Ausgabe 01/16 -

„Man muss sich im Leben selbst motivieren!“

Von zarten Kindesbeinen an tourte Joey Kelly bis in die späten 90er-Jahre als Mitglied der erfolgreichen Musikgruppe „Kelly Family“ durch Europa. Heute ist der Tausendsassa viel alleine unterwegs. Bei extremen Wettkämpfen und Abenteuern in aller Welt erbringt er unglaubliche körperliche Höchstleistungen. Ein Einblick in das bewegte Leben des Extremsportlers.

Joey Kelly, als Extremsportler gehen, laufen und radeln Sie durch die Welt. Vorher standen Sie als Musiker mit Ihren Eltern und elf Geschwistern auf der großen Showbühne. Ganz ehrlich, was macht rückblickend eigentlich mehr Spaß?
Joey Kelly: Beides. (lacht) Früher war die Musik mein Abenteuer, heute ist es der Ausdauersport. Die Anfänge unserer Musikzeiten waren hart. Wir hatten 18 Jahre lang keinen Erfolg und mussten um unsere Existenz kämpfen. Ab 1994 kam dann plötzlich der kommerzielle Erfolg mit insgesamt 20 Mio. verkauften Schallplatten und 48 Gold- und Platin-Schallplatten. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich das Ganze erlebt und überlebt habe. Auch, dass ich hier heute gesund vor Ihnen stehen kann und mich die Medien nicht kaputt gemacht haben. Ich habe den Ausdauersport zufällig für mich entdeckt. Er ist zu meiner wahren Berufung geworden und bedeutet für mich Spaß, aber auch Ausgleich und Gesundheit.

 


Das heißt: keine Musik mehr, dafür aber sehr viel Sport. Wie viel trainieren Sie denn täglich?
Joey Kelly: Stimmt. Ich trainiere jeden Tag zwei bis drei Stunden. Ich bin aber nach wie vor hauptberuflich Unternehmer und nicht Sportler. Ich habe eine kleine Firma mit sechs Mitarbeitern, die meine Vorträge und Aktivitäten managen. Den Sport betrachte ich als ein Hobby, dem ich intensiv nachgehe und das mir Spaß macht und Kraft gibt.

Sie halten Vorträge auf der ganzen Welt über Motivation. Das tun viele andere auch, man hat den Eindruck, dass wir einen inflationären Boom an Motivationscoachings erleben.
Was bedeutet für Sie Motivation?
Joey Kelly: Das Wichtigste bei der Motivation ist, dass man sich selbst motiviert und sich selbst die Ziele setzt. Deswegen betone ich immer, dass ich kein Motivationstrainer bin. Man muss sich im Leben selbst motivieren. Denn es bringt ja nix, wenn ich Menschen heute Abend etwas erzähle und diese dann für drei Tage lang Vollgas geben, schnell und viel laufen, und danach nie wieder. Man muss selbst das Ziel vor Augen haben. Wenn Vorträge inspirieren und den Mut geben, den eigenen Weg noch stärker zu gehen, ist das schon viel.

Wie kann man nun seine Ziele bestmöglich erreichen?
Joey Kelly: Es geht darum, für sein Ziel zu kämpfen und niemals aufzugeben. Im Grunde ist alles eine Frage des Kopfes. Disziplin ist das Fundament für Erfolg. Klingt einfach – ist es aber nicht immer. Denn der innere Schweinehund steckt in jedem, auch in mir. Man braucht Ausdauer und einen langen Atem.

Kann man sich Ziele zu hoch stecken?
Joey Kelly: Das gibt es sicherlich. Im Extremsport gibt es genügend Athleten, die nicht überleben. Das sind für mich sinnlose Ziele. Weil es einfach zu schade ist, sich ein äußerst lebensgefährliches Ziel vorzunehmen und dabei vielleicht zu sterben. Das, was ich mache, ist vom Risikofaktor her überschaubar und trotzdem riskant. Manchmal übertreibe ich vielleicht auch ein wenig.

Das heißt, Sie schaffen es, auch umzukehren bzw. ein Vorhaben abzubrechen?
Joey Kelly: Ich habe bisher jeden Wettkampf, an dem ich teilgenommen habe, erfolgreich beendet. Die Abenteuer, die ich mache, sind ja keine Bergtouren, wo eine pure Wetterlaune gefährlich werden kann. Bei ein paar Wettkämpfen ist es trotzdem schon eng zugegangen. Wenn man sich da verletzt oder verläuft, kann man auch sterben, weil die Hilfe vielleicht zu spät kommt. Mit jetzt beinahe 20 Jahren Erfahrung lernt man aber, die Gefahr zu verringern. Mit der Auswahl der Wettkämpfe und durch die sportliche Vorbereitung. Aber 100-prozentige Sicherheit oder null Risiko gibt es bei Abenteuern nie.

Beim Kiku International Mountain Summit in Brixenstand Joey Kelly den Journalisten Rede und Antwort.

Joey Kelly: „Durch die Fitness und Energie, die man durch den Ausdauersport bekommt, ist man auch mental stärker belastbar.“

Raiffeisen-Joey-Kelly

Was sind Ihre nächsten Ziele? Gibt es überhaupt noch Herausforderungen für Sie?
Joey Kelly: Ja klar. Ich war mit Markus Lanz am Südpol, dieses Jahr möchte ich zum Nordpol, mal schauen, wie. Ich möchte zum vierten Mal beim berühmten Radrennen „Race Across America“ mitmachen, das über eine Strecke von 4.800 km von der Westküste der USA zur Ostküste führt. Auch eine Länderüberquerung steht auf dem Plan, dieses Mal werde ich von München über Südtirol bis nach Venedig laufen. Für diese Ziele halte ich mich das ganze Jahr über mit Aufbauwettkämpfen in aller Welt fit. Es geht immer weiter. (lacht)

Südtirol liegt also auch auf der Karte Ihrer Abenteuerziele. Wie gut kennen Sie die Region?
Joey Kelly: Ich kenne Südtirol gut. Ich war schon mindestens einige Dutzend Male hier, um Urlaub zu machen. Ich finde das Land einfach toll, es ist für mich der schönste Fleck in Europa. Das Wetter ist gut, das Essen ist super und die Leute sind gut drauf. Besonders im Sommer ist es ein Traum, es ist Natur pur und perfekt für mich und meine Familie.

Zur Person

Joey Kelly, Jahrgang 1972, begann wegen einer Wette mit seiner Schwester Mitte der 90er-Jahre mit dem Ausdauersport. Seine Bilanz ist beeindruckend: bislang absolvierte er 45 Marathons, über 30 Ultramarathons, zehn Wüsten-Ultra-Läufe, dreimal das Ultra-Radrennen „Race Across America“ sowie zahlreiche Triathlons und Ironman. Bis heute hält er mit acht Ironman-Teilnahmen innerhalb eines Jahres den Weltrekord.

 

2010 macht Joey Kelly eine Deutschlandreise der besonderen Art: er lief in 17 Tagen von Wilhelmshaven bis zur 2.962 m hohen Zug­spitze. Im Winter 2010/11 bestritt er mit Markus Lanz den „Wettlauf zum Südpol“, einem 400 km langem Gewaltmarsch durch die Eiswüste der Antarktis. Joey Kelly lebt mit seiner Frau und drei Kindern in der Nähe von Bonn.