Erben und Vererben – Die Weichen für die Zukunft
Was geschieht mit meinem Vermögen nach meinem Tod? Wer erhält was und wer geht leer aus? Worüber kann ich überhaupt selbst bestimmen? Erben und Vererben ist ein heikles Thema, daran können Familien zerbrechen. Es kann aber auch ganz einfach sein, wenn man sich rechtzeitig damit auseinandersetzt.
Eigentlich schien alles klar: Frieda und Hubert leben schon lange zusammen und haben gemeinsam eine kleine Wohnung gekauft. An den Tod oder gar ein Testament haben sie nie gedacht – was sollte schon passieren? Sie haben die Wohnung, ein Einkommen, alles ist in Ordnung. Doch dann stirbt Hubert und es greift die gesetzliche Erbfolge: Da die beiden keine Kinder haben und Lebenspartner nicht automatisch erbberechtigt sind, erben Huberts drei Brüder seinen Anteil an der Wohnung. Frieda steht plötzlich mit drei Miteigentümern dar. „Hätten die beiden ein Testament gemacht, hätten sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und sich viel Kummer ersparen können“, sagt Markus Tschager, Anlageberater bei der Raiffeisenkasse Bozen
Das ist kein Einzelfall. Erbschaften können Familien entzweien – sei es, weil es kein Testament gibt oder plötzlich ein Testament auftaucht, das die Hinterbliebenen nicht verstehen oder nicht akzeptieren. Thomas Wörndle, Rechtsanwalt in Bozen, beschäftigt sich häufig mit dem Erbrecht. Er rät, sich frühzeitig Gedanken zu machen: „Jeder darf tun, was er möchte, aber es kann Vorteile haben, wenn man Erbangelegenheiten und Vermögensfragen zu Lebzeiten bespricht und regelt. Wenn nach dem Tod ein Testament auftaucht, fühlen sich manche Hinterbliebene möglicherweise ungerecht behandelt. Viele Fragen bleiben offen – das kann belastend sein und zu Konflikten innerhalb der Familie oder Verwandtschaft führen.
Testamentsformen
„Eine vermögensrechtliche Übertragung ist sowohl zu Lebzeiten vertraglich als auch durch ein Testament möglich“, betont Wörndle. Wer sein Vermögen zu Lebzeiten übertragen möchte, kann dies zum Beispiel mit einem notariellen Schenkungsvertrag tun. Dabei sollten Erblasser auch an sich denken – etwa durch den Vorbehalt eines Fruchtgenuss-, Wohnungs- oder Nutzungsrechtes oder durch die Festlegung einer Leibrente.“ Alternativ kann die Vermögensübertragung per Testament geregelt werden. In diesem Fall greift die Regelung erst nach dem Tod des/der Erblasser*in, da das Testament erst dann veröffentlicht wird. „In Italien gibt es verschiedene Testamentsformen“, erklärt Rechtsanwalt Wörndle: das eigenhändig geschriebene (handgeschriebene), das öffentliche (notarielle) und das geheime Testament. Das eigenhändig geschriebene Testament ist die einfachste und günstigste Form. Es muss vom Erblasser selbst vollständig handgeschrieben, datiert und unterschrieben werden. Es sollte sicher aufbewahrt werden – eventuell können auch zwei gleichlautende Originale abgefasst werden. Die Aufbewahrung kann privat erfolgen oder bei einem Rechtsanwalt, Notar oder Wirtschaftsberater. Das öffentliche Testament wird vom Notar in Anwesenheit von zwei Zeugen beurkundet. Beim geheimen Testament übergibt der Erblasser dem Notar ein versiegeltes Dokument, ebenfalls im Beisein von zwei Zeugen.
Was, wenn kein Testament vorliegt?
Liegt kein Testament vor, greift die gesetzliche Erbfolge. Wörndle erklärt: „In diesem Fall bestimmt das Gesetz, wer erbt und in welchem Verhältnis. Im Allgemeinen erben der/die Ehepartner*in und Verwandte bis zum sechsten Grad. Gibt es keine Erben, fällt der Nachlass an den Staat.“ Ganz so einfach ist es in der Praxis jedoch selten – insbesondere angesichts vielfältiger Familienkonstellationen wie Patchworkfamilien oder unverheiratete Paare. Wörndle rät daher, sich bewusst zu machen, dass sich Familienverhältnisse im Laufe der Zeit ändern können. Auch der Einfluss von Schwiegerkindern, Ehepartnern und Enkeln sollte nicht unterschätzt werden.
Mediation und Beratung im Erbfall
Im Zuge der Erbschaftsabwicklung sind auch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen, und zwar indem eine Erbschaftsmeldung eingereicht wird. Auf dieser Grundlage berechnet die Agentur der Einnahmen die anfallenden Steuern, die von den Erben zu zahlen sind. Wichtig: Solange die Verpflichtungen gegen- über dem Steueramt nicht erfüllt sind, können Banken die Konten des bzw. der Verstorbenen für die Erben nicht freigeben.
In bestimmten Fällen besteht keine Verpflichtung zur Erbschaftsmeldung. Wer eine Erbschaft nicht annehmen möchte, muss dies durch eine offizielle Verzichtserklärung bei der zuständigen Gerichtskanzlei oder beim Notar erklären. Verschiedene Verbände wie der KVW oder die Verbraucherzentrale bieten eine kosten- lose Erstberatung zu Testament, Erbfolge und steuerlichen Fragen an. Auch einige Raiffeisenkassen, beispielsweise die Raiffeisenkassen Bruneck und Überetsch, bieten ihren Kund*innen Beratung zum Thema Erbschaft an.
Ein möglicher Weg zur Konfliktlösung bei Erbstreitigkeiten ist die Mediation, die im Erbrecht seit 2011 verpflichtend vor einem Gerichtsverfahren vorgesehen ist. „Eine gute Sache“, sagt Rechtsanwalt Wörndle. „Die Mediation bringt die menschliche Seite ein, stellt das Verbindende in den Mittelpunkt und hilft, die Perspektive des anderen zu verstehen – oft der erste Schritt zu einer zufriedenstellenden Lösung.“Je komplexer die Familien- und Vermögensverhältnisse, desto mehr rechtliche Fallstricke gibt es. Wörndle: „Am Ende zählt der Wille des Erblassers – ob das im Sinne der Erben ist, ist eine andere Frage.“
Es gibt viel zu bedenken
Neben dem eigentlichen Testament sollten auch das „biologische“Testament (Patienten- verfügung) und das „digitale“ Testament nicht vergessen werden. Eine Patientenverfügung regelt, was geschehen soll, wenn man nicht mehr selbst entscheiden kann – etwa nach einem schweren Unfall oder im Fall von Demenz. Sie kann beim Notar oder beim Meldeamt der Wohnsitzgemeinde hinterlegt werden. Neuland ist der digitale Nachlass, also unser Leben im Internet. Wörndle erklärt, dass man im Testament festhalten kann, was mit Online-Konten und Accounts passiert. Es empfiehlt sich, eine Liste mit Passwörtern anzulegen und sicher zu hinterlegen. Wer sich später tatsächlich um die oft zahlreichen Nutzerkonten kümmert, ist eine andere Frage. Insgesamt beobachtet Wörndle folgende Entwicklung: „Früher wurde über das Erbe kaum gesprochen, viele haben ihr Testament heimlich gemacht – was ihr gutes Recht ist. Heute wird häufiger im Familienkreis darüber geredet, wodurch Konflikte unter Umständen vermieden werden können. Die jüngere Generation scheint diesbezüglich gesprächsoffener zu sein.

BANK UND ERBRECHT „Ich erbe Rechte und Pflichten“
Raiffeisen-Berater Markus Tschager über gesperrte Konten, geerbte Schulden und die Bedeutung eines Testaments. Markus Tschager ist Anlageberater und leitet seit 25 Jahren das Finanzzentrum der Raiffeisenkasse Bozen.
Herr Tschager, was passiert mit einem gemeinsamen Konto, wenn einer der Inhaber stirbt?
Markus Tschager: Bei einem Gemeinschaftskonto gehört das Kapital generell beiden Partnern zu gleichenTeilen. Die Hälfte wird dem/der über- lebenden Ehepartner*in sofort auf ein neues Konto übertragen. Das alte Konto wird jedoch gesperrt – auch Daueraufträge und Lastschriften müssen umgestellt werden. Auch gemeinsame Sparbücher oder Wertpapierdepots werden vorübergehend eingefroren. Häufig lautet das Konto aber nur auf den/die Verstorbene*n und der/die Ehepartner*in hatte „nur“ eine Zeichnungsberechtigung. Dann wird das Konto gesperrt. Man kann mit diesem Geld die Beerdigungsspesen zahlen, sonst nichts mehr.
Warum wird das Konto gesperrt?
Die Bank muss prüfen, wer erbberechtigt ist. Stellen Sie sich vor, eine Familie hat drei Kinder und eines davon kommt nach dem Tod des Vaters in die Bank und hebt das ganze Guthaben ab. Das darf natürlich nicht passieren. Ohne eindeutige Dokumente wie Familien-bogen, Totenschein, Erbschaftsmeldung und ggf. ein Testament darf nichts ausgezahlt werden – um ungerecht-fertigte Behebungen zu vermeiden.
Wie lange dauert das?
Wenn alles reibungslos läuft, kann die Auszahlung in ein bis zwei Monaten erfolgen. Für Lebensversicherungen oder Pensionsfonds gelten eigene Regeln – dort wird bereits bei Vertragsabschluss ein Begünstigter oder eine Begünstigte festgelegt.
Kann man auch Schulden erben?
Ja. Als Erbe trete ich in alle Rechte und Pflichten ein. Für Schulden haftet man mit dem eigenen Vermögen. Es besteht aber die Möglichkeit, vor Annahme des Erbes eine Inventarübersicht zu verlangen, also eine Bilanz der Hinterlassenschaft. Übersteigen die Schulden die Vermögenswerte, kann man das Erbe ausschlagen.
Was raten Sie grundsätzlich?
Sich frühzeitig mit dem Thema zu befassen. Beim Ehepaar mit zwei Kindern und einem Haus kann die gesetzliche Erbfolgeregelung ausreichend sein, aber grundsätzlich ist es immer besser, den Nachlass testamentarisch zu regeln. Bei nichtverheirateten Partnern kann es ohne Regelung sogar passieren, dass der hinterbliebene Partner die gemeinsame Wohnung verlassen muss. Das lässt sich mit einem Testament einfach verhindern.