kaum Wohnraum. Dem ohnehin schon geringen Angebot in Südtirol macht die Buchungsplattform Airbnb weiter Konkurrenz, da dort bessere Renditen locken als auf dem regulären Mietmarkt. Viele Wohnungen bleiben auch leer, weil die Vermieter Angst haben, säumige Mieter nicht mehr loszuwerden.
Tanja Rainer fordert mehr Mietwohnungen, weil besonders für junge Menschen mit ihren häufigen Berufs- und Wohnortwechseln eine Eigentumswohnung nicht immer das Beste sei. „Ein Eigenheim ist ohnehin nicht unbedingt das, worüber sich die Generation Z definiert.“
Reform der Wohnbauförderung
Der Jugendring fordert neben der Reform der Wohnbauförderung, die seit zehn Jahren im Wesentlichen gleich sei, auch, dass in der EEVE (Einheitliche Einkommens- und Vermögenserklärung) die tatsächlich bezahlte Miete in Abzug gebracht werden kann (derzeit ist nur ein Abzug von maximal 4.000 Euro möglich). Mehr Wohnungen sollten konventioniert werden, die fehlende Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung dürfe kein Ausschlussgrund mehr für die Ansuchen sein und es brauche ein Leerstandsmanagement. Auf Brachflächen, besonders in den Städten, könnten mobile „Tiny Houses“ und Mini-Wohnungen entstehen, um die ärgste Not zu lindern. „Es ist wichtig, dass der effektive Bedarf an Miet- und Eigentumswohnungen erhoben wird“, sagt Rainer. „Nicht, dass es so läuft wie beim Cohousing Rosenbach in Bozen. Es galt als wegweisendes Wohnprojekt, nun steht das Gebäude leer, weil es vorher niemanden interessiert hat, ob es eine Nachfrage dafür gibt.“
Junges Wohnen ist schon lange Thema der Politik. Passiert ist wenig … Wieso soll es diesmal anders werden? „Alle Parteien hatten das Thema im Wahlprogramm – und schon im kommenden Herbst stehen wieder Wahlen an. Ich denke also schon, dass die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen wird, um Wohnen wieder leistbar zu machen“, sagt Rainer.
Frühzeitig Eigenkapital ansparen
Bis es so weit ist, muss jeder selbst vorsorgen, denn Eigentum ist teuer und wird teuer bleiben. „Die Häuslebauer werden Abstriche machen müssen“, sagt Pichler. „Das Reihenhaus wird in Zukunft nicht mehr für jeden realisierbar sein. Trotzdem ist es nicht unmöglich, zu einem Eigenheim zu kommen.“ Früh Eigenkapital ansparen ist wichtig, mit dem Raiffeisen Pensionsfonds zum Beispiel, der später ein begünstigtes Bauspardarlehen garantiert, aber auch Wertpapiere und Sparpläne bilden eine wichtige Grundlage, um Kapital anzusammeln.
Wie die beste Mischung aussieht, weiß der Bankberater am besten. Gemeinsam mit dem Kunden wird die Lebenssituation analysiert, geeignete Sparpläne werden erstellt. Je früher man damit beginnt, desto einfacher ist der Vermögensaufbau. Raiffeisen berät auch zu Förderungen und Versicherungen, in der Raiffeisenkasse Bruneck gibt es auch eine spezialisierte Familien- und Erbschaftsberatung. „Die Bank hat eine große Verantwortung gegenüber dem Kunden. Deshalb ist es wichtig, bei Krediten, die nicht finanzierbar sind, Nein zu sagen“, betont Pichler. Je höher am Ende die Eigenkapitalquote und die Rückzahlfähigkeit sind, desto höher ist auch der Kredit, der gewährt werden kann. Und desto eher kann der Wohntraum Wirklichkeit werden.
BAUEN & WOHNEN – „Sparen ist immer sinnvoll“
Berater Günther Pichler ist besorgt über die Unsicherheit und die hohen Preise auf dem Immobilienmarkt. Umso wichtiger ist die richtige Beratung auf dem Weg zum Eigenheim. Günther Pichler ist Koordinator der Abteilung Bauen & Wohnen der Raiffeisenkasse Bruneck.
Herr Pichler, wie beurteilen Sie den Wohnungsmarkt?
Günther Pichler: Die allgemeine Unsicherheit auf dem Markt ist eine große Herausforderung. Es ist sehr schwierig, die Kosten richtig einzuschätzen und so gut wie unmöglich, verbindliche Angebote zu bekommen. In unserem Gebiet, dem mittleren Pustertal, gibt es aber nach wie vor eine hohe Nachfrage. Sanieren ist durch die staatlichen Fördersysteme attraktiv, es wird auch noch gekauft und gebaut, denn bei den horrend teuren Mieten sagen sich viele: Wenn ich schon so eine hohe Miete zahle, kann ich mir gleich was kaufen und einen Kredit zurückzahlen.
Viele Südtiroler sehen die eigenen vier Wände als gute Geldanlage.
Eine Immobilie darf als Wertanlage Platz haben, aber nur als ein Teil des persönlichen Portfolios. Das ganze Geld in Immobilien zu stecken, ist nicht ratsam. Wenn man zum Beispiel schnell Geld braucht, ist man nicht liquide. Wenn jemand hingegen eine Immobilie als langfristige Investition – zum Beispiel für die Kinder – kauft, ist das sicher sinnvoll.
Wie kommen wir aus dem heiß gelaufenen Immobilienmarkt raus?
Es gibt keine Patentlösung. Wir müssen mit Anreizen den Leerstand auf den Markt bringen, die korrekte Nutzung der konventionierten Wohnungen prüfen, Altbestände nutzen, in gewissen Zonen höher bauen. Das Mietangebot sollte bedarfsgerecht ausgebaut werden, auch Vermieter brauchen einen besseren Schutz. Nicht zuletzt müssen wir alternative Modelle fördern, wie Cohousing, Mehrgenerationenhäuser oder zum Beispiel Seniorenwohnungen mit Betreuung.
Wenn es ums Kaufen/Bauen geht, geht’s auch immer um das Eigenkapital, oder?
Sicher. Noch wichtiger ist die Rückzahlungsfähigkeit. Wie viel kann ich regelmäßig zurückzahlen, ohne meine Lebensqualität übermäßig einschränken zu müssen? Meist beträgt sie rund ein Drittel des Einkommens oder etwas mehr. Früher hat die Elterngeneration die Kinder sehr stark unterstützt, aber die jetzigen Eltern müssen oft selbst noch Kredite abzahlen.
Ihr Rat an junge Menschen?
Sparen ist immer sinnvoll. Kapital regelmäßig zur Seite legen, haushalten lernen, diversifiziert anlegen. Wenn ich mit 38 Jahren ohne Eigenkapital dastehe, werde ich mir keine Wohnung kaufen können. Das sollte sich jeder bewusst machen und muss letztendlich jeder für sich entscheiden.