Die Bank der Zukunft – Digital und menschlich
Ohne Digitalisierung keine Zukunft, das gilt auch für die Südtiroler Raiffeisenkassen. Doch das Ziel ist ein anderes: Digitalisierung und menschliche Nähe miteinander verbinden.
„Die Digitalisierung ist keine Bedrohung“, sagt Christof Mair, „sondern dient viel mehr dazu, unseren Kund*innen das Leben zu erleichtern. Sie hat dann ihr Ziel erreicht, wenn sie ihnen Lasten abnimmt, Bequemlichkeit schafft und Mehrwerte bietet.“ Denn Kund*innen erwarten zunehmend, dass ihnen ihre Bank digitale Angebote bietet, die das Erledigen von Bankgeschäften am Smartphone oder PC immer und überall erlauben. Egal, ob sie morgens im Zug sitzen oder am Sonntagabend auf der Couch entspannen.
„Für die Raiffeisenkassen ist das Chance und Herausforderung zugleich“, sagt Mair. Mair ist Direktor der Raiffeisenkasse Eisacktal, Vorsitzender des Fachkomitees Innovation im Raiffeisenverbund und einer von jenen, die die Digitalisierungsoffensive der 39 Raiffeisenkassen und der Raiffeisen Landesbank weiter vorantreiben wollen. Denn die Digitalisierung und Modernisierung des Geschäftsmodells der Raiffeisenkassen seien entscheidende Schritte, um den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, die Marktführerschaft in der Südtiroler Bankenwelt zu behaupten und zukunftsfähig zu bleiben. Diese Veränderung soll in vielen kleinen Schritten umgesetzt werden. Seit vergangenem Herbst ist es beispielsweise möglich, die Raiffeisen Bankkarte über die Raiffeisen App oder das Onlinebanking zu bestellen.
Man kann seine Stammdaten ändern und eine Wohnsitzänderung selbst eingeben, Beratungstermine digital vereinbaren und Produkte, wie beispielsweise eine Festgeldanlage, am PC oder Tablet abschließen. Weitere Angebote folgen.
Vorteile nutzen
Ziel ist es, ein „Omnikanal-Angebot“ zu entwickeln, das es den Kund*innen ermöglicht, ihren bevorzugten Kanal frei zu wählen, um mit ihrer Hausbank in Kontakt zu treten, Bankgeschäfte zu erledigen, Produkte abzuschließen oder Beratung zu erhalten. Alle Schritte, vom ersten Kontakt bis zum finalen Kaufabschluss, werden digital unterstützt, wobei ein nahtloser Wechsel zwischen digitaler und physischer Welt jederzeit möglich ist. „Voraussetzung ist ein optimales Zusammenspiel zwischen der physischen und digitalen Welt“, sagt Mair.
Die verschiedenen Vertriebskanäle wie Filialen, Kunden-Service-Center, Online Banking und App müssen daher vollständig miteinander vernetzt sein, um einen reibungslosen Kanalwechsel ohne Informationsverlust zu ermöglichen. Es ist wichtig, dass alle Daten kanalübergreifend verfügbar sind.
Zum Beispiel kann ein Kunde für eine geplante Baufinanzierung online recherchieren, offene Fragen am Telefon klären und einen auf dem Tablet begonnenen Vorgang nahtlos in einem persönlichen Gespräch in der Filiale fortsetzen. Dabei muss gewährleistet sein, dass die vom Kunden bereits eingegebenen Daten vom Berater oder der Beraterin im persönlichen Gespräch wieder abgerufen werden können. „Ziel ist ein Kundenerlebnis, das in der digitalen Welt genauso herausragend ist wie beim Besuch in der Filiale“, unterstreicht Mair.
Verlieren damit die Geschäftsstellen an Bedeutung? „Nein“, sagt Mair. „Unsere Filialen werden sich immer stärker zu Begegnungsstätten entwickeln und mit dem digitalen Angebot verschmelzen. Wir haben die Öffnungszeiten unserer Filialen in der Raiffeisen Eisacktal zwar reduziert, aber ohne dabei eine Schmerzgrenze zu überschreiten“, erklärt Mair. Nicht in jedem Dorf muss die Raiffeisenkasse von 8 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr geöffnet sein, fünf Tage die Woche. Das verlangen die Menschen auch nicht.“
Sorgen ernst nehmen
Nicht alle freuen sich über die zunehmende Digitalisierung und Computerisierung des Alltags. Viele ältere Menschen, aber nicht nur, haben Schwierigkeiten mit der digitalen Teilhabe und fühlen sich ausgeschlossen. Mair beruhigt, es werde nichts verschwinden, woran wir uns heute gewöhnt haben: „Es ist unsere feste Überzeugung und auch im Zukunftsbild der Raiffeisenkassen verankert, dass beide Welten möglich sein müssen und das Beste aus beiden Welten vereint wird. Zwischenmenschliche Beziehungen und Digitalisierung gehen Hand in Hand in die Zukunft, das ist unsere Devise.“ Zudem erhalten Kundengruppen mit geringer Online-Erfahrung Unterstützung von Berater*innen beim Umstieg auf digitale Kanäle.
Kein Widerspruch: persönliche & digitale Nähe
Die Digitalisierung sei auch ein Vorteil für die Mitarbeiter*innen in den Raiffeisenkassen, bekräftigt Mair: „Heute muss sich ein/e Mitarbeiter*in bei vielen Vorgängen in der Bank Informationen und Verträge aus verschiedenen Systemen zusammensuchen und riskiert dabei, einen Fehler zu machen, etwas zu übersehen oder etwas falsch zu übertragen. In Zukunft sollen die Prozesse durchgängig sein, schneller, anwenderfreundlicher und ohne Bruchstellen.
“ Mit der Weiterentwicklung des Bankkonzeptes und automatisierten Prozessen rücken die Kund*innen noch stärker in den Mittelpunkt und es bleibt mehr Zeit für das persönliche Gespräch. „In Zukunft werden wir den Fokus verstärkt auf erstklassige Beratung legen und unsere Rolle als Bank festigen, in der Kunden eine persönliche und vertrauensvolle Betreuung erfahren.“
Denn selbst in Zeiten des digitalen Wandels wird es im Leben eines Menschen immer wieder Situationen geben, in denen kompetente und persönliche Beratung unverzichtbar sind. „Weitreichende finanzielle Entscheidungen will man nicht am Telefon oder alleine im Internet treffen.“ Somit bleibt die Nähe der Raiffeisenkassen zu ihren Kund*innen im Tätigkeitsgebiet ein zentraler Erfolgsfaktor, der durch die digitale Nähe noch erweitert wird.
Mit zunehmender Digitalisierung gewinnt auch der Aspekt der Datensicherung und des Datenschutzes an Bedeutung. „Die Kundinnen und Kunden setzen Sicherheit voraus und vertrauen uns,“ betont Mair und fügt hinzu: „Dies ist ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber anonymen Finanzanbietern, dem wir verpflichtet sind.“
Die Videoberatung spart Zeit und Wege – das Angebot wird in Zukunft ausgebaut.
„Die Kunden entscheiden, ob digital oder persönlich“
Christof Mair ist Direktor der Raiffeisenkasse Eisacktal und Vorsitzender des Fachkomitees Innovation.
Herr Mair, die Bankbranche ist im Umbruch. Wie schaffen es die Raiffeisenkassen auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben?
Christof Mair: Die genossenschaftlichen Raiffeisenkassen, die auf eine lange und stolze Geschichte zurückblicken, stehen vor der Herausforderung, dass ihre heutigen Stärken – insbesondere die Nähe zu den Kunden – auch künftig Wettbewerbsvorteile bleiben. Deshalb arbeiten wir daran, die sich verändernden Bedürfnisse der Kund*innen und die fortschreitenden technischen Möglichkeiten noch enger miteinander zu verknüpfen.
Geht damit nicht der persönliche Kontakt mit den Kund*innen verloren?
Nein. Uns ist der persönliche Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden sehr wichtig – vor Ort in den Städten und Dörfern. Die Einführung digitaler Kanäle bedeutet keine Abkehr von diesem Wert, sondern vielmehr eine sinnvolle Ergänzung. Unsere Filialen sind und bleiben Dreh- und Angelpunkt unseres Bankgeschäfts, aber eben nicht der einzige. Kund*innen können je nach Bedarf zwischen digitalen und persönlichen Kanälen wählen. Unser Ziel ist ein ganzheitliches Serviceerlebnis, das beide Dimensionen vereint.
Ein beliebtes Vorurteil ist, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet.
Auch bei uns gab es eine solche Diskussion, da einige Mitarbeiter*innen in der Tat diese Befürchtung hatten. Doch die Realität zeigt das Gegenteil: Viele Transaktionen werden digital abgewickelt und Abläufe werden erleichtert, sodass mehr Zeit frei wird, die wir dringend für Beratungen brauchen.
Was sind Hindernisse auf dem Weg zur Digitalisierung?
Die Digitalisierung erreicht ihre Grenzen, wenn Veränderungen für Kund*innen und Mitarbeitende zu schnell oder zu komplex werden. Als Führungskräfte liegt es in unserer Verantwortung, dies zu vermeiden und alle Beteiligten behutsam Schritt für Schritt mitzunehmen.