Die Raiffeisenkassen als attraktive Arbeitgeber
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Früher bewarben sich junge
Menschen eifrig um offene Stellen, heute kämpfen Unternehmen
darum, gute Mitarbeiter*innen zu finden. Welche Herausforderungen
dies für die Raiffeisenkassen mit sich bringt, erfahren Sie hier.
Die Zeiten, in denen Unternehmen aus einer Vielzahl von Bewerbungen auswählen konnten, sind vorbei. Während die Zahl der offenen Stellen stetig steigt, gibt es immer weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie haben heute die Wahl, können Ansprüche stellen und sich zieren. Unternehmen müssen sich daher aktiv um ihre Mitarbeiter*innen bemühen – nicht umgekehrt. Es heißt oft, dass junge Menschen anders ticken als ältere. Der Generation Z, also den ca. zwischen 1995 und 2010 Geborenen, wird nachgesagt, sie sei wenig arbeitsmotiviert und nicht belastbar, wobei ihr persönliches Wohlbefinden oft über die Arbeitsleistung gestellt werde.
Patrik Malesardi, Geschäftsführer der Raiffeisenkasse Überetsch, sieht das nicht so: „Die jüngere Generation ist sehr motiviert, aber sie hat andere Erwartungen als die ältere. Junge Leute möchten im Team arbeiten, sich aktiv einbringen und mitgestalten. Aus- und Weiterbildung sind ihnen wichtig und sie streben nach Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen, um ihre Karriere voranzutreiben.“ Dies erfordert ein verändertes Führungsverständnis. „Führungskräfte müssen heute mehr Motivatoren als autoritäre Kontrollinstanzen sein und stärker auf die Bedürfnisse des Teams eingehen,“ erklärt Malesardi.
Arbeiten in einer Raiffeisenkasse
„Die Leute wollen nicht nur To-do-Listen abhaken, sondern den Sinn dahinter sehen. Genau hier können wir als lokale Genossenschaftsbank punkten“, erklärt Direktor Malesardi. „Uns geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um die Förderung der Mitglieder und des Tätigkeitsgebietes. Das gefällt den Jungen!“
Eine im Juli 2023 durchgeführte Online-Umfrage zur Markenwahrnehmung der Südtiroler Raiffeisenkassen zeigt, dass diese von den Befragten als persönliche, menschennahe, sympathische und beständige Arbeitgeber wahrgenommen werden. Für potenzielle Bewerber*innen sind vor allem flexible Arbeitsmodelle und eine faire Entlohnung von Bedeutung.
Vielfältige Berufsbilder
Klaus Ladurner ist Teamkoordinator des Fachbereichs Recruiting im Raiffeisenverband Südtirol. Aufgabe des Fachbereichs ist es, die Mitgliedsgenossenschaften bei der Mitarbeitersuche zu unterstützen. Diese umfasst Beratung, die Rekrutierung über Print- und Social-Media-Kanäle sowie die Durchführung von Bewerbungsgesprächen und Einstellungsempfehlungen. Ladurner stimmt Malesardi zu: „Junge Menschen möchten arbeiten, müssen aber gezielt angesprochen werden.“ Hierbei ist es vorteilhaft, dass die Raiffeisenkassen eine Vielzahl an unterschiedlichen, sinnstiftenden Arbeitsplätzen anbieten. Die Raiffeisenkassen sind keine Filialen einer Großbank, sondern eigenständige lokale Unternehmen, die alle Dienstleistungen einer vollwertigen Bank anbieten. Deshalb gibt es zahlreiche attraktive Berufsbilder zu besetzen, darunter Firmenkundenberater, Versicherungsberaterinnen, Risikomanager, Marketingverantwortliche, IT-Koordinatorinnen und viele weitere Positionen.
Moderne Mitarbeitersuche
Im Jahr 2023 veröffentlichten die Südtiroler Raiffeisenkassen und der Raiffeisenverband etwa 150 Stellenanzeigen, was dem Durchschnitt der letzten Jahre entspricht, berichtet Ladurner. Da sich jedoch immer weniger Bewerber*innen melden, setzt Raiffeisen auf eine gezielte Ansprache. Mit auf die Zielgruppe zugeschnittenen Videos auf Social Media erreichen sie viele Personen und passen die Werbung genau an. Ein Beispiel: Wenn ein Revisionsmitarbeiter gesucht wird, wird dieser in einem 30-Sekunden-Video auf Tik-Tok vorgestellt. Interessierte klicken das Video an, beantworten Auswahlfragen und werden direkt in die Bewerber-Managementsoftware aufgenommen. „Danach rufen wir sie an, um herauszufinden, ob die Stelle zu ihnen passt,“ erklärt Ladurner. Lebenslauf und Dokumente werden erst später angefordert, um die Einstiegshürden möglichst niedrig zu halten.
Benefits – heutzutage nicht mehr wegzudenken
In der Peripherie gestaltet sich die Suche nach spezialisierten Mitarbeiter*innen öfters schwierig, fügt Ladurner hinzu. Um neue Arbeitskräfte zu gewinnen, sind Anreize und Zusatzleistungen über das Gehalt hinaus entscheidend. „Das Gesamtpaket muss stimmen“, betont Ladurner und ergänzt: „Die Raiffeisenkassen sehen bereits viele Leistungen im Arbeitsvertrag vor.“ Dazu zählen eine Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche, die Möglichkeit von Telearbeit (wo möglich) und zum Teil der freie Freitagnachmittag zur Unterstützung der Work-Life-Balance. Zudem fördern die Raiffeisenkassen die Aus- und Weiterbildung ihrer knapp 2.000 Mitarbeitenden, zahlen höhere Beiträge in die Pensionskasse, bieten gleiche Gehälter für Männer und Frauen, gewähren Essensgutscheine und vieles mehr. Ein weitreichender sozialer und finanzieller Schutz wie Unfall- und Krankenversicherung sowie vorteilhafte Versicherungsleistungen runden das Angebot ab. Zum Teil liegen die Maßnahmen im Ermessen der einzelnen Raiffeisenkassen. „Wichtig ist, dass vor Ort genau das angeboten wird, was die Mitarbeiter*innen brauchen“, so Ladurner. „Ein Obstkorb und ein Calcetto sind nette Extras, aber sie machen nicht den entscheidenden Unterschied.“ Bei der Raiffeisenkasse Überetsch wurden in den vergangenen Jahren alle Führungspositionen intern neu besetzt. „Das ist eine Herausforderung, weil auch weitere Stellen nachbesetzt werden mussten,“ erklärt Malesardi, der selbst intern zum Geschäftsführer aufstieg. „Es ist aber ein starkes Signal, dass wir auf unsere Mitarbeiter*innen setzen,“ betont Malesardi. Er ergänzt: „Ein Arbeitgeber muss generell seine Versprechen halten und authentisch sein. Reine Lippenbekenntnisse werden schnell durchschaut.“
Welche Faktoren sind bei der Wahl einer Raiffeisenkasse als Arbeitgeber relevant?
Carmen Tauber, Mitarbeiterin im Fachbereich Personalentwicklung des Raiffeisenverbandes, untersuchte in ihrer Masterthesis im Sommer 2024 die Arbeitgeberattraktivität der Südtiroler Raiffeisenkassen. Dazu wurden Raiffeisen-Mitarbeiter*innen der Jahrgänge 1995 bis 2005 befragt. Die Studie zeigt, dass junge Menschen vor allem auf ein attraktives Gehalt, flexible Arbeitszeiten, eine gute Work-Life-Balance, Teamarbeit und eine positive Unternehmenskultur Wert legen. Auch die Erreichbarkeit und Nähe des Arbeitsplatzes sind wichtig. Die Kundennähe und Unterstützung lokaler Initiativen werden als vorteilhaft angesehen, haben aber nicht denselben Stellenwert für die Arbeitgeberwahl. Befragte schätzen zudem einen sicheren Arbeitsplatz und sinnstiftende Tätigkeiten.
Auf Augenhöhe
Patrik Malesardi spricht darüber, was attraktive Arbeitgeber*innen bieten müssen und was sie von ihren Mitarbeiter*innen erwarten.
Herr Malesardi, wie gehen Sie bei der Mitarbeitersuche vor?
Patrik Malesardi: Im letzten Halbjahr haben wir Stellenanzeigen veröffentlicht und verschiedene Bewerbungen erhalten, sowohl von hochqualifizierten Fachkräften als auch von Quereinsteiger*innen. Außerdem erreichen uns regelmäßig Initiativbewerbungen, allein im August waren es vier.
Also kein Problem, Arbeitskräfte zu finden?
Als Raiffeisenkasse Überetsch sind wir in den Dörfern unseres Tätigkeitsgebietes und den lokalen Medien stark präsent und werden als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Unser junges Team ist begeistert bei der Sache und vom genossenschaftlichen Gedanken überzeugt, den es auch nach außen trägt. Von dieser Mundwerbung profitieren wir als Arbeitgeber. Der Arbeitsmarkt hat sich natürlich verändert, man muss auch einiges bieten, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Das Thema kann man nicht nebenbei behandeln.
Zum Beispiel?
Es geht sehr stark um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein gutes Drittel der Mitarbeitenden hat einen Teilzeitvertrag. Wir bieten Essensgutscheine, Viereinhalb-Tage-Woche, Homeoffice, betriebliche Altersvorsorge, flexible Arbeitszeiten, Vorzugskonditionen bei Raiffeisen-Produkten, Steuerbeistand und es gibt, neben weiteren Benefits, den hausinternen Raiffeisen-Club für Sport, Kultur und Kulinarik in der Freizeit.
Was erwartet sich die Raiffeisenkasse von den Mitarbeitenden?
Vor allem eine starke Identifikation mit unseren Werten, unserer genossenschaftlichen Idee. Dann Kundenorientierung, Engagement, Flexibilität, Teamfähigkeit, fachliche Kompetenz und Bereitschaft zur Weiterbildung.
Was ist sonst noch entscheidend?
Wichtig ist es vor allem, die Mitarbeiter*innen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Flexibilität muss von beiden Seiten kommen. Der Arbeitgeber sollte darauf achten, dass die Kommunikation transparent, ehrlich und zeitnah erfolgt. Auch wenn nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann, sollte der Umgang stets wertschätzend und auf Augenhöhe sein. Dabei spielt die Führungs- und Unternehmenskultur eine maßgebliche Rolle. Eine starke Unternehmenskultur sorgt für klare Werte und Ziele, die das gesamte Team vereinen und Orientierung bieten.