Ausgabe 05/24 -

Der Traum von der Frührente

Mit 40 Jahren aufhören zu arbeiten und in Rente gehen? Klingt verlockend, aber auch beinahe unmöglich. Frugalisten leben in jungen Jahren sparsam, um frühzeitig finanziell frei zu sein. Doch wie setzen sie das konkret um? Wir haben Florian Wagner, einen überzeugten Frugalisten, dazu befragt.

Herr Wagner, was hat es mit dem Begriff Frugalismus auf sich?

Florian Wagner: Frugalismus leitet sich vom Wort „frugal“ ab und bedeutet „schlicht, bescheiden, genügsam“. Diese Bewegung aus den USA strebt danach, das Leben durch den gezielten Einsatz von Geld so zufrieden und glücklich wie möglich zu gestalten. Je mehr Vermögen wir aufbauen, desto finanziell unabhängiger können wir entscheiden, wie wir unseren Alltag gestalten. Oft sind wir im Alltagstrott und Konsumwahn gefangen. Frugalisten hingegen sind sich bewusst(er), was sie im Leben wirklich glücklich macht, und investieren ihr Geld mit dem Ziel, eines Tages allein vom ihrem Vermögen leben können.

Wie sind Sie darauf gekommen, Frugalist zu werden?

Das war ein langer Prozess. Ich hatte Blogs aus den USA entdeckt, auf denen Menschen zeigten, wie sie bereits mit 40 Jahren oder sogar früher finanziell unabhängig wurden und ausschließlich von ihren Ersparnissen leben konnten. Zu dieser Zeit war ich als Ingenieur in einem Automobilkonzern tätig. Mit jeder Gehaltserhöhung stiegen auch meine Ausgaben, doch mein Leben verbesserte sich dadurch nicht. Also begann ich bewusst, meine Ausgaben zu hinterfragen. Nach einigen Optimierungen konnte ich über 60 Prozent meines Nettogehaltes monatlich zur Seite legen und begann in Aktien-ETFs (börsengehandelte Indexfonds) zu investieren. Dabei musste ich auf nichts Wesentliches verzichten: Ich tätigte beispielsweise meinen Wocheneinkauf mit gesünderen Lebensmitteln, anstatt abends spontan Pizza und Döner zu essen. Statt mit der U-Bahn fuhr ich mit dem Fahrrad und nebenbei baute ich eine Website auf, die mir ein zusätzliches Nebeneinkommen einbrachte.

Die meisten Frugalisten streben das Hauptziel „Rente mit 40 Jahren“ an. Ist das auch Ihr Ziel oder haben Sie andere Pläne?

Mein Hauptziel ist es, mir ein zufriedenes Leben zu schaffen. Für mich bedeutet „Rente“ nicht, die Beine hochzulegen und mich zu langweilen. Es geht vielmehr darum, dass ich nichts mehr „muss“ und selbstbestimmt entscheiden kann, was ich mit meiner Zeit mache. Ich möchte weiterhin aktiv sein, jedoch immer mehr nach meinen eigenen Vorstellungen. Mein persönliches Ziel ist die finanzielle Unabhängigkeit. Nachdem ich meinen Ingenieursjob nach vier Jahren gekündigt habe, bin ich heute mit 37 Jahren bereits sechs Jahre selbstständig und lebe meinen Alltag bereits sehr nahe an meinem Ideal.


Was meinen Sie mit finanzieller Unabhängigkeit?

Wenn ich meine monatlichen Ausgaben allein von meinen Rücklagen decken kann, bin ich nicht mehr auf ein regelmäßiges Gehalt angewiesen. Ich kann dann jeden Tag das tun, was ich möchte, ohne mir Gedanken über Geld machen zu müssen. Persönlich strebe ich nicht nach Yachten oder Privatflugzeugen, daher erreiche ich meine finanzielle Freiheit natürlich früher als jemand, für den solche Luxusgüter wichtig sind.

 

Wie hoch ist Ihre Sparquote?

Aktuell spare ich 80 Prozent meines Nettoeinkommens. Während meiner Zeit als Ingenieur lag meine Sparquote bei 60 Prozent. Die Ausgaben sind in etwa gleich geblieben, durch die Selbstständigkeit hat sich aber mein Einkommen erhöht.

 

Wie legen Sie Ihre Ersparnisse an?

Meine Ersparnisse investiere ich in Aktien, ETFs und Kryptowährungen (vornehmlich Bitcoin).

Auf meinem Blog geldschnurrbart.de und meinem YouTube-Kanal @geldschnurrbart berichte ich regelmäßig über die Entwicklung meiner Investments und teile gerne Spartipps mit meiner Community.

 

Welche Geldsumme müssen Sie über die Jahre ansparen, um Ihr Ziel „frühe Rente“ zu erreichen?

Die Faustformel für finanzielle Unabhängigkeit besagt, dass man seine jährlichen Ausgaben mit 25 multiplizieren sollte. Meine aktuellen Ausgaben betragen rund 20.000 Euro pro Jahr einschließlich Urlaub und anderer Kosten. 20.000 Euro mal 25 ergibt 500.000 Euro. Wenn ich 500.000 Euro am Aktienmarkt investiert habe, zum Beispiel in ETFs, zeigt die Trinity-Studie, dass ich jährlich vier Prozent entnehmen kann, ohne dass ich die nächsten 30, 40 oder 50 Jahre pleitegehe. Dies ist natürlich nur eine Faustformel, aber sie zeigt einen wichtigen Zusammenhang auf: Es geht nicht darum, wie viel man verdient, sondern es kommt darauf an, wie viel Prozent man monatlich sparen und investieren kann. Die Konsequenz ist: Je weniger Geld wir für ein zufriedenes Leben benötigen, umso weniger Vermögen müssen wir ansparen.


Was würden Sie unseren Leserinnen und Lesern raten?

Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Finanzen! Wenn jemand nicht genau weiß, wie viel er monatlich ausgibt – einschließlich durchschnittlicher Kosten für Urlaub, Freizeit und ähnliches – empfehle ich dringend, sich einmal für zwei Monate alle Ausgaben genau zu notieren. Sobald man einen Überblick hat, kann man rational entscheiden, ob man mit seinem Lebensstil zufrieden ist oder etwas ändern möchte. Überflüssige Ausgaben und Konsummöglichkeiten zu reduzieren, ermöglicht es, mehr Geld auf die Seite zu legen und klug zu investieren. Auch darf man den eigenen Job und dessen zeitlichen Umfang kritisch hinterfragen.

Was meinen Sie mit dem Slogan: „There is no free lunch“?

Es gibt keinen schnellen oder einfachen „Trick“, wie jede*r über Nacht finanziell frei wird. Es erfordert Anstrengung. Wer ein überdurchschnittliches Leben führen möchte, muss auch überdurchschnittlichen Einsatz zeigen. Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, wie das beste Leben für einen persönlich aussieht. Die Geschichten und Beispiele in meinem Buch „Rente mit 40“ zeigen, dass es möglich ist, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen – unabhängig davon, ob man eine Familie hat oder als Angestellte*r arbeitet. Doch allen gemeinsam ist, dass sie viel dafür getan haben. Nichts wird einem einfach so geschenkt.


PERSÖNLICHES

Florian Wagner ist ein Wirtschaftsingenieur (Master) und Finanzexperte im Bereich Aktien und Kryptowährungen. Auf YouTube folgen ihm über 18.000 Abonnent*innen. Sein Bestseller „Rente mit 40“ hat große Bekanntheit erlangt. Auf seinem Blog „Geldschnurrbart.de“ teilt er fundierte Einblicke zu Geldanlagen und Frugalismus.