Genossenschaften lassen niemanden zurück
Die Sozialgenossenschaft Villnöss „Stick Trend Südtirol“ bestickt hochwertige Bekleidung für Firmen im In- und Ausland. Ein Beispiel, wie sich moderner Unternehmensgeist und Integration von Menschen mit Beeinträchtigung erfolgreich verbinden lässt.
Tritt man in den hellen, großen Arbeitsraum der Sozialgenossenschaft Stick Trend Südtirol in St. Magdalena, Villnöß, fällt als erstes das gleichmäßige Surren und Rattern auf. Zwei große und eine kleine Stickmaschine stehen an der Längsseite der Wand und fertigen bis zu 700 Einzelteile pro Tag. An einem Tisch sitzen Frauen und verpassen den bestickten Stücken den letzten Schliff. Konzentriert, mit einer Schere in der Hand, schneiden sie die Verbindungsfäden der bestickten Textilien ab und entfernen das Flies auf der Rückseite. Die unternehmerischen Fäden im Betrieb halten Johanna Schweinberger-Lambacher, Obfrau der Sozialgenossenschaft, und ihr Mann, Oswald Lambacher, in der Hand.
Frau Schweinberger, wie kam es zur Gründung der Sozialgenossenschaft?
Johanna Schweinberger: Mein Mann und ich stammen ursprünglich aus Salzburg. Bereits früher haben wir für Musikgruppen T-Shirts und Werbeartikel produziert und dabei mit einer Druckerei aus Bozen – einer Sozialgenossenschaft – zusammengearbeitet. So kamen wir mit der Genossenschaftsidee in Kontakt. Die wichtigste Triebkraft war aber wohl unser starker Wunsch, einen sinnstiftenden Beitrag für Menschen zu leisten, die es schwerer haben als wir. 2002 haben wir dann die Sozialgenossenschaft Villnöss gegründet. Dieser ging eine Machbarkeitsstudie voraus, welche den sozialen Bedarf im Villnößtal ermittelte.
INFOS ZUR GENOSSENSCHAFT
Sozialgenossenschaft Villnöss
Bergerweg 17, 39040 Villnöß, Tel. 0472 841063
E-Mail: info@sticktrendsuedtirol.com
Obfrau: Johanna Schweinberger-Lambacher
Welche Ziele verfolgt die Genossenschaft?
Johanna Schweinberger: Als Sozialgenossenschaft haben wir uns zum Ziel gesetzt, Personen am Rande der Gesellschaft in die Arbeitswelt zu integrieren. Bei uns finden zur Zeit fünf benachteiligte Frauen eine regelmäßige und bezahlte Beschäftigung inklusive Mittagessen. Mit benachteiligt meine ich Frauen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum Arbeitschancen hätten, weil sie an einer psychischen Erkrankung leiden oder ein anderes Handicap haben. Hier im geschützten Rahmen der Sozialgenossenschaft werden die Frauen als „vollwertige“ Arbeitskräfte und Leistungsträger akzeptiert und erfahren dabei die gebührende Wertschätzung. Die Mitarbeit in der Genossenschaft fördert ihre Selbstbestimmung und ihr Selbstbewusstsein, sie erleben sich als Menschen, die gebraucht werden und mitgestalten können. Dies bildet – neben dem Zugang zum Arbeitsmarkt – eine wichtige Grundlage für soziale Inklusion. Last but not least sind rechtlich abgesicherte Arbeitsverhältnisse auch deshalb von großer Bedeutung, weil damit eine soziale Absicherung im Alter geschaffen wird.
War es schwer, am Anfang Fuß zu fassen?
Johanna Schweinberger: Die Anfangszeit war nicht rosig, da mussten wir einige Anlaufprobleme und Hindernisse überwinden. So haben wir uns beispielsweise schwer getan, eine geeignete Halle für unser Vorhaben zu finden. Dann fiel die Entscheidung, selber eine zu bauen, die jetzt von der Sozialgenossenschaft angemietet wird. Oder die Beschaffung der Stickmaschinen (lacht): die größte Maschine, die wir angekauft haben, war eine koreanische. Die dazugehörige Bedienungsanleitung mussten wir erst mal in Englisch anfordern. Mit viel Engagement und Leidenschaft haben mein Mann und ich aber die Herausforderungen gemeistert.
Welche Produkte werden bei Ihnen hergestellt?
Johanna Schweinberger: Wir haben uns auf Computerstickerei spezialisiert, die edelste und hochwertigste Variante, um Werbung und Logos auf Textilien anzubringen. Zudem wird auch Siebdruck auf Arbeitsbekleidung, T-Shirts, Felpe, Polo-Shirts oder Caps u. a. m. angeboten. Dass unsere Arbeit gefragt ist, bestätigt die Auftragslage. 80 Prozent des Umsatzes erwirtschaften wir derzeit mit Stickaufträgen von einer großen österreichischen Firma, die restlichen 20 Prozent über Südtiroler Auftraggeber.
Wie schaut denn die Arbeitsteilung aus?
Johanna Schweinberger: Mein Mann kümmert sich um die Maschinen und die entsprechende Programmierung. Dazu arbeitet er eng mit einem sogenannten „Puncher“ zusammen. Dieser wandelt grafische Vorlagen, wie beispielsweise das Logo eines Unternehmens, in eine Stickvorlage um, die dann wiederum für die Programmierung der Stickmaschinen verwendet wird. Die Vorbereitungen für die Stickarbeiten wie beispielsweise die Säuberung der Kleidung von den Zwischenfäden und das Bedienen der Stickmaschinen werden von unseren Mitarbeiterinnen geleistet. Nach einer eingehenden Kontrolle werden die bestickten Kleidungsstücke zusammengelegt und verpackt. Das Etikettieren und die Versandvorbereitungen sind meine Aufgabe. Insgesamt sind wir ein gut aufeinander abgestimmtes Team: jedes einzelne Rädchen muss funktionieren und in das andere greifen, damit das Ergebnis am Ende stimmig ist.
Wie ist das Arbeitsklima in der Stickstube, und was ist Ihnen dabei wichtig?
Johanna Schweinberger: Das Arbeitsklima bei uns ist sehr gut, fast familiär. Mir liegt der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeiterinnen und untereinander am Herzen. Das spüren auch unsere Frauen: sie arbeiten gerne hier und möchten bis zur Pensionierung bleiben (lacht). Wir erfahren Bestätigung für unsere Arbeit, die „draußen“ gut ankommt – darauf sind wir alle stolz. Auch dies stärkt unser Gemeinschaftsgefühl.
Was könnte man noch verbessern? Ihr Wunsch an die Zukunft?
Johanna Schweinberger: Wir sind schon sehr zufrieden, wie es läuft. Verbesserungspotenzial gibt es aber immer. Leider sind wir in Südtirol noch nicht so bekannt. Ich wünsche mir, dass wir den einheimischen Kundenstock weiter auszubauen können und sich die Auftragslage dadurch noch verbessert. Unser Außendienstmitarbeiter Fabian macht das sehr gut, aber es ist nicht einfach, Neukunden zu akquirieren. Wenn es uns gelingt, das Auftragsvolumen weiter zu steigern und wir eine „Grundsicherheit“ bieten können, könnten weitere drei Frauen bei uns beschäftigt werden, die jetzt schon auf der Warteliste stehen. Das wäre einfach wunderbar.