Ausgabe 04/16 -

Kunst und Geld – Wie frei ist die Kunst?

„Treffen sich zwei Banker, reden sie über Kunst. Treffen sich zwei Künstler, reden sie über Geld“, sagte Oscar Wilde. Kunst und Geld sind Dinge, die oft einander fremd sind und sich dennoch brauchen.

Es muss erst kaputt gemacht werden, damit etwas Neues daraus entstehen kann. ­Hubert Kostner aus Kastelruth zersägt in ­seinem Atelier alte Grödner Holzschnitzereien und fügt sie zu neuem Sinn zusammen. „Geschichten erzählen, sie konzeptionell verschieben – oder auch zerstören“, beschreibt Kostner eines der Hauptthemen seines Schaffens. Aus einer Statue des heiligen Ulrich wird ein Schnitzschlegel, von der Wand hängen Girlanden aus zerschnittenen Holzfiguren. Oder er schreibt mit Schrauben Botschaften in Holzbretter, Nagelbilder der ­brachialeren Art. Er will weniger kreieren, als vielmehr „Kontraste sichtbar machen und ­Kontexte verschieben“.

Kostner, Jahrgang 1971, Vater von zwei Söhnen, wuchs in Kastelruth auf und besuchte die Kunst- und Berufsschule in Gröden. Er arbeitete als selbständiger Bildhauer, gemeinsam mit seinem Vater betrieb er ein Holzschnitzereigeschäft. Mit 26 Jahren war ihm das zu wenig, er besuchte die Kunstakademie München und wagte sich 2003 ins freie Künstlertum. Das Geschäft gibt es noch, damit und mit Hilfe der Eltern konnte er sich seine Leidenschaft anfangs finanzieren. Bis man von der Kunst leben kann oder sogar reich wird, ist es ein weiter Weg. Auch für einen etablierten Künstler.

Ob er seinen Beruf weiterempfehlen könne? „Schwierig“, meint Kostner. „Am Anfang braucht man den Rückhalt von den Eltern oder einem Mentor“, sagt er.

Denn Kunst braucht Zeit und Platz, eine Werkstatt, Lagerfläche, ­Material. Das kostet. Die Freiheit der Kunst und der Zwang, Geld verdienen zu müssen, führen eine immerwährende Fehde. „Es ist ein ­Dilemma“, sagt Lisa Trockner, Geschäftsführerin des Südtiroler Künstlerbundes. „So viele Kunstschaffende, die von der Kunst leben können, gibt es bei uns nicht, und die wenigen tun sich schwer.“ Man muss ausstellen und präsent sein, sagt sie. Ein Künstler muss sich vermarkten, Netzwerke spannen, die richtigen Kontakte und viel Glück haben, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort auszustellen, die richtigen Leute zu treffen und ihnen zu gefallen. Die Herausforderung ist, sich nicht dem Gönner anzubiedern.

Freie Künstler wie Hubert Kostner sind selbständige Unternehmer.
Neben Talent und Kreativität brauchen sie für ihren Beruf Risikobereitschaft und ein Händchen für die Selbstvermarktung.

Der Künstler Hubert Kostner

RAIFFEISEN KUNSTSAMMLUNG

Eine Arbeit Kostners, „Tyrol 9“, ist Teil der Kunstsammlung der Raiffeisen Landesbank. Die Raiffeisen Kunstsammlung wurde 2011 begründet und hat zum Ziel, „junge Tiroler Künstlerinnen und Künstler zu fördern, ihnen Sichtbarkeit zu geben und eine qualitativ hochwertige Sammlung zeitgenössischer lokaler Kunstwerke aufzubauen“, sagt Michael Grüner, Präsident der Raiffeisen Landesbank. Die Künstler sollen nicht finanzielle Beiträge bekommen, sondern ihre Arbeit wird unterstützt, indem die Landesbank ihre Werke ankauft. Dass sich ein roter Faden konsequent durch die Sammlung zieht und die Ankäufe nach einem Konzept getätigt werden, gewährleistet ein fachkundiger und ­unabhängiger Kunstbeirat. „Das Beste für Künstler sind Auftrag und Ankauf, das ist viel besser, als wenn sie um Beiträge ansuchen müssen“, sagt Lisa Trockner, eine der ­Kuratorinnen der Raiffeisensammlung.

„Ein Ankauf ist kein Almosen, sondern eine Wert­schätzung, man akzeptiert den Beruf des Künstlers als Teil der Gesellschaft und unterstützt damit indirekt auch Wirtschaft und Tourismus.“
Seit Jahrzehnten unterstützen die Raiffeisen­kassen vor Ort kulturelle Vereine wie Theater­gruppen, Musikkapellen und verschiedene kulturelle Veranstaltungen und Projekte, immer mehr auch die „Bildende Kunst“. Beispielsweise fördern die Raiffeisenkassen Salurn, Deutschnofen und Überetsch gemeinsam die Kunstausstellungen in Neumarkt mit Gemälden von vorwiegend Südtiroler Künstlern. Andere Raiffeisenkassen organisieren selbst Kunstausstellungen, wie die Raiffeisenkassen Eisacktal oder Bruneck. Die Raiffeisenkassen Kastelruth-St. Ulrich und Gröden zeigen ihre Verbundenheit mit der heimischen Kunstszene u. a. durch das Sponsoring der „Biennale Gherdeina“, einer renommierten Kunstveranstaltung. Weitere Beispiele gäbe es zuhauf.

Das Atelier und Wohnhaus des Künstlers

spiegelt die Auseinandersetzung mit Tradition und Moderne wider.

Das Atelier von Hubert Kostner in Kastelruth – Tradition und Moderne

GENOSSENSCHAFTLICHER FÖRDERAUFTRAG

Warum unterstützen Unternehmen und im Besonderen Banken die Kunst? Geht es darum, der Kunst eine öffentliche Bühne zu bieten und dadurch die Auseinandersetzung mit der Kunst zu fördern? Oder steckt dahinter Kalkül? Zweifels­ohne sind Banken keine selbstlosen Mäzene, sie erhoffen sich vom Engagement ein gutes Image und den Kontakt mit wichtigen Zielgruppen. „Was uns aber besonders antreibt, ist unser genossenschaftlicher Auftrag, das gesellschaftliche und kulturelle Leben in unserem Dorf zu fördern“, sagt Stefan Tröbinger,

Direktor der Raiffeisenkasse Kastelruth-St. Ulrich. Der Künstler Kostner freut sich über die Unter­stützung: „Bei Raiffeisen hab ich ein gutes Gefühl, weil es eine ländlich strukturierte Genossenschaft ist und nicht die Großbank, bei der ich nicht weiß, wo das Geld herkommt.“ Und neben der Unterstützung für die lokale Kunstwelt ist eine Kunstsammlung auch eine gute Investition, nicht nur in das Renommee der Bank: „Die Rendite ist sicher besser als bei manchen Anleihen“, sagt Kostner (lacht). „Kunst ist ein Geschäft, wenn man es richtig macht.“

BEZIEHUNG KUNST UND GELD

Wie stünde es um Kunst und Kultur, wenn es ­keine Menschen und Institutionen gäbe, die Künstler fördern? Kunst kann ohne Unterstützung nur schwerlich gedeihen. Die Beziehung zwischen Kunst und Ökonomie gestaltet sich zwar zuweilen schwierig, von einem inkompatiblen Verhältnis kann allerdings nicht die Rede sein. Der englische Philosoph Samuel Butler formulierte es wie folgt: „Der Geschäftsmann und der Künstler sind wie Materie und Geist. Wir können keinen von beiden ganz rein bekommen ohne Beimischung des andern.“ Oder wie es Hubert Kostner auf den Punkt bringt: „Ein Kunstwerk in einem Büro ist wie ein Fenster, durch das frische Luft hereinkommt.“

KUNSTSCHAFFEN IN SÜDTIROL – „Der Kunstmarkt ist ein knallhartes Geschäft“

Lisa Trockner über den harten Kunstmarkt und das Kunst­schaffen in Südtirol. In ihrem Büro, der „art-kitchen“, schwebt eine Installation von Hubert Kostner. Sie ist Geschäfts­führerin des Südtiroler Künstlerbundes und Initiatorin und eine der Kuratorinnen der Kunstsammlung der Raiffeisen Landesbank.

Frau Trockner, erzählen Sie uns vom Südtiroler Kunstmarkt.
Lisa Trockner: Es gibt keinen Südtiroler, nur einen inter­nationalen Kunstmarkt. Und der hat mit unserer Arbeit im Künstler­bund wenig zu tun. Bei uns geht es um Förderung von Nach­wuchskünstlern, Sichtbarmachung von Kunst, Weitergabe von Informationen, Sensibilisierung und Auslotung der Grenzen im eigenen Land.

Wer bestimmt den Wert eines Kunstwerks?
Lisa Trockner: Der Kunstmarkt ist ein knallhartes Geschäft. Eine kleine Gruppe von Galeristen und Kunstsammlern ­bestimmt, was und wer am Kunstmarkt gekauft wird. Zusammen mit Kritikern, Sammlern, Museen und Auktionshäusern können sie einen Künstler „hypen“. Sobald der Künstler einen ­gewissen Marktwert hat, kann er im Grunde machen, was er will, die Qualität ist dann zweitrangig. Private Kunstsammler, die eigene Häuser mit Kuratoren haben, verleihen ihre Werke an staatliche Museen und bekommen so quasi den Stempel aufgedrückt, wichtige Kunst zu sein. Der monetäre Wert eines Kunstwerks hat nicht immer mit Qualität zu tun.

Wie entwickelt sich das Kunstschaffen in Südtirol?
Lisa Trockner: Wir haben eine hohe Dichte an jungen, guten Künstlern, die international agieren. Weil wir im Land keine ­Ausbildung für junge Künstler haben, studieren sie in Wien, München, London oder Italien. Das Netzwerk ist weit ­gesponnen, weil sie immer wieder nach Südtirol zurückkommen. Es gibt ­keine eigene Handschrift der Südtiroler Künstler, aber es fällt schon auf, dass es eine sehr authentische Kunst ist, die hier entsteht. Egal wo die Künstler hingehen, man spürt die Ver­wurzelung in der Heimat.