Ausgabe 02/19 -

Hat das Bargeld noch eine Zukunft?

Euro-Banknoten und -Münzen sind seit dem Jahr 2002 im Umlauf. Seitdem hat sich vieles verändert. Elektronische Bezahlvorgänge sind erheblich gestiegen. Aber droht damit die Abschaffung des Bargelds?

„Ich zahl’ meinen Kaffee.“ „Macht 1,30 ­bitte.“ „Mit Karte!“ Was für die meisten von uns eher ungewöhnlich klingt, ist in einigen skandinavischen Ländern bereits Realität. Immer mehr Zahlungen werden per Bank-, Kreditkarte oder Smartphone erledigt und die Bedeutung des Bargelds geht zurück. Aber möchten wir deshalb ganz darauf verzichten?


Pro Bargeld

Barzahler – so eine Studie der Deutschen Bundes­bank – mögen es, Scheine in der Hand zu haben. Die Haptik von Scheinen vermittelt, einen Wertgegenstand in der Hand zu haben, stärker als eine Plastikkarte oder eine Zahl auf dem Display. Dazu kommt das Gefühl, die ­Ausgaben besser im Griff zu haben. Sind die 100 Euro in der Geldtasche ausgegeben, ist die Hürde zu weiteren Anschaffungen höher. Wer mit Scheinen und Münzen zahlt, hinterlässt keine elektronischen Spuren an der Ladenkasse. Die Privatsphäre bleibt geschützt, ein wichtiges Argument der Bargeldbefürworter. Auch ist die Sorge vor dem Klau sensibler Bankdaten bei der Nutzung von Plastikgeld bei vielen noch groß. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Teilhabe: Wie käme jemand, der weder Bank­konto noch Smartphone besitzt, in einer nur noch digital zahlenden Gesellschaft an Geld?

Kontra Bargeld

Bargeld kostet Geld. Scheine müssen gedruckt, Münzen geprägt, Werttransporte und Geld­börsen abgesichert werden. Allerdings sind auch elektronische Bezahlverfahren nicht zum Nulltarif zu haben. Sie brauchen funktionierende Strom- und Datennetze, wodurch Transaktions­kosten entstehen. Auch in puncto Sicherheit müssen sie permanent weiterentwickelt werden. Ohne Bargeld würde es weniger Schwarz­arbeit und Geldwäsche geben, Bankraub und ­andere Delikte würden deutlich erschwert, sind viele überzeugt. Die Politik geht deshalb auch entschlossen mit Bargeldobergrenzen gegen Kriminelle vor, in vielen europäischen Staaten gibt es bereits entsprechende Gesetze. Aber genau diese umfassende Kontrolle des Staates über das Geld prangern Gegner an. Wer will schon zum gläsernen Konsumenten werden? Abgesehen davon, dass wohl auch die Mafia inzwischen nicht mehr ausschließlich mit Geldkoffern hantiert, wäre es für die Bürger in Krisenzeiten auch schwerer, an ihr Geld zu kommen.

Mit Smartphone an der Ladenkasse bezahlen steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen.
In anderen Ländern wie beispielsweise Schweden ist es alltäglich.
Raiffeisen Bargeldlose Bezahlung mit dem Smartphone

Bargeld abschaffen?

Die Abschaffung des Bargelds ist ein Reizthema. Politiker, Banken, Finanzexperten, Ökonomen, Datenschützer, Kriminalbeamte – sie alle reden mit und sind sich oft genug uneins.
Einige ­Ökonomen prognostizieren bereits heute das Verschwinden des Bargelds. An seine Stelle werde die Zahlung mit Karten oder mit auf Smart­phones installierten Apps treten. Eine treibende Kraft dieses Wandels sei unsere Bequemlichkeit, die uns dazu verleitet, selbst wenig aufwendige Handlungen wie das Hantieren mit Barem in unsere Handys zu verlegen. Eine andere das wirtschaftliche Interesse der IT- und Finanz­branche, aus dem Bezahlen selbst ein Geschäft zu machen, seine Abwicklung zu kontrollieren und die so gewonnenen Daten zu vermarkten.

Die Vision einer völligen Abschaffung des Bargelds hat prominente Fürsprecher, ­darunter Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman. Geringere Kosten, weniger Kriminalität und eine bessere Wirkung der Geldpolitik sind seine Argumente. Niedrige Zinsen verleiten Menschen dazu, Geld nicht mehr aufs Konto zu legen, ­sondern zu horten. In unserem Wirtschafts­system muss das Geld aber mobil sein, damit die Wirtschaft wachsen kann – das Ersparte unter der Matratze ist totes Kapital. Und davon gibt es viel, sagen Experten: Euro-Banknoten im Wert von über einer Billion Euro sind im Umlauf, aber nur 15 % davon werden für Transaktionen genutzt, der Rest wird gehortet nach der Devise: „Nur Bares ist Wahres.“

Elektronisches Zahlen nimmt zu – Bargeld nach wie vor beliebt

Banken, IT-Unternehmen wie Apple, Samsung und Google und neue Wettbewerber experimentieren seit Jahren mit digitalen Bezahlmethoden in einem hart umkämpften Markt. Viele dieser Zahlsysteme haben sich bereits durchgesetzt, andere sind noch Nischenprodukte mit Potenzial. Dass die Zahlungen mit Kredit- als auch Bankkarten zugenommen haben, liegt auch am Internet. So ist die Kreditkarte für Käufe im Web unerlässlich geworden. Wurden 2013 weltweit 28,5 Mrd. Bezahlaktionen über das Netz abgewickelt, ist diese Zahl bis heute bereits auf 76,5 Mrd. gestiegen. Die Möglich­keiten des digitalen Bezahlens werden immer ausgefeilter. Auch kleine Banken sind bemüht mitzuhalten und ihren Kunden die bequemsten und sichersten Zahlungssysteme zur Verfügung zu stellen. Aber allen Trends zum Trotz: Bargeld ist immer noch das beliebteste Zahlungs­mittel, zumindest im Euroraum. Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank wurden im Jahr 2016 noch 79 % aller Einkäufe in der EU an der Ladenkasse in bar bezahlt. Die Studie zeigt auch, dass es beim Bezahlen und bei der Einstellung zum ­Bargeld große Unterschiede zwischen dem Norden und den Süden des Euroraums gibt. Während in den skandinavischen Ländern wie Dänemark und Schweden bereits an Würstchenbuden oder Kiosken Kleinstbeträge elektronisch bezahlt werden, zahlen Verbraucher im Süden der Eurozone noch vorwiegend mit Bargeld. Mit zunehmender Verbreitung der Technologie an den Kassensystemen werden auch hier die Zahlen in den nächsten Jahren steigen, so die Prognosen.


Fazit: Nach wie vor möchte der Bürger entscheiden, wie er bezahlt und ob er sein Geld hortet. Der Kaffee zwischendurch an der Bar, der Euro für den Bettler oder die Münzen für den Klingel­beutel – das Bargeld wird uns wohl noch eine ganze Weile erhalten bleiben.

ZAHLUNGSSYSTEME – Bargeld wird bleiben

Ulrich Euthum prophezeit elektronischen Bezahlsystemen steigende Marktanteile, glaubt aber nicht, dass das Bargeld verschwinden wird. Ulrich Euthum ist Leiter der Abteilung Zahlungsflüsse bei der Raiffeisen Landesbank Südtirol.

Herr Euthum, wird das Bargeld verschwinden?
Ulrich Euthum: Sicher nicht. Im Gegenteil, wir sehen, dass die Bargeldumsätze sogar zunehmen. Im Tourismus zum Beispiel sind Bargeldzahlungen sehr beliebt.

 

Also alles gut?
Ulrich Euthum: Nicht unbedingt. Bargeld kostet. Druck, Transport, Versicherungen, Ersatz und Falschgeld kosten allein in Italien 10 Mrd. Euro pro Jahr. Man versucht, den Bargeldverkehr zumindest effizienter zu machen. Die 500-Euro-Scheine werden nicht nachgedruckt und somit de facto abgeschafft, auch die ­1- und 2-Cent-Münzen könnten verschwinden.

 

Also lieber mit Karte?
Ulrich Euthum: Kartenzahlung ist schnell und sicher. Ich kann zum Beispiel meine Kreditkarte auf dem Handy hinterlegen und kontaktlos zahlen. Wir beobachten, dass es stark genutzt wird, wenn man es ausprobiert hat.

Und die Nachteile?
Ulrich Euthum: Ich kann den Macchiato elektronisch bezahlen, aber das ist teuer, denn es steckt eine große Maschinerie dahinter, egal wie groß die bezahlte Summe ist. Technik, Sicherheitssysteme, Meldungen. Außerdem bin ich auf funktionierende Datenübertragung und Strom angewiesen. Elektronische Zahlungen sind auch nicht anonym. Viele fühlen sich da zu stark überwacht.

 

Bargeld ist anonym …
Ulrich Euthum: Ja und ich kann nur ausgeben, was ich in der Tasche habe. Andererseits, wenn ich es verliere, ist es weg.
Und es begünstigt Schwarzarbeit und illegale Aktivitäten.

 

Wie werden wir in Zukunft bezahlen?
Ulrich Euthum: Größere Beträge werden bestimmt vermehrt ­elektronisch bezahlt. Ob sich diese Zahlungsinstrumente bei ­kleinen Summen durchsetzen, da bin ich eher skeptisch.