Ausgabe 05/22 -

Die EZB steckt im Zins-Dilemma

Die Lebenshaltungskosten und die Zinsen steigen, der Außenwert des Euros sinkt, auch die Finanzmärkte fallen und mit ihnen der Wert der veranlagten Ersparnisse. Derzeit sind auch die Wirtschaftsprognosen im freien Fall. Ist ein Wirtschaftssturm neu entfacht? Und wie reagiert die Zentralbank darauf?

Foto: Helmuth Rier

Sicher ist, dass die Kaufkraft der Europäer zurzeit rapide abnimmt. Die EZB weiß nicht wirklich, wie sie reagieren soll. Zinsanhebungen im derzeitigen Umfeld bergen ein enormes Risiko. Die Kreditvergabe wird dadurch zwar eingebremst, aber es verteuern sich auch die laufenden Kredite in einem Umfeld, wo Unternehmen und Haushalte bereits unter steigenden Ausgaben und stagnierenden Einkommen leiden. 

Verstärkt die EZB durch steigende Zinsen die Wirtschaftskrise weiter? Kommt es zu mehr Konkursen, die womöglich sogar den Bankbilanzen zusetzen? Und wie sieht es mit der Finanzierung des ökologischen Umbaus der Wirtschaft aus, wenn auch der Staat nun für das Schuldenmachen 4 Prozent auf 10-jährige BTP-Anleihen bezahlen muss und nicht mehr nur 1,6 Prozent wie vor sechs Monaten? Gibt es darüber eine weitere Staatsschuldenkrise?


Klar ist, dass die EZB etwas gegen den Euroverfall unternehmen musste, und nun wieder versucht, Wetten gegen den Euro zu verteuern. Vielleicht gelingt es ihr auch, eine Lohn-Preisspirale wie in den 1980er Jahren zu unterbinden. Die durch den Angebotsschock ausgelöste Energie-Preisspirale wird schwerlich unterbrochen. Dies gelingt nur durch einen globalen Nachfragerückgang nach Gas und Erdöl und das passiert kurzfristig nur in der Rezession. Eines ist sicher: Nichts fürchtet die Europäische Zentralbank mehr, als morgen bezichtigt zu werden, mit ihrer Zinspolitik eine Krise wie 1929 ausgelöst zu haben. Die Folgen einer falschen Zinspolitik sind fatal und kennen wir zur Genüge.

Dr. Martin von Malfèr,

Abteilung Finanzdienstleistungen, Raiffeisen Landesbank Südtirol AG