Wohnen in Südtirol: Reform zwischen Hoffnung und Realität
Wohnen in Südtirol wird für viele Menschen zunehmend zur finanziellen Herausforderung. Zwar gibt es vielfältige Unterstützung, doch angesichts der hohen Immobilienpreise reicht diese kaum aus. Die Landesregierung hat daher eine ambitionierte Wohnreform auf den Weg gebracht – doch kann sie die Erwartungen erfüllen?
Seit dem 20. Juni 2025 ist die Wohnreform in Südtirol in Kraft. Sie verfolgt mehrere Ziele: mehr bezahlbaren Wohnraum für Einheimische zu schaffen, finanzielle Förderungen gezielter anzubieten und Verfahren zur Wohnbauförderung zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ein wichtiges Element ist der gemeinnützige Wohnbau mit gedeckelten Mieten. Dabei errichtet ein Bauträger Wohnungen, von denen ein Teil zu günstigen Preisen an förderberechtigte Personen vergeben wird. Die frei verkäuflichen Wohnungen finanzieren das Gesamtprojekt. Zusätzlich wird die Sozialbindung der geförderten Wohnungen von bisher meist zehn auf 20 bis 30 Jahre verlängert. Neue Wohnbauzonen und Baukubaturen stehen nur Einheimischen zur Verfügung.
Um Missbrauch zu verhindern, sollen die Kontrollen verschärft und Verstöße konsequent geahndet werden. Darüber hinaus sollen Mitarbeiterunterkünfte den angespannten Wohnungsmarkt entlasten, Kurzzeitvermietungen über Plattformen wie Airbnb stärker eingeschränkt und der Mietmarkt insgesamt ausgebaut werden. Auch die Investitionen in Mietwohnungen werden gefördert. Im Bereich der finanziellen Unterstützung sieht die Reform begünstigte Darlehen, vergünstigtes Bausparen für junge Menschen und Familien sowie Vermietergarantien vor. Die Förderung wird besonders für nachhaltiges Bauen und preisgebundenes Wohnen erhöht. Zudem werden die Antragsverfahren vereinfacht und beschleunigt.
Skepsis bei den Experten: Kein Allheilmittel
Trotz dieser umfangreichen Maßnahmen bleiben viele Experten skeptisch. Olav Lutz, Wohnbauberater bei der Raiffeisenkasse Lana, sieht die Reform zwar als wichtigen Schritt, hält sie aber nicht für einen grundlegenden „Game-Changer“. Er betont: „Die Realität ist, dass die eigenen vier Wände für viele kaum leistbar sind und es auch bleiben werden. Zwar verbessert das neue Gesetz die Konditionen für junge Leute und Rückkehrer aus dem Ausland, aber ohne Unterstützung der Eltern ist Wohneigentum für viele unerreichbar.“
Ähnlich bewertet Christoph Nössing von der Raiffeisenkasse Eisacktal das Gesetz. Er begrüßt die Konventionierung, die verhindert, dass Wohnungen zu astronomischen Prei- sen auf den freien Markt gelangen. Dennoch seien die Einsparungen bei den Darlehensraten vergleichs- weise gering. Zudem fordert er eine strengere Ansässigkeitsklausel als Voraussetzung für die Wohnbauförderung: „Aktuell reicht es, eine Mehrwertsteuernummer anzumelden, um als hier arbeitend zu gelten. Ich würde verlangen, dass man entweder mindestens fünf Jahre in der Provinz Bozen ansässig ist oder fünf Jahre den Arbeitsplatz dort hat.“ Nössing sieht wenig Hoffnung für grundsätzliche Verbesserungen: „Die Baukosten und Grundstückspreise sind aus dem Gleichgewicht geraten, der Mietmarkt bleibt horrend teuer.“
Kurzzeitvermietungen und Baukosten als Hemmnisse
Ein weiteres großes Problem sind Kurzzeitvermietungen über Plattformen wie Airbnb. Sie entziehen dem regulären Wohnungsmarkt wertvollen Wohnraum, da sie oft lukrativer sind. Die Gestaltung der Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) könnte diese Entwicklung bremsen, wenn steuerliche Vorteile für Langzeitvermieter gewährt würden. Bisher hat sich die Landesregierung nicht daran gewagt, hier stärker einzugreifen. Nössing bringt es auf den Punkt: „Airbnb muss besser reguliert und gleichzeitig müssen die Baukosten und Grundstückspreise gesenkt werden. Nur dann kann das neue Wohnbaugesetz seine Wirkung entfalten. Gebaut wird ja ausreichend, aber die hohen Kosten verhindern leistbaren Wohnraum.“
Warum sind die Preise so hoch?
Die Ursachen für die hohen Preise beim Mieten und Kaufen in Südtirol sind vielfältig: Das Bevölkerungswachstum in den letzten Jahrzehnten hat die Nachfrage stark steigen lassen, dazu kommt der Anstieg der Haushalte – insbesondere Single-Haushalte. Der florierende Tourismus trägt ebenfalls zur Verknappung bei, da viele Wohnungen als Ferienobjekte dienen. Zudem haben strengere Bauvorschriften, etwa im Bereich Energieeffizienz und Umweltschutz (wie der Klimahaus-Standard), die Baukosten deutlich erhöht. Nicht zuletzt ist der Baugrund knapp und teuer, was die Grundstückspreise und damit die gesamten Baukosten in die Höhe treibt.
Die Folgen für die junge Generation
Besonders junge Menschen spüren die angespannte Situation. „In den letzten zwei Jahren haben 3.200 Südtiroler das Land verlassen, häufig wegen der Schwierigkeiten beim Wohnen“, sagt Olav Lutz. Für Südtirol bedeutet das einen doppelten Verlust: „Das Land investiert viel in die Ausbildung junger Menschen, doch wenn diese im Ausland bleiben, ist diese Investition verloren.“ Aus diesem Grund wurden für Rückkehrende nun Erleichterungen geschaffen, etwa kürzere Wartezeiten beim Bausparen („Rientro dei Cervelli“). Der oft diskutierte Leerstand könne den angespannten Markt kaum entlasten. Lutz fordert daher mehr kleine Wohnungen für Singles und angepasste Wohnkonzepte für Patchworkfamilien. Er vergleicht: „In den 1980er-Jahren kostete eine Wohnung etwa 125 Millionen Lire, dazu gab es ein zinsloses Darlehen in der Höhe von 109 Millionen Lire. Heute kostet eine vergleichbare Wohnung 450.000 Euro, das zinslose Darlehen liegt jedoch nur bei 35.000 Euro.“
Fazit: Die Wohnreform bildet eine bedeutende Grundlage, doch eine nachhaltige Entlastung des Wohnungs- marktes erfordert weiter- führende Maßnahmen. Dabei ist es unerlässlich, Wohnen als zentrale gesellschaftliche Herausforderung anzuerkennen und mit strategischem Weitblick zu gestalten, um den Bürgerinnen und Bürgern Südtirols langfristig verlässliche Perspektiven zu eröffnen.

PLUS- UND MINUSPUNKTE DER REFORM – In Etappen denken
Wohnbauberater Olav Lutz begrüßt die Wohnbaureform, auch wenn sie seiner Ansicht nach nicht alle Probleme lösen wird. Wohnraum werde wohl weiterhin sehr teuer bleiben.
Herr Lutz, die Landesregierung preist die Wohnbaureform als großen Wurf, für viele ist sie höchstens ein Reförmchen. Was stimmt nun?
Olav Lutz: Die Wahrheit liegt in der Mitte. Es ist zweifellos eine grundlegende Reform. Endlich wurde das Wohnbaugesetz von 1998, an dem seither nur punktuell nachgebessert wurde, umfassend überarbeitet mit Änderungen in vielen Bereichen, von Raumordnung und Wohnbauförderung bis hin zu Urbanistik und Wohnbaufinanzierung.
Wird Ihre Arbeit nun leichter?
Die Wohnbauberatung sollte einfacher werden, aber leider ist sie komplexer geworden. Es gilt mehr zu berücksichtigen und es gibt keine Lösungen von der Stange. Immerhin wurden einige Hürden abgebaut: So wird z.B. das Vermögen der Eltern bei der Förderung nicht mehr berücksichtigt, um aufwendige Prüfungen zu vermeiden. Ob das sinnvoll und gerecht ist, darüber kann man streiten.
Was fehlt?
Vor allem die schnelle Umsetzung. Es gibt viele Neuerungen, aber nur wenig klare Informationen vom Wohnbauamt. Hilfreich wäre eine Zusammenfassung der Fördervoraussetzungen und eine zentrale Anlaufstelle für Spezialfragen. Das derzeitige Beratungsangebot des Landes ist leider nicht ausreichend.
Das Thema Airbnb wurde bislang nur vorsichtig angepackt – und selbst diese Schritte werden von Rom angefochten …
Kurzzeitvermietungen über Plattformen wie Airbnb stellen, wie bereits erwähnt, ein erhebliches Problem für den Wohnungsmarkt dar. Die Landesregierung will diese mit mehreren Maßnahmen einschränken – mit dem Ziel, bis zu 6.000 Wohnungen wieder dem regulären Wohnmarkt für Einheimische zuzuführen. Allerdings hat der Ministerrat in Rom Teile der Reform beim Verfassungsgericht angefochten. Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten.
Ihr Tipp für junge Käufer*innen oder Bauwillige?
Ich empfehle eine Zwei-Stopp-Strategie: Zuerst eine kleine Wohnung für eine Person oder ein Paar kaufen. Wächst die Familie, in etwas Größeres wechseln. Später, wenn die Kinder ausziehen, vielleicht in eine kleine, barrierefreie Wohnung umziehen. Also nicht zu groß planen – eine kleine Wohnung kann im Fall einer Trennung leichter von einem Partner bzw. einer Partnerin allein übernommen werden.