Ausgabe 02/25 -

Wettervorhersage mit Leidenschaft

ORF-Meteorologe Manuel Oberhuber, gebürtiger Brixner, wurde durch seine professionelle Berichterstattung über Unwetter in Niederösterreich einem breiten TV-Publikum bekannt und erhielt dafür viel Lob. Im Interview erklärt er, was ihn an Wetterphänomenen fasziniert und wie sie die Wirtschaft beeinflussen.

Herr Oberhuber, sind Sie ein wetterfühliger Mensch?

Manuel Oberhuber: Eigentlich nicht. Manche Menschen leiden vor allem bei Föhn oder bei schnellen Wetterwechseln unter Kopfschmerzen. Glücklicherweise bin ich davon nicht betroffen.

Was fasziniert Sie am meisten an der Arbeit mit Wetter und Klima?

Am meisten fasziniert mich, dass es möglich ist, das Wetter inzwischen so genau vorherzusagen. Bei manchen Wetterlagen schaffen wir es, Schnee- oder Regenmengen fast eine Woche im Voraus relativ genau vorherzusagen. Die Temperaturprognose funktioniert bei großräumigen Hochdruckgebieten sogar bis zu zehn Tage im Voraus einigermaßen gut. Selbst die Größe von Hagelkörnern können wir mittlerweile immer besser prognostizieren.

Warum sind Wetterprognosen oft nur für einen kurzen Zeitraum genau?

Das hängt einerseits von der Wetterlage ab, andererseits vom jeweiligen Parameter. Die Temperatur im Hoch­sommer ist leichter vorhersagbar als die Nebelwahrscheinlichkeit im Winter. Zudem ist die Wetterprognose in Südtirol schwieriger als im Flachland. Die Wettermodelle können das komplexe Gelände mit vielen Bergen und Tälern nämlich nicht so detailliert abbilden, wie zum Beispiel das flache Alpenvorland.


Welche Wetterphänomene betrachten Sie aktuell mit dem größten wissenschaftlichen Interesse – und welches mit der größten Sorge?
Ich versuche, stets auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu bleiben, denn da tut sich weiterhin sehr viel. Größere Hoffnung setze ich in den nächsten Jahren auf sogenannte „Rapid Update Cycle Ensembleprognosen“. Diese werden jede Stunde neu berechnet und dabei fließen unter anderem aktuelle Radar- und Satellitendaten ein. Dadurch sollte sich die Kurzfristvorhersage von Gewittern bzw. Unwettern verbessern. Größere Sorge bereiten mir mögliche Klima-Kipppunkte, die in den kommenden Jahrzehnten zunehmend wahrscheinlicher werden und die Temperaturen auf der Erde weiter nach oben treiben könnten.

 

Inwieweit gehört es zu Ihrer Aufgabe, auf den menschengemachten Klimawandel hinzuweisen?
Das ist eine von vielen Aufgaben in meinem Berufsalltag. Als Meteorologe und Wissenschaftsjournalist muss ich unter anderem die Entstehung von Unwetter erklären und auch einordnen, welchen Einfluss der Mensch darauf hat.


Wie begegnen Sie Klimawandel-Leugnern?
Ich bin gerne mit Menschen im Austausch und versuche, Wetter- und Klimaphänomene zu erklären. Manchmal merkt man aber, dass das Gegenüber kein Interesse an wissenschaftlichen Erkenntnissen hat. In solchen Fällen bringt es wenig, sich zu bemühen, die Abläufe in der Atmosphäre nachvollziehbar zu erklären.

Müssen wir uns auch in Südtirol zukünftig vermehrt auf Stürme oder Hitzewellen einstellen?
Auf lange Sicht gesehen, ja. Also in den nächsten Jahrzehnten. Dazwischen können aber auch immer wieder Jahre mit weniger Unwettern auftreten. Aber nach und nach werden sie zunehmen und die Kurve zeigt nach oben.


Wie beeinflussen Wettervorhersagen den Tourismus, insbesondere in wetterabhängigen Regionen wie Bergen oder Küsten?

Alle Menschen werden mehr oder weniger stark von der Wettervorhersage beeinflusst – sei es als Tourist, Hobbysportlerin oder Bauer. Viele Menschen buchen ihre Urlaube mittlerweile sehr kurzfristig und machen ihre Entscheidung oft vom Wetter abhängig. Das funktioniert deshalb, weil die Prognosen mittlerweile relativ genau und zuverlässig sind, auch wenn es natürlich weiterhin Fehlprognosen gibt. Wir sind uns jedoch unserer Verantwortung bewusst, beispielsweise gegenüber Menschen, die im Freien dem Wetter ausgeliefert sind, wie Wanderer und Bergsteigerinnen.

Welche Wetterphänomene stellen für die Landwirtschaft die größte Herausforderung dar?

Das ist ganz unterschiedlich. Oft ist es der einfache Regenschauer, der einen Einfluss auf das Spritzen von Obstbäumen hat. Schwerwiegender sind natürlich Unwetter, wie Hagel oder eine wochenlange sommerliche Dürre.

Südtirols Tourismus lebt unter anderem von seinen schönen Skigebieten. Glauben Sie, dass es diese in 50 Jahren noch geben wird?

Ja, das glaube ich schon. Die Saison wird kürzer werden, sowohl am Anfang, also auch am Ende. Die Talabfahrten werden irgendwann nur noch schwer bis Anfang oder Mitte Dezember beschneibar sein, vielleicht erst um oder nach Weihnachten. Die Investitionen in Beschneiungsanlagen werden weiter anhalten. Mit mehr Schneekanonen und größeren Wasserspeicherbecken wird es möglich sein, einen Großteil der weiteren Erwärmung zu kompensieren.


Können Sie kurz erklären, wie moderne Technologien, insbesondere die KI, die Wettervorhersage verändern?

Die KI, oder bessergesagt das „Maschinelle Lernen“ (ML), wird die Wettervorhersage zumindest in gewisser Weise revolutionieren. Ein Meteorologe arbeitet viel mit Mustererkennung. Wir schauen uns mehrere Parameter in den Wettermodellen an und erkennen aufgrund jahrelanger Erfahrung sehr schnell gewisse Muster, ähnlich wie ein Arzt, der auf einem Röntgenbild sehr schnell etwas erkennen kann. Der Computer kann uns dabei helfen, weil er es schafft, tausende Beobachtungen aus den vergangenen Jahrzehnten sehr schnell zu vergleichen. Ein Beispiel: Manchmal entstehen im Sommer heftige Gewitter, obwohl die klassischen Wettermodelle keine Gewitter berechnet hatten. Wenn man sich alle diese Fälle über Jahrzehnte anschaut und vergleicht, erkennt man gewisse Ähnlichkeiten. Und genau hier kann uns das ML helfen, indem es uns an einem Tag vor Gewittern warnt, an dem herkömmlicher Wettermodelle eigentlich keine erwartet hätten.

Welches Wetter ist Ihnen persönlich am liebsten?

Vermissen Sie manchmal in Wien den blauen Himmel Ihrer Heimat? Mir gefällt Schneefall sehr gut und auch Gewitter sind meine Leidenschaft. Den blauen Südtiroler Himmel vermisse ich tatsächlich manchmal. Deswegen bin ich auch relativ oft zu Besuch daheim und bin unter anderem in den Bergen unterwegs.

 

Persönliches

Manuel Oberhuber, gebürtiger Brixner, studierte Geo- und Atmosphärenwissenschaften in Innsbruck. Nach Praktika bei verschiedenen Wetterdiensten im In- und Ausland begann Oberhuber im Jahr 2016 seine Tätigkeit in der Wetterredaktion des ORF in Wien, wo er unter anderem für Wetter­berichte und Hintergrundrecherchen in TV, Radio und Online, sowie für die technische und meteorologische Weiterentwicklung zuständig ist. Zudem ist er regelmäßig als Analytiker in diversen ORF-Sendungen zu Gast, um dem Publikum komplexe Wetter- und Klimaphänomen zu erklären.