Ausgabe 04/19 -

„Aufgedrängt habe ich mich nie“ (aber viel bewegt)

Erich Kobler, der heute 91-Jährige aus Margreid, zählt zur Gründergeneration der Raiffeisen-Genossenschaften. Noch heute ist er ein überzeugter Genossenschafter und schätzt bei dieser Unternehmensform, dass der Mensch im Mittelpunkt des Wirtschaftens steht. Wir haben ihn besucht.

Herr Kobler, wie begann Ihr Weg in die ­Genossenschaftswelt?
Erich Kobler: Begonnen hat meine ­Geschichte mit dem Auflassen eines Obstmagazins in ­Margreid durch eine private Firma. Die Nach­fahren hatten kein Interesse mehr, dieses weiter­zuführen, und so haben wir es als Genossen­schaft übernommen und für die Obstlagerung ausgebaut. Ich war damals für das „Schriftliche“ zuständig. 1960 wurde die Obstgenossenschaft Kurmark in Margreid gegründet, als Gründungsmitglied wurde ich in den Aufsichtsrat gewählt. Nach elf Jahren als Aufsichtsrat bin ich in das Amt des Obmannes „reingerutscht“, weil mein Vorgänger plötzlich verstorben war. Dieses Amt habe ich dann von 1971 bis 1995 geführt.

Was waren die wichtigsten Meilensteine der Genossenschaft?
Erich Kobler: Wir waren die erste Genossenschaft in Südtirol, die auf Wasserentleerung setzte, worauf ich sehr stolz bin. Wir haben viel in bauliche Erweiterungen und Erneuerungen investiert, wie den Ausbau der CO2-Zellen, und wir haben im Laufe der Jahre kontinuierlich einzelne Nachbargründe angekauft. Das waren aus heutiger Sicht richtungsweisende ­Entscheidungen. Mitte der 70er-Jahre kam dann die St.-Andrä­Genossenschaft aus Salurn zur Kurmark hinzu; für die erfolgreiche Fusion mussten wir in Rom auf höchster politischer Ebene kämpfen. Im Geburtsjahr der Obstgenossenschaft Kurmark haben 16 Gründungsmitglieder 270 Waggons Obst produziert. Die Mitgliederzahl als auch die Erträge in der Genossenschaft sind dann ständig gestiegen. Dabei waren wir immer um gute Qualität bemüht.

Über die Genossenschaft hinaus haben Sie sich landesweit für die Raiffeisen-Organisation eingesetzt …
Erich Kobler: Vieles ist mir einfach so ­zugeflogen, aufgedrängt habe ich mich nie. 1960 schlossen sich der Landesverband der Genossenschaften und der „Verband der ­Raiffeisenkassen“ zum „Raiffeisenverband ­Südtirol“ zusammen. Dass ich 1970 in den ­Aufsichtsrat des Raiffeisenverbandes und drei Jahre später zum Obmann gewählt wurde, war eher Zufall. Ich wurde in einer Angelegenheit für die Obstgenossenschaft Kurmark beim ­Verband vorständig und wurde sogleich als Ersatz für ein verstorbenes Verwaltungsratsmitglied vorgeschlagen. Man hat mich dann zum Obmann ­gemacht und sozusagen ins kalte Wasser geworfen. Ich hatte davor aber keine Angst und hab mein Möglichstes getan. 1973 wurde die Raiffeisen-Zentrale Südtirol, die heutige ­Raiffeisen Landesbank, gegründet, auch hier war ich einige Jahre als Präsident tätig. Diese Ämter waren sicherlich die Höhepunkte meines genossenschaftlichen Wirkens. Auch in der ­Raiffeisenkasse Salurn durfte ich über viele Jahre als Vizeobmann ­mitmischen.

Erich Kobler wurde für seine genossenschaftlichen Verdienste mehrfach ausgezeichnet.
Erich Kobler

Mit welchen Projekten haben Sie sich seinerzeit beschäftigt?
Erich Kobler: Ich hatte im Raiffeisenverband die Aufgabe, diesen zu modernisieren, und wurde mit dem Aufbau des Raiffeisen-Rechenzentrums betraut. Dafür bin ich in die Schweiz, nach Graz und Linz gefahren. Südtirol war, was Online-Systeme anbelangt, im Vergleich zu Österreich noch etwas rückständig. Schließlich kam es zur Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum Linz. Man glaubt es kaum, aber der Streifen der Tagesabrechnung wurde jeden Abend mit einem Zug nach Linz gefahren, im dortigen Rechenzentrum ausgewertet und am Tag danach wieder zurückgebracht. Neue Lösungen mussten her, und um diese habe ich mich gekümmert. Die Anfänge waren beschwerlich, und mir ist viel Skepsis entgegengeschlagen. Zu Beginn hat auch nicht immer alles gut funktioniert, dann wurde es besser.

„Streiten bringt nichts.

Ich war immer um Ausgleich bemüht.“

Was war Ihnen bei Ihrer Arbeit immer wichtig?
Erich Kobler: Ich war gut vernetzt und habe mich mit den Obmännern der Raiffeisen­kassen und anderen Genossenschaften immer gut verstanden. Das ist wichtig fürs Weiterkommen. Ich war stets um Ausgleich bemüht. Streiten bringt nichts. Mein Weggefährte Josef Gamper-Krautsamer war mir ein wertvoller Ratgeber, der oft betonte: „Mit Prozessen füttert man nur die Anwälte, man weiß, wie Prozesse beginnen, aber nie, wie sie enden.“

Welche Dinge würden Sie heute anders machen?
Erich Kobler: Manche Dinge würde ich heute etwas langsamer angehen. Feinde hat man nur, wenn man etwas sehr schnell machen will. ­Obwohl, richtige Feinde hatte ich eigentlich nicht. Ich würde mir auch mehr Zeit für die ­Familie nehmen, denn häufig war ich auch am Wochenende beruflich unterwegs. Ich habe meine Reden noch selber geschrieben und mein Sohn musste mir öfters beim Proben dieser ­Reden zuhause zuhören und mich verbessern.

Was macht Ihrer Meinung nach die Genossenschaft aus?
Erich Kobler: Ich glaube an die Werte des Genossen­schaftswesens und bin von ­dieser ­Unternehmensform überzeugt. In einer Genossen­schaft brauchen nur alle zusammenhalten, dann ist sie stark und erfolgreich. Nur so kommt man gegen die „Großen“ auf den Märkten an. Der Spruch „Einer für alle, alle für einen“ hat auch heute noch Gültigkeit.

INFOS ZUR PERSON

Erich Kobler ist Träger der Raiffeisen-Ehrennadel in Gold und wurde für seine genossenschaftlichen Verdienste mehrfach ausgezeichnet. Mit großem Engagement hat er stets auch die Anliegen der Raiffeisenorganisation auf nationaler Ebene bei Federcasse (Federazione Italiana delle Banche di Credito Cooperativo) in Rom vertreten.