„Besser fix als fertig – hirngerecht arbeiten“
„In unserer heutigen Berufswelt arbeiten leider viele Menschen nicht hirngerecht“, sagt Neurobiologe und Hirnforscher Bernd Hufnagl, Referent bei der Raiffeisen InvestmentClub-Veranstaltung am 5. September in der Orchideenwelt in Gargazon. Er plädiert für mehr Geduld und Achtsamkeit in unserem hektischen Multitasking-Alltag.
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Herr Hufnagl, Ihre Botschaft lautet: „Wir arbeiten nicht hirngerecht!“ Was meinen Sie damit?
Bernd Hufnagl: Um nachvollziehen zu können, warum wir so denken und handeln, wie wir es tun, ist es wichtig, unser biologisches Erbe zu betrachten. Viele Prozesse und spezialisierte Areale in unserem Gehirn, die sich im Laufe unserer Evolutionsgeschichte entwickelt und bewährt haben, wie das Gedächtnis, das Belohnungssystem, die Aufmerksamkeit, der Fluchtreflex u. a. m. wirken auch heute noch in uns. Da wir aber in einer modernen, digitalen und beschleunigten (Arbeits-)Welt leben, tappen wir oft in diese biologischen Fallen. Dies kann sich negativ auswirken.
Welche Auswirkungen hat das „nicht-hirngerechte Arbeiten“?
Bernd Hufnagl: Wir sind von unserer Biologie auf Ablenkung programmiert. Wir haben verlernt, uns auf eine Sache zu konzentrieren, was in unserer Arbeitswelt zunehmend zum Problem wird. Der permanente Wechsel zwischen Tätigkeiten führt dazu, dass wir Wichtiges nicht mehr von Unwichtigem unterscheiden können. Aufmerksamkeitsstörungen, Stresssymptome und psychische Erkrankungen nehmen zu, während die Belastbarkeit und die Fähigkeit, zuzuhören und Empathie zu empfinden, abnimmt.
Bernd Hufnagl:
„Wenn wir während der Arbeit an einer Aufgabe schon an die nächste denken, verändert sich etwas im Hirn. Wir können Wichtiges nicht mehr von Unwichtigem unterscheiden.“
Sind wir Menschen überhaupt multitaskingfähig?
Bernd Hufnagl: Ja, wenn es sich um Routinearbeiten handelt. Wir können z. B. bügeln und gleichzeitig einem Hörbuch lauschen. Kommt aber eine weitere komplexe Aufgabe dazu, sinkt die Hirnleistung drastisch. Dann wechselt das Gehirn rasant zwischen den Aufgaben hin und her – das bedeutet Effizienzverlust.
Wie sieht hirngerechtes Arbeiten aus?
Bernd Hufnagl: Arbeitsprozesse und Ergebnisse sind oft nicht sichtbar. Das Hirn will aber sehen, wofür es sich anstrengt. Wenn man am Schreibtisch Stapel wegräumt oder To-do-Listen abhakt, wird Dopamin, das Glückshormon, ausgeschüttet. Auch wenn man etwas Neues ausprobieren kann, ist die Chance auf „Belohnung“ wegen der offenen Erwartungshaltung relativ groß.
Haben Sie drei Tipps, mit denen wir im Alltag schnell aus einer „nicht-hirngerechten Schleife“ aussteigen können?
Bernd Hufnagl: Man sollte Nicht-Ziele definieren, also ganz unkonventionell und bewusst einmal festlegen, was man nicht tun will. Hilfreich ist es, Spielregeln in der Kommunikation festzulegen, z. B. Störfaktoren wie E-Mail-Benachrichtigungen (Pop-ups) eliminieren. Unsere Aufmerksamkeit ist trainierbar, beispielsweise mit Sport, Musik, Jonglieren oder anderen Aktivitäten. Letztendlich geht es darum, die Selbst- und Fremdwahrnehmung zu schärfen und Herr über die eigene Energie zu bleiben.
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Zur Person
Bernd Hufnagl studierte Biologie und Medizin mit Schwerpunkt Neurobiologie, Hirnforschung und Verhaltensbiologie. Er war zehn Jahre im Bereich Hirnforschung an der Universität Wien und an der Universitätsklinik für Neurologie am Allgemeinen Krankenhaus Wien tätig. Als Berater und Fachvortragender hat er sich auf das Thema „hirngerechtes Arbeiten“ spezialisiert. Hufnagl hält Managementtrainings, ist Buchautor („Besser fix als fertig“) und unterstützt national und international tätige Unternehmen im Gesundheitsmanagement.