Der Kunde ist (nicht immer) König
Gunde Bauhofer hat mit Jahresbeginn die Nachfolge von Walter Andreaus als Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol angetreten. Welche Schwerpunkte ihr am Herzen liegen und wo es noch Luft nach oben gibt, erzählt sie im Interview.
Frau Bauhofer, Sie sind seit einigen Monaten als Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) im Amt. Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen? Gunde Bauhofer: Die Schwerpunkte unserer Arbeit liegen für mich immer bei den „Grundrechten“, die uns Verbraucherinnen und Verbrauchern zustehen – das sind z.B. das Recht auf Sicherheit und Qualität von Produkten und Dienstleistungen, das Recht auf angemessene Information und korrekte Werbung, oder das Recht auf Korrektheit, Transparenz und Fairness in den Vertragsverhältnissen.
Was sind zurzeit die größten Herausforderungen im Verbraucherschutz?
Die aktuelle Ausnahmesituation wirft viele – große und kleine – Fragen auf. Jetzt gilt es, faire, für die Gesellschaft als Ganzes tragbare Lösungen zu finden. Unser Hauptanliegen ist es klarerweise, dass die Last nicht einfach auf die Verbraucher abgewälzt werden darf.
Mit welchen Fragen wenden sich die Bürgerinnen und Bürger hauptsächlich an Sie?
In „normalen“ Zeiten sind die Fragen aus dem Telefoniebereich der Spitzenreiter – dieser Marktbereich wirkt manchmal wie der sprichwörtliche „Wilde Westen“. Der Gesetzgeber hat mit dem Haushaltsgesetz 2020 ein neues Verteidigungsinstrument für Verbraucher geschaffen: sie sollen entschädigt werden, wenn „unsinnige“ Rechnungen ins Haus flattern – es bleibt zu hoffen, dass dies ein für alle Mal Abhilfe schafft. Viele Fragen fielen 2019 in den Bereich Haus und Kondominium, z.B. Beanstandungen von Baumängeln oder Fragestellungen zum Mehrparteienhaus. Auch das leistbare Wohnen war für viele ein wichtiges Thema.
Welche Fragen beschäftigen die Verbraucher bei Finanz- und Versicherungsleistungen?
Im Finanzbereich häufen sich in den letzten Jahren die Beschwerden zu Geldanlagen – die Betroffenen klagen über intransparente Abwicklungen bei den Verkäufen und Platzierungen. 2019 stellten wir auch eine starke Zunahme der Betrugsfälle bei Finanzdiensten über „phishing“ und „smishing“ fest. Im Versicherungsbereich haben wir leider immer wieder Schwierigkeiten mit unseriösen Vermittlern, die bei den Verkaufsgesprächen Versprechungen machen, welche dann in den Polizzen absolut keinen Niederschlag finden.
Welche Tätigkeiten übt die Verbraucherschutzzentrale neben Information und Beratung noch aus?
Wir sind auch in der Verbraucherbildung sehr aktiv: Wir gehen in die Schulen, Schulklassen besuchen uns, und wir bieten Weiterbildungen für Erwachsene an. Daneben obliegt uns auch die Interessensvertretung der Verbraucher/-innen gegenüber Politik und Wirtschaft. Derzeit arbeiten wir in Projekten verstärkt an Schlichtungsverfahren für den Online-Einkauf und gegen Lebensmittelverschwendung.
In welchem Bereich sehen Sie persönlich dringenden Handlungsbedarf?
Das Wort ist mittlerweile abgenutzt, aber für mich ist Nachhaltigkeit der Dreh- und Angelpunkt. Wenn wir es nicht schaffen, unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln so umzukrempeln, dass nachfolgende Generationen weltweit zu gleichen Bedingungen ins Leben starten können, hat alles andere wenig Zukunftsperspektiven.
Spielt die Harmonisierung bestimmter Rechtsvorschriften auf EU-Ebene eine Rolle?
Ja. Viele unserer Verbraucherrechte fußen auf EU-Maßnahmen – das kostenlose Roaming, das EU-weit einheitliche Datenschutzrecht und viele Rechte der Reisenden sind hier nur Beispiele. Dennoch: es gibt noch viel Luft nach oben. Der Verbraucherschutz an sich ist immer nur so stark, wie ihn Gesetzgeber und die öffentliche Hand, Aufsichtsbehörden und Justiz machen.
Die Verbraucherzentrale konnte allein im Jahr 2019 1,5 Mio. Euro für die Südtiroler Verbraucherinnen und Verbraucher erstreiten …
Eine stolze Summe, die den Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Rechte der Verbraucher widerspiegelt. In vielen Fällen ist es gelungen, Streitigkeiten durch Schlichtungen beizulegen. Besser ist es natürlich, wenn durch Vorabinformation Streitfälle vermieden werden können.
Über welche Erfolge im Bereich Verbraucherschutz freuen Sie sich am meisten?
Ich freue mich über alle Erfolge, doch am zufriedensten bin ich, wenn es uns gelingt, organisierten Gaunern das Handwerk zu legen.
Aufgrund der Coronavirus-Notsituation wurden Reisen abgesagt und Flüge gestrichen. Welches sind in diesem Zusammenhang die wichtigsten Verbraucherrechte?
Für einige Situationen (v.a. Reisen) gibt es genaue Vorgaben von Seiten der Regierung, die Rückzahlung oder Gutscheine vorsehen. Für viele andere Fragen fehlen derzeit noch klare Richtlinien, und man wird diese von Fall zu Fall abwägen müssen. Im besten aller Fälle gelingt es den Vertragsparteien, eine gütliche Lösung zu finden, die für beide passt.
Können Sie unseren Lesern drei generelle Urlaubtipps nennen?
Je nach Art und Ziel der Reise sollte für entsprechenden Versicherungsschutz gesorgt sein, z.B. eine Reise-Krankenversicherung für Länder, in denen man durch das Gesundheitssystem nicht abgedeckt ist. Wenn es im Zuge der Reise zu Problemen kommt, sollte man sofort bei den Zuständigen reklamieren, damit gegebenenfalls gleich für Abhilfe gesorgt werden kann, und man sollte alles so genau wie möglich dokumentieren. Und auf Schiffen, z.B. bei Kreuzfahrten, sollte man nach Möglichkeit auf das Handy verzichten: im „See-Roaming“ sind Anrufe, SMS und Internet alles andere als günstig!
VERBRAUCHERZENTRALE SÜDTIROL (VZS)
Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) ist ein gemeinnütziger, anbieterunabhängiger und überwiegend öffentlich finanzierter Verein. Der Verein setzt sich gegenüber der Politik, den Behörden, der Wirtschaft, und mit rechtlichen Mitteln für einen wirksamen wirtschaftlichen, rechtlichen und gesundheitlichen Verbraucherschutz ein. Die Beratungsstelle in Bozen wurde 1994 gegründet. Aktuell arbeiten rund 40 Beschäftigte für die VZS. Ziel ist: Transparenz über Produktion, Eigenschaften und Qualität von Waren und Dienstleistungen durchsetzen