Ausgabe 03/15 -

„Nur wer selbst eine stabile Basis hat, kann andere gut führen“

Der Sportpsychologe Jan Mayer erklärt, wie Unternehmer von ihrer Arbeit profitieren können, dass Führung bei sich selbst beginnt und dass auch Mitarbeiter Führungsaufgaben haben. Und er sagt, ob Erfolg glücklich macht.

Herr Mayer, im Titelthema dieses Magazins geht es um Glück und was glücklich macht. Macht Erfolg glücklich?

Jan Mayer: Wenn Erfolg bedeutet, dass ich meine eigenen Wünsche und Ziele verwirkliche, kann das glücklich machen. Zumindest kurzfristig. Wenn ich aber nur wegen Prämien oder anderen Menschen zuliebe den Erfolg suche, macht das auf Dauer sicher nicht glücklich.

Inwieweit kann man Erfolg erzwingen, und wie viel Glück braucht es dazu?
Jan Mayer: Durch systematisches und akribisches Vorbereiten versucht man – zumindest auf Top-Niveau –, den Faktor Glück zu minimieren. Dadurch werden sich meine Erfolgswahrscheinlichkeiten deutlich verbessern. Trotzdem gibt es keine Garantie, und auch bei einer sehr guten Ausgangsposition kann es trotzdem passieren, dass der Erfolg ausbleibt. Das macht aber den Sport auch so attraktiv für Zuschauer.

Sie sprechen als Sportpsychologe bei einem Wirtschaftssymposion. Inwieweit überschneiden sich diese Sphären?
Jan Mayer: Ein wichtiger Schnittpunkt aus psychologischer Sicht ist sicher der Umgang mit Druck und eine hohe Erwartungshaltung hinsichtlich eines kontinuierlichen Erfolgs in beiden Sphären. Die Prozesse, die dadurch im Kopf angestoßen werden, sind sehr ­ähnlich und somit auch die Strategien, wie man ihnen begegnen kann. Daneben ist oft auch der zwischenmenschliche Bereich interessant. Wirtschaftstreibende profitieren deshalb oft von Impulsen aus Teamsportarten oder den Führungsstilen von Trainern.

Sie haben mehrere renommierte Mannschaften begleitet. Können Sie uns ein besonderes Erlebnis erzählen?
Jan Mayer: Besonders in der Erinnerung bleiben hoch emotionale Situationen, und das sind nicht unbedingt Erfolge oder Misserfolge, sondern vielmehr persönliche Schicksale. So bleibt für mich die Begleitung von Robert Müller (Hirntumor) oder der Umgang mit dem Hoffenheimer Team nach dem Autounfall von Boris Vukcevic zu den intensivsten Erlebnissen.

Foto: Sportpsychologe Jan Mayer:
Bevor ich ein ganzes Team führe, muss ich mich um jedes Teammitglied kümmern.
Jan-Mayer

Sie sagen, es genüge nicht, den Mitarbeitern einfach Ziele vorzugeben. Was braucht es stattdessen?
Jan Mayer: Es macht Menschen nicht ­glücklich, vorgegebene Ziele zu erfüllen, nur um eine ­Belohnung zu erhalten oder einer Bestrafung zu entgehen. Dieses Modell der extrinsischen Motivation funktioniert heute in vielen ­Bereichen nicht mehr. Viel mehr Motivation, von innen her kommend, entsteht aber, wenn es einer Führungs­kraft gelingt, die Mitarbeiter so zu inspirieren, dass sie die Ziele als ihre eigenen Ziele annehmen. Dadurch entsteht eine höhere ­Identifikation mit der gemeinsamen Sache.

Sie nennen drei Strategien, um positiv auf sich, andere und das Team einzuwirken. Was für Strategien sind das?
Jan Mayer: Durch Pausengestaltung und Regeneration ausreichend Energie für die bevorstehende Anforderung sicherzustellen. Durch Mentales Training, das Durchspielen der Handlungsoptionen in der Vorstellung, Routine und Souveränität für die Anforderungssituation entwickeln und durch kontrollierte Selbstgespräche eine positive Befindlichkeit zur Anforderung aufbauen und auch in schwierigen Phasen aufrechterhalten.

Vom ICH zum DU zum WIR: Was können wir uns darunter vorstellen?
Jan Mayer: Mit dieser Aussage ist gemeint, dass eine Führungskraft diese Abfolge berücksichtigen sollte, wenn sie an ihrer Führungsqualität ­arbeitet. Nur wenn sie selbst eine stabile Basis hat – das ICH –, ist sie auch in der Lage, andere gut zu führen. Und bevor ich ein Team als Ganzes – das WIR – führen und stärken kann, muss ich mich um jedes Teammitglied – das DU – kümmern.

Sind Ihre Handlungsanleitungen universal verwendbar, oder muss ein Südtiroler ­Unternehmen anders handeln als ein italienisches oder ein bundesdeutsches?
Jan Mayer: Die Prinzipien sind die gleichen. Aber man muss bei der Führung von Teams die Lebenssituation der Teammitglieder berücksichtigen. Dabei können dann schon kulturelle Unterschiede eine Rolle spielen.

Ihre Tipps richten sich eher an Führungspersonen. Was für Tipps können Sie den Mitarbeitern geben?
Jan Mayer: Die meisten von uns haben Führung­s­­-aufgaben. Und sei es nur innerhalb der eigenen Familie oder vielleicht bei seinem Hobby. Aber unabhängig davon, sollte jeder darauf ­achten, dass das ICH auf stabilen Füßen steht. Die damit in Zusammenhang stehenden Strategien gelten also für alle.

Sie haben zwei Kinder. Wenden Sie da Ihre Methoden auch manchmal an?
Jan Mayer: Aber sicher! Einige Strategien kann man spielerisch schon bei den ganz Kleinen sinnvoll einsetzen.

Zur Person

Jan Mayer ist Sportpsychologe und Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken, vor kurzem erschien sein Buch „Make them go!“ Mayer sprach beim 15. Anleger­symposion des Raiffeisen InvestmentClubs im Forum Brixen darüber, wie es Spitzentrainern gelingt, die maximale Leistung aus Sportlern und Teams herauszukitzeln. Von diesem Wissen können auch Unter­nehmer profitieren.

 


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